Schwerkranke Patientin kann in Espelkamp keinen Arzt erreichen

Lübbecker Land. Die Patientin ist 72 Jahre alt. Es könnte sich aber auch um eine Person jedweden anderen Alters handeln. Die Seniorin berichtete jetzt der Neuen Westfälischen exklusiv von ihren vergeblichen Versuchen, einen Allgemeinarzt zu erreichen, die sich nach ihrer Darstellung so zugetragen haben. Besagter älteren Dame ging es kürzlich nicht sehr gut, auch weil die Temperatur wieder einmal die 40 Grad-Marke erreichte. Es war an einem Mittwochvormittag, die Notfallpraxis im Lübbecker Krankenhaus ist aber nur nachmittags geöffnet. Der Dame aus Espelkamp wollte und wollte es nicht besser gehen, sie wollte allerdings auch nicht den Notdienst belasten, weil der mit vielen Kollapsen aufgrund der Hitzewelle an diesem Tag ohnehin überlastet war. Also versuchte sie einen Arzt in Espelkamp zu erreichen. Zunächst rief sie ihren Hausarzt Bömeke an, der eine gemeinsame Praxis mit Frodermann unterhält. Doch die Ansage auf dem anspringenden Anrufbeantworter war ernüchternd: Bömeke und Frodermann befinden sich im Urlaub vom 15. Jul bis zum 2. August. Doch keine solche Ansage ohne Vertretungsansage: Und da wurden in diesem Zusammenhang gleich mehrere Ärzte genannt: Rengeling, Aziz, Eller, Rarei und Pflugfelder. »Versuchen Sie es später noch einmal« Die ältere Dame, die unter extrem hohem Blutdruck und einer eitrigen Bronchitis litt, versuchte es weiter. Sie wählte die Praxis Rengeling an: Urlaub bis zum 2. August. Aziz war der nächste, der keine Urlaubszeiten nannte sondern angab, wegen Renovierungsarbeiten in der Praxis diese bis zum 29. Juli geschlossen zu haben. Einige Tage später versuchte es die Dame wieder einmal. Da ging überhaupt niemand ans Telefon. Beim dritten Versuch das gleiche Spiel: Telefon läutete, es nahm niemand ab, es kam auch keine Ansage: Eller war der nächste auf der Liste. Der hatte zwar keinen Urlaub, der Anrufbeantworter teilte jedoch mit: &bdquo;Wegen hohem Patientenandrang können wir leider nicht ans Telefon gehen. Versuchen Sie es später noch einmal". In der Nachbarstadt wurde der Dame sofort geholfen Rarei, wohl anwesend, ließ die gleiche Ansage laufen wie Kollege Eller und hatte auf Urlaubsansage umgeschaltet. Die Praxis Pflugfelder versuchte die Dame erst gar nicht zu erreichen, da sie bereits von Nachbarn und Freunden, denen ähnliches widerfahren war, gehört hatte, dass diese auch nicht besetzt sein sollte. Die Dame, die inzwischen nur noch schlecht Luft bekam, nahm den Ratschlag ihrer Nachbarin an, einmal in der Nachbarstadt Rahden anzurufen. Im dortigen Ärztehaus werde ihr sicherlich geholfen. Sofort ging jemand ans Telefon. Eine freundliche Stimme fragte nach, was sie auf dem Herzen habe. »Wir vertrauen den Ärzten vor Ort« Innerhalb der nächsten Stunde bekam die kranke Dame einen Termin. Da sie selbst nicht mehr fahren konnte, wurde sie von der Nachbarin gebracht und gleich am vollen Wartezimmer vorbei ins Besprechungs- und Behandlungszimmer geführt. Kurz danach wurde sie verabschiedet mit den Worten: &bdquo;Wenn es Ihnen schlechter gehen sollte, rufen Sie gleich wieder an. Sie können sofort wiederkommen." Inzwischen sind Rengeling und die Praxis Pflugfelder sowie Bömeke und Frodermann (¦ Info) wieder verfügbar, weil aus dem Urlaub zurück. Die negative Erfahrung, die viele Espelkamper gemacht haben, bleibt jedoch haften. Ungewöhnlich empfindet die für das Lübbecker Land zuständige Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung, Vanessa Pudlo, diese Situation. Beschwerden aus Espelkamp seien jedoch noch nicht bis zu ihr vorgedrungen. &bdquo;Wir vertrauen den Ärzten vor Ort, dass sie sich auf eine vernünftige Urlaubsregelung einigen" und damit auch tagsüber eine Notfallbehandlung geregelt werden kann", sagt die Sprecherin. Sie bittet um Verständnis dafür, dass die Ärzteversorgung in den Ferienzeiten &bdquo;oftmals sehr ausgedünnt ist" Gleiches gelte jedoch auch für die Patienten. Auch da seien viele im Urlaub. Eine gesetzliche Vorgabe, in welchem Umfang oder Radius die Hausärzteversorgung auch in den Ferienzeiten gesichert werden müsse, gebe es allerdings nicht, »Wir erarbeiten vor den Ferien einen Vertretungsplan« Christian Lücker aus Pr. Oldendorf, Notdienstbeauftragter der kassenärztlichen Vereinigung für den Notdienstfalldienstbezirk Lübbecke, wird deutlicher: &bdquo;Das geht so nicht. Wir sind verpflichtet eine ambulante Versorgung in einem vernünftigen Rahmen auch in der Ferienzeit sicherzustellen". Es müsse eine Telefonnummer auf den Anrufbeantwortern genannt werden, die erreichbar sei. Diese Form von Problemen habe es in Espelkamp schon einmal gegeben. &bdquo;Wir setzten uns hier in Preußisch Oldendorf vor den Ferien hin und erarbeiten einen vernünftige Vertretungsdienst. Das muss möglich sein und das ist auch möglich", sagt Lücker. &bdquo;Ansonsten könnte das auch schon mal in Richtung Disziplinarverfahren gehen." Hermann Lorenz vertritt im Simeonscarré in Minden die Kassenärztliche Vereinigung. Er hat von den Vorfällen gehört: &bdquo;Da hat es zu Beginn der Ferien wohl einen Engpass gegeben", sagt er. Doch der sei inzwischen behoben. Normalerweise klappten die kollegialen Absprachen in Espelkamp und im Norden immer, bemerkte Lorenz im Gespräch mit der NW. Er stellte jedoch fest: &bdquo;Jeder Arzt, der krank ist oder sich in Urlaub befindet, muss eine Vertretung benennen." Doch habe es in Espelkamp einen Ausfall gegeben, der das ganze vorherige Absprache-System durcheinander gewirbelt habe. Dies sei natürlich &bdquo;so für die Bürger und Patienten nicht nachvollziehbar". Er könne schon verstehen, dass es da zu Irritationen gekommen sei. Versorgung ist sehr mühsam geworden &bdquo;Ein diensthabender Hausarzt muss immer erreichbar sein, sogar wenn er sich in der Mittagspause befinde." Dann müsse auf ein Mobiltelefon umgeschaltet werden oder die Zeiten am Anrufbeantworter genannt werden. &bdquo;Was überhaupt nicht geht, ist, wenn der Anrufbeantworter nicht besprochen ist und es keine Hinweise gibt", so Lorenz. Dem wolle er nachgehen. Lorenz: &bdquo;Es ist für die Hausärzte in unserem Bezirk sehr mühsam geworden, die Versorgung sicherzustellen, da kann es schnell zu solchen Engpässen kommen, da die Kapazität einfach nicht ausreicht." An der Praxistür Bömeke & Frodermann im Espelkamper Ärzteblock war jetzt folgende Mitteilung zu lesen: &bdquo;Die Sommerurlaubsregelung 2019 war so geplant: Eine Hälfte der Espelkamper Kollegen macht in der ersten Hälfte der Sommerferien Urlaub und wird durch die Übrigen vertreten. Nach dem Wechsel zur zweiten Hälfte wird umgekehrt vertreten. So hatten wir unsere Absprachen getroffen. Wir bedauern sehr, dass die Kollegen, die uns die Vertretung zugesagt hatten, jedoch zeitlich ohne Rücksprache anders disponiert haben und so Unannehmlichkeiten entstanden sind. Für 2020 werden wir dieses Problem umgehen, indem wir die Urlaubsregelung intern regeln."

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