Hille

Dreifachmord von Hille: Jörg W. laut Gutachterin voll schuldfähig

Der Hof auf dem der mutmaßliche Dreifachmörder und sein Helfer gewohnt haben. | © Edwin Dodd.Lavelslo

25.02.2019 | 25.02.2019, 18:13

Hille. Jörg W. wirkt unbeeindruckt, verzieht keine Miene, als die Psychologin Dr. Sabine Nowara Montag im Landgericht Bielefeld ihr Gutachten über den 52-Jährigen mutmaßlichen Dreifachmörder vorträgt. Sie schätze ihn als voll schuldfähig ein, so die Expertin. Der Angeklagte sei durchschnittlich intelligent, neige zu deutlichen Übertreibungen, sei psychisch aber völlig gesund, sagte Nowara. Auch eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit schließe sie aus. Es lägen keine krankhaften, seelischen Störungen vor.

Die Psychologin hatte sich mit dem ehemaligen Fremdenlegionär am 21. August 2018 zu einem vierstündigen Gespräch in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld getroffen. Dabei sei Jörg W. bei seinen Schilderungen inhaltlich eher blass geblieben, fasste Nowara das Gespräch zusammen.

Zu bestimmten Themen wie seiner Ehefrau Doris, seinem beruflichen Werdegang, oder seinen finanziellen Problemen habe er entweder nur oberflächlich geantwortet, sich auf Gedächtnislücken berufen oder in Widersprüche verstrickt.

Ein Einzelgänger ohne Empathie

Die Gutachterin zeichnete das Bild eines Einzelgängers, der keine Empathie für die Mordopfer zeigte. „Es gab kein Wort des Bedauerns", sagte Nowara. Hinsichtlich der Taten habe Jörg W. kein Schuldbewusstsein. Gegenüber Fadi S. sei er nur deshalb gewalttätig geworden, weil dieser ihn zu einem Anschlag verleiten wolle.

Jörg W. behauptet, den Libanesen lediglich mit einem Hammerschlag betäubt, aber nicht getötet zu haben. Auch mit den Morden an dem Nachbarn Gerd F. und dem landwirtschaftlichen Helfer Jochen K. will er nichts zu tun haben – für die drei Tötungen sei sein Ziehsohn Kevin R. (24) verantwortlich.

Die Gutachterin attestierte dem Angeklagten narzisstische Züge. Jörg W. habe deutlich überzogene Ansichten hinsichtlich seiner eigenen Fähigkeiten, so Nowara. Seine Zeit in der Fremdenlegion, mit der Jörg W. immer wieder geprahlt haben soll, hätte er ihr gegenüber deutlich relativiert, so die Expertin.

Angeklagter neigt zu Dramatiesierungen

Der Angeklagte habe „einen ganz normalen Arbeitgeber" geschildert, bei dem man auch als Koch oder im Musikkorps hätte arbeiten können. Von kriegerischen Handlungen sei keine Rede gewesen. Jörg W. habe sich offenbar als jemand darstellen wollen, der etwas Besonderes geleistet habe, der aber nicht gewaltbereit sei.

Ihrer Ansicht nach neige der 52-Jährige zu Dramatisierungen, so die Expertin weiter. Diese Erkenntnis machte sie beispielsweise an den zahlreichen körperlichen Beschwerden fest, über die Jörg W. geklagt habe. Zweimal hätten Ärzte unabhängig voneinander eine Krebserkrankung bei ihm diagnostiziert, hatte er der Gutachterin beispielsweise erzählt. Allerdings sei diese Erkrankung nicht weiter behandelt worden. Beide Ärzte sollen laut Jörg W. später Selbstmord begangen haben.

Jörg W. habe sich selbst immer wieder als sehr hilfsbereit beschrieben. So habe er das Mordopfer Gerd F. zweimal bei einem Suizidversuch gerettet, ihn bei Bankgeschäften unterstützt und vom Alkohol weggebracht.

Von den Morden überrascht

Er selber sei völlig überrascht gewesen, dass Kevin die Morde ohne ein erkennbares Motiv begangen habe, soll W. gegenüber der Psychologin geäußert haben. Und weiter: Seine Medikamente gegen ADHS habe der rechtsradikal eingestellte Kevin zum Zeitpunkt der Taten nicht genommen.

In der Frage, ob der ehemalige Fremdenlegionär zu weiteren Gewalttaten neige und daher eine Sicherungsverwahrung nötig sei, wollte sich die Expertin nicht festlegen. Allerdings spreche einiges für eine ungünstige Prognose – vorausgesetzt, Jörg W. habe die Morde tatsächlich begangen.

Nowara stützte diese Einschätzung darauf, dass die drei Getöteten keine Zufallsopfer waren. Der Täter sei planmäßig vorgegangen. Außerdem sei bei den Morden mehr getan worden als nötig, spielte die Gutachterin auf die enorme Brutalität der Taten an. Außerdem habe Jörg W. ein sehr klares Bild von sich vermittelt: „Er ist der Gute." Das Leugnen einer Tat sei für eine mögliche spätere Behandlung ebenfalls ungünstig, so die Expertin.

Fortsetzung am 8. März

Auf die Frage der Verteidigung von Jörg W. ob ein Proband sich so verstellen kann, dass der Experte es nicht bemerkt, machte Sabine Nowara deutlich: „Ich glaube, dass mich jemand belügen kann, aber ich bezweifle, dass sich jemand über vier Stunden so verstellen kann, dass es mir nicht auffällt."

Der Prozess wird am Freitag, 8. März, mit einem Kurztermin um 8.30 Uhr fortgesetzt. Das Gutachten über den zweiten Angeklagten Kevin R. soll am Dienstag, 26. März, von Dr. Nahlah Saimeh eingeführt werden.