Espelkamps Ortsvorsteher im Interview: "Hier haben die Häuser noch einen Rufnamen"

Espelkamp-Altgemeinde. Der Ortsvorsteher des Espelkamper Stadtteils, dem die Stadt ihren Namen verdankt, ist ein politisches Schwergewicht. Viele Jahre war er der zweitmächtigste Mann nach dem Bürgermeister in der heimischen Politik. Er stand 14 Jahre der größten Fraktion im Stadtrat vor und leitete den nach dem Rat wichtigsten Fachausschuss, den Ausschuss für Stadtentwicklung. Nach der Kommunalwahl zog sich Wilfried Windhorst aus der aktiven Kommunalpolitik zurück und überließ Jüngeren in seiner CDU das Ruder. Doch eine Funktion wollte er weiter ausüben, die des Ortsvorstehers seines Heimatdorfes, der Altgemeinde Espelkamp. Gemeinsam mit der Dorfgemeinschaft ist er die Stimme seines Stadtteils im Konzert der Stadt Espelkamp. Im NW-Sommerinterview gibt der Ortsvorsteher Wilfried Windhorst gerne Einblicke in sein Leben und wie es um &bdquo;seinen“ Stadtteil bestellt ist. Herr Windhorst, was bedeutet Alt-Espelkamp oder die Altgemeinde, wie sie auch von einigen genannt wird, für Sie heute? Wilfried Windhorst: Wir sind quasi zugereist und leben erst seit 1986 in Alt-Espelkamp, wo wir unser Haus gebaut haben. Immerhin geht es jetzt auch schon auf die 40 Jahre zu, dass wir hier leben. Es ist bereits mehr als eine Generation. Es ist für uns alle zur Heimat geworden. Als Familie sind wir problemlos angekommen und akzeptiert und haben hier unsere Freunde gewonnen. Doch man musste schon einiges lernen. Viele Häuser haben hier nicht nur einen offiziellen Namen, sondern auch einen zweiten Namen, eine Art Rufnamen. Gerade wenn Mitbürger sich über irgendwelche Personen unterhalten, die wir nur mit dem offiziellen Namen kennen. Da müssen wir erst einmal die Verbindungen herstellen. Das meiste haben wir inzwischen verstanden und können es zuordnen. Gott sei Dank ist das bisher ohne die ganz großen Missverständnisse abgegangen. Haben Sie eigentlich einen Lieblingsort oder auch mehrere in der Gemeinde? Ja, den gibt es tatsächlich. Am wohlsten fühle ich mich hier bei mir an der Straße &bdquo;Auf der Heide“. Wir sind hier sozusagen mitten in unserem Ortsteil. Alle für uns zentralen Einrichtungen wie das Paul-Gerhardt-Haus, das Dorfgemeinschaftshaus, das Sportgelände, ja auch der Friedhof, die Auewiesen und das Naturschutzgelände mit dem Kleihügelsee. Das ist doch eine Umgebung, wie man sie ansonsten nur im Urlaub hat. Besser geht es nicht. Und gibt es da noch eine ganz besondere Stelle? Ja, das ist im Garten unsere Holzskulptur, dort sind mehrere Hühner geschnitzt. Dort stehe ich gerne und lehne mich an und schaue in Richtung des großen überdachten Hühnergeheges, in dem sich die unterschiedlichsten Hühnerrassen tummeln.Eine Umgebung wie im Urlaub. Worin sehen Sie Ihre Aufgabe als Ortsvorsteher für die Altgemeinde? Ich bin seit 1999 Ortsvorsteher. Seit der kommunalen Gebietsreform, als die Altgemeinde Espelkamp aus dem Amt Rahden herausgetrennt wurde und der neu gegründeten Stadt Espelkamp hinzugerechnet wurde, hat sich das inzwischen normalisiert. Wichtig ist es, Verbindungen zu schaffen zwischen den Menschen und zur Stadt hin. Jeder sollte wissen, wo er hingehört. Die Verzahnung aller Interessen im Dorf bündeln, das ist eine wesentliche Aufgabe von mir. Aus meiner Sicht klappt das ganz gut. Wo sehen Sie noch Probleme? Vor allem beim Friedhof. Grabformen und Belegungen werden sich verändern, und das hat Auswirkungen auf die Größe des Friedhofes. Gibt es Möglichkeiten der größenmäßigen Veränderung? Wie können nicht mehr benötigte Flächen auf dem Friedhof genutzt werden? Wichtig ist, das wir trotz der geringen Anzahl an Bestattungen in der Altgemeinde einen eigenen Friedhof behalten. Das ist wichtig für den Ort. Gibt es noch weitere Probleme? Ja, da ist vor allem das Paul-Gerhardt-Haus zu nennen. Es war etwas Besonderes, dass Anfang der 90er Jahre von der Kirchengemeinde Rahden eine Predigtstätte für die Altgemeinde gebaut wurde. Der monatlich einmal angebotene Gottesdienst wurde schleichend von immer weniger Gemeindegliedern besucht. Gerade nach der Corona-Pandemie wurde es erschreckend wenig. Sommerkirche, Winterkirche, weitere zentrale Gottesdienste in Rahden taten weiteres. Meines Erachtens ist ein Gottesdienst in Präsenz nicht durch ein Angebot über Youtube zu ersetzen. Das war besonders für die Älteren ein großes Problem. Und jetzt gibt es weitere Einschnitte, das Paul-Gerhardt-Haus soll seitens der Kirchengemeinde Rahden aufgegeben werden. Es treibt alle um, was daraus wird. Das Ganze steht natürlich in Zusammenhang mit der Nutzung als Friedhofskapelle und mit Trauerfeiern im Paul-Gerhardt-Haus. Ist das dann auch weiterhin möglich? Jede andere als kirchliche Nutzung ist schwierig. Man muss dazu wissen, das Gebäude gehört der Kirchengemeinde, das Grundstück der Stadt Espelkamp. Was sind die Stärken des Ortes? Da kann man in erster Linie das starke Vereinswesen nennen. Da sind der TuRa, der Eskari, der Schützenverein, die Gemütlichkeit. Und auch, Gott sei Dank, wieder eine funktionierende Dorfgemeinschaft und mit einer neuen aktiven Vorsitzenden. Erfreulich, dass sich die Landfrauen wieder neu organisiert haben. Die Arbeit die Chronikgruppe halte ich persönlich für außerordentlich wertvoll. Was fehlt Ihnen in Alt-Espelkamp? Es gibt keine Einkaufsmöglichkeiten, die Sparkassen-Filiale hat schon vor längerer Zeit geschlossen, es gibt keinen Kindergarten, keine Schule und keine Gaststätte. Da braucht man eigentlich nichts weiter sagen. Und demnächst auch keine Kirche mehr. Andere Treffpunkte gibt es auch nicht richtig. Die Möglichkeit, hier die wenigen noch bebaubaren Grundstücke ihrem Zweck zuzuführen, scheitert daran, das viele Eigentümer ihre Grundstücke nicht verkaufen wollen. Problematisch sehe ich in diesem Zusammenhang auch einige Resthöfe, auf denen nur noch eine Person wohnt. Was wird später daraus? Was wünscht sich der Ortsvorsteher? Ein Wunsch: Die Fläche der früheren Gaststätte Heitkamp liegt inzwischen seit mehr als fünf Jahren brach. Hier zusammen mit dem Eigentümer eine zukunftsträchtige Entwicklung zu erarbeiten, würde Alt-Espelkamp sehr gut tun. Herr Windhorst, wie sieht es eigentlich mit der Anbindung durch den ÖPNV aus? Das ist doch objektiv betrachtet eigentlich ziemlich gut. Stündlich fahren Busse von Haltestellen an der B 239 und Dorfgemeinschaftshaus in Richtung Espelkamp-Stadt, Lübbecke und Rahden – auch zu den Bahnhöfen. Doch kaum jemand weiß oder nutzt diese Möglichkeiten. Genau das ist die Schwierigkeit. Von daher habe ich die Einführung des Westfalentickets für alle Schüler von Anfang an begrüßt.

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