Espelkamp

Espelkamp Gestern & Heute: Junge Frauen mussten in der Muna arbeiten

Junge Frauen wurden mit "ungefährlichen" Arbeiten bei der Munitionsherstellung beschäftigt. Car Unit war ab 1946 eine Fahrbereitschaft der britischen Streitkräfte

Eine Arbeitsmaid vor einem Unterkunftsgebäude: Auf dem Arm hält sie ein dreijähriges Mädchen, das sich in die Muna verirrt hatte. Die Aufnahme stammt aus Juli 1944. | © Stadtarchiv

13.01.2016 | 13.01.2016, 09:14
Heutige Ansicht: Das Ernst-Wilm-Haus ist das zentrale Gebäude im Ludwig-Steil-Hof in Espelkamp. - © Joern Spreen-Ledebur
Heutige Ansicht: Das Ernst-Wilm-Haus ist das zentrale Gebäude im Ludwig-Steil-Hof in Espelkamp. | © Joern Spreen-Ledebur

Espelkamp. "Von der Muna zur Diakonieeinrichtung" hieß in der Wochenendausgabe der Artikel aus der NW-Serie "Espelkamp Gestern & Heute". In der 15. Folge (versehentlich war Teil 14 angegeben) ging es um die Gründung des Ludwig-Steil-Hofs in im einstigen Wirtschaftsgebäude der Heeres-Munitionsanstalt (Muna). Hier die Fortsetzung des Berichtes:

Zuletzt waren zirka 90 deutsche Soldaten in den Unterkünften untergebracht. Für die Bewachung des gesamten Munageländes und die Kontrolle an der Umzäunung waren etwa 50 Männer einer Wach- und Schließgesellschaft eingesetzt.

Ab 1943 wurden die Unterkünfte auch mit "Arbeitsmaiden" belegt, zum Arbeitsdienst verpflichtete junge Frauen, die mit "ungefährlichen" Arbeiten bei der Munitionsherstellung beschäftigt wurden. Der Einsatz von Frauen war wohl ursprünglich nicht geplant, denn sonst hätte ihre Unterkunft nicht direkt neben der der Feuerwerker gestanden. So kam es wegen "Liebeleien" immer wieder zu Komplikationen. Insgesamt waren die sechs Unterkünfte wegen der hohen Zahl der täglichen "Einpendler" nicht voll ausgelastet.

Nachkriegszeit: Autorampen der Car Unit vor dem Wirtschaftsgebäude. Jung und Alt vergnügt sich beim Fußballspiel. - © Stadtarchiv
Nachkriegszeit: Autorampen der Car Unit vor dem Wirtschaftsgebäude. Jung und Alt vergnügt sich beim Fußballspiel. | © Stadtarchiv

Zu den kleineren Gebäuden gehörten das Verwaltungsgebäude mit Büroräumen und Sitzungszimmer und das Bad mit zwei Baderäumen, Umkleideraum und Duschraum. Beide Gebäude, heute durch Umbau zu einem neuen Verwaltungsgebäude vereint, befinden sich unmittelbar am Einfahrtstor zur heutigen Präses-Ernst-Wilm-Straße.

Information

Einzigartige Stadtgeschichte

Die Geschichte Espelkamps ist zwar kurz, da die Kernstadt gerade einmal gut 60 Jahre alt ist. Dennoch ist sie für die Region und sogar für ganz Deutschland von großer Bedeutung. Gerade im Augenblick ist der Grund für die Gründung so aktuell wie nie. Denn das „Modell" Espelkamp ist einzigartig und verdient größte Beachtung.

Alliierte Behörden und Militärs sowie Kirchen in aller Welt haben daran mitgearbeitet, aus einer militärischen Liegenschaft ein ziviles Gemeinwesen aufzubauen, das vor allem dazu dienen soll, den nach Deutschland strömenden Flüchtlingen nach dem 2. Weltkrieg eine neue Heimat und vor allem Sicherheit und Frieden zu gewähren.

Ortsheimatpfleger Karl-Heinz Hentschel, Manfred Steinmann, Lehrer i. R., Archivar Benjamin Pfennig und Redakteur Karsten Schulz haben deshalb gemeinsam eine Zeitungsserie entwickelt, die den Titel „Espelkamp Gestern & Heute" trägt. Dabei sollen noch vorhandene Relikte aus der Anfangszeit Espelkamps der heutigen Nutzung und dem Aussehen gegenübergestellt werden.

Eine üppige Ausstattung (vier Schlafzimmer, Wohnzimmer, Esszimmer, Küche, Musikzimmer, drei Toiletten) hatte das ehemalige Bauleitungsgebäude. Nach Übernahme durch den Ludwig Steil-Hof wurde das Gebäude zum Altersheim "Rosenhaus".

Vergnügen und Unterhaltung ist angesagt: Auch als Veranstalter trat die Car Unit hervor, ein Zeichen für die sich anbahnende Klimaverbesserung zwischen Siegern und Besiegten. Das Plakat wurde im Juni 1948 bei Werneburg-Druck in Lübbecke hergestellt. - © Stadtarchiv
Vergnügen und Unterhaltung ist angesagt: Auch als Veranstalter trat die Car Unit hervor, ein Zeichen für die sich anbahnende Klimaverbesserung zwischen Siegern und Besiegten. Das Plakat wurde im Juni 1948 bei Werneburg-Druck in Lübbecke hergestellt. | © Stadtarchiv

Am 4. April 1945 fiel die Muna den Truppen der 2. Britischen Armee unzerstört in die Hände. Die Gebäude des Wohn- und Verwaltungsgebietes wurden von der britischen Besatzungsmacht genutzt. Das Bauleitungsgebäude wurde zur Offiziersmesse.

Nach der Räumung der Muna von Munition und Kampfstoffen (Giftgasgranaten) zogen die britischen Besatzungstruppen im November 1946 aus der ehemaligen Heeres-Munitionsanstalt ab. Zurück blieb aber eine "Car Unit", eine Fahrbereitschaft mit deutschen Kriegsgefangenen unter britischem Befehl.

Der Krieg ist vorbei: Das zentrale Wirtschaftsgebäude trägt auf Dach und Wänden noch den alten Tarnanstrich. - © Stadtarchiv
Der Krieg ist vorbei: Das zentrale Wirtschaftsgebäude trägt auf Dach und Wänden noch den alten Tarnanstrich. | © Stadtarchiv

Die Wagen dieser Bereitschaft standen in den Kraftfahrzeughallen des Garagenhofes und in den Hallen längs der heutigen Ludwig-Steil-Straße. Der ehemalige Wohn- und Verwaltungsbereich und die Gebiete westlich der heutigen Ludwig-Steil-Straße und der Ostlandstraße bis zum Garagenhof wurden zum militärischen Sperrbezirk der Car Unit erklärt und mit einem Sperrzaum umgeben.

Die sich anbahnende Klimaverbesserung zwischen Siegern und Besiegten durch die schrittweise Aufhebung des Fraternisierungsverbotes bewirkte in den folgenden Jahren die Durchlässigkeit der Umzäunung. So konnte in dem ausbetonierten Löschteich verhältnismäßig sauber gebadet werden, der große Feuerlöschteich im Zentrum der Munaanlage wurde erst 1952 zum Freibad ausgebaut, bis dahin endeten hier viele Schmutzwasserrinnen.

Der heutige große Steilhofsaal entwickelte sich zu einem Unterhaltungs- und Vergnügungszentrum. Volkstümliche Konzerte und vor allem die regelmäßigen Tanzveranstaltungen waren bei der Zivilbevölkerung sehr beliebt.

Im Februar 1950 räumte die britische Militärregierung das Gelände der Car Unit und der Steilhof, der bis dahin im Bereich der früheren Martinskirche sein Zentrum hatte, konnte alle ehemaligen Munagebäude des Wohn- und Verwaltungsbereiches schrittweise übernehmen und fand damit sein endgültiges Domizil.