

Sachsenhagen/Espelkamp. Der Kalte Krieg hatte am Ende doch noch etwas Gutes. Zumindest gilt das für eine gut erhaltene Hinterlassenschaft am Rand des Schaumburger Walds. Das ehemalige Bundeswehr-Munitionsdepot beherbergt die Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen, das neue Zuhause der verletzten Sumpfohreule aus Vehlage (die NW berichtete). "Wir behalten sie erst mal über den Winter hier", sagt Tierarzt und Stationsleiter Florian Brandes. Und weil Eulen Einzelgänger sind, hat sie eine ganze Voliere für sich allein.
Vor sechs Wochen kollidierte sie im Tiefflug mit einem Stacheldrahtzaun, den eine Wiese in Vehlage umgibt. Sie hatte sich mit dem linken Flügel darin verfangen und hing daran herab. Es wäre ein qualvoller Tod geworden. "Stacheldrahtzäune sind ein großes Problem für die Vögel, denn sie nehmen die dünnen Drähte nicht als Gefahr wahr", sagt Veterinär Brandes, der furchtbare Bilder von tödlich ausgegangenen Kollisionen im Archiv hat. "Sie bleiben mit den Flügeln hängen und wickeln sich meist mehrfach um den Draht." Besonders tragisch empfindet Brandes es, wenn auf den eingezäunten Wiesen schon lange keine Tiere mehr stehen.: "Um den Stacheldraht kümmert sich einfach keiner mehr." Nicht nur Bussarde und Eulen, auch Rehe verletzen sich regelmäßig daran.

Überhaupt Mäusebussarde. Sie gehören zum regulären Patientenaufkommen in Sachsenhagen. Minuten vor dem Gespräch hat er ein rechtes Bussardbein geschient. "Ist vermutlich mit einem Auto kollidiert", sagt Brandes. Der Vogel sitzt auf einer Stange und gibt schon wieder versöhnliche Laute von sich. Im Käfig darunter liegt ein weiterer Bussard mit einem Aufpralltrauma nach einer Kollision im Straßenverkehr. "Lungenbluten", sagt Brandes knapp. Es ist eine meist tödliche Diagnose. Die Überlebenschancen der Sumpfohreule sind dagegen recht gut. Brandes will keine Prognose darüber abgeben, ob die beiden fehlenden Schwungfedern im linken Flügel bis zum Frühjahr nachwachsen. "Kommen die Federn nicht zurück, ist die Eule nicht wildbahntauglich", sagt Brandes und meint damit die Überlebensfähigkeit in der freien Natur.
In diesem Fall würde die Eule in einen Tierpark kommen, wo sie in einer Voliere leben würde. Wächst das linke Federwerk wieder zusammen, wird der Vogel im Frühjahr auf eine sanfte Auswilderung vorbereitet. Am oberen Ende der Volieren befindet sich eine Öffnung, die den Vögeln als Flugloch dient. Die Tiere können dann rein- und rausfliegen, wann sie wollen. "Wir bieten ihnen weiterhin Futter an", sagt Brandes, sowohl in der Voliere als auch auf den umliegenden Dächern der Geräteschuppen. Der Waldrand mit nahen Freiflächen, an dem sich die Wildtierstation befindet, ist ein nahezu ideales Terrain für die Sumpfohreule. Läuft alles optimal, ist der Vogel eines Morgens einfach nicht mehr da.
Das würde auch dem natürlichen Verhalten entsprechen, denn die in Vehlage verunglückte Eule ist ein Zugvogel und war nur auf der Durchreise. "Es kann sein, dass sie sich dort eine Zeit lang aufgehalten hat, aber sie war sicherlich auf dem Weg nach Süden", sagt Tierarzt Brandes.
Die Vehlager Bewohnerin, auf deren Grund sich die Eule verletzte, war schon mehrfach in Sachsenhagen zu Besuch und hat inzwischen eine Patenschaft für das Tier übernommen. Auch der Stacheldrahtzaum wird in Kürze abgebaut.