In Bad Oeynhausen heimisch gewordener Palästinenser verbirgt seine Herkunft

Bad Oeynhausen. Mehr als 100.000 Tote, darunter allein 200 Medienschaffende. Eine Bevölkerung, die hungert und aktuell vor der eskalierenden Militäroffensive Israels in Gaza-Stadt flieht: Menschenrechtsorganisationen beschreiben die humanitäre Situation in dem 360 Quadratmeter kleinen und dicht besiedelten Küstengebiet von Palästina schon lange als katastrophal. Internationalen Berichterstattern verweigert die israelische Regierung den Zugang zum Gazastreifen, wodurch Nachrichten von dort schwierig zu überprüfen sind. Vor allem auch, seitdem jetzt noch das Internet in der massiv zerstörten Großstadt zusammengebrochen ist. Einer, dessen Familie ihre Wurzeln dort hat und der regelmäßig im Austausch mit Freunden und Bekannten im Gazastreifen steht, ist der Bad Oeynhausener Gastronom Mohammad Khodeir. Zum Interviewtermin in der Kurstadt soll der 39-Jährige für das Foto eine Flagge seines Heimatlandes mitbringen. Keine gute Idee. Denn: &bdquo;Auf dem Weg hierher habe ich etliche böse Blicke geerntet“, sagt Mohammad Khodeir. Ein Problem, das der Gastronom kennt. Liveticker: Krieg im Nahen Osten - alle Entwicklungen Bad Oeynhausener Gastronom lebte als Kind lange im Asylheim Denn viele Menschen setzen Palästinenser mit der Hamas gleich. &bdquo;Das geht mir oft am Flughafen so. Dort sage ich nie, dass ich Palästinenser bin, weil ich dann gleich zur Durchsuchung muss, sondern zeige einfach meinen deutschen Pass“, schildert der Gastronom seine persönlichen Erfahrungen. Auch in den sozialen Medien erlebt er immer wieder, dass er &bdquo;entfreundet“ wird, wenn seine Herkunft bekannt wird. &bdquo;Dabei habe ich viele jüdische Freunde“, beschreibt er die paradoxe Situation. Israelische Siedler besetzten in den 1970er-Jahren per Gerichtsbescheid das Haus seiner Großeltern im Gazastreifen. Das Ehepaar verließ die Heimat und wanderte nach einem kurzen Aufenthalt im Libanon nach Deutschland aus. 1985 folgte der Vater von Mohammad Khodeir seinen Eltern und vier Jahre später kam auch der Rest der Familie hinterher. Damals war Mohammad drei Jahre jung. Die ersten zehn Jahre lebten die Khodeirs mit ihren Kindern in Bad Oeynhausen im Asylheim an der Mindener Straße. Nach der Schule absolviert Mohammad eine Ausbildung zum medizinischen Fachangestellten und arbeitet nebenbei in der Gastronomie. Schnell erkennt der heute 39-jährige Vater von zwei kleinen Töchtern, dass das genau sein Ding ist. Als Barkeeper in einem renommierten Hotel in Kitzbühel, auf der Aida und als Barchef im Allgäu: &bdquo;Ich habe mich hochgearbeitet und viele Fortbildungen besucht“, beschreibt der Gastronom die Entwicklung. Beruflich sesshaft wird er in Bad Oeynhausen. Erst mit einer eigenen Gastronomie und seit einem Jahr mit einem Cateringservice. Proteste in Deutschland: Rekordzahl gegen Gaza-Krieg auf der Straße Bad Oeynhausener hält Kontakt zu Freunden im Gazastreifen Auch wenn er seine eigentliche Heimat nie wieder besucht hat – Palästinenser gelten in Ländern wie Deutschland, die den Staat Palästina bisher nicht anerkennen, als staatenlos – hält er den Kontakt zu Freunden und Bekannten im Gazastreifen. Er sagt: &bdquo;Dort war die Internetverbindung lange Zeit sehr schlecht, aber wenn ich Bilder und Videos bekam, konnte ich das Leid erkennen und sehen, wie viel Gewicht die Menschen abgenommen haben“. Seitdem das Internetsystem zusammengebrochen ist, geht selbst das nicht mehr. Beobachten konnte er auch, wie Geld mit der Not der Hungernden gemacht wurde. &bdquo;Wenn ein Kilo Tomaten dort früher weniger als einen Euro gekostet hat, musste man dann fast 25 Euro dafür bezahlen. Inzwischen ist das für die Menschen dort ein Luxusgut“, weiß Mohammad Kodheir. Genauso wie Brot und Mehl. Schlimmer noch: An den Verteilstationen für Brot werden immer wieder Menschen gezielt getötet. Selbst wenn er Geld in seine alte Heimat schickt, wird den Adressaten nur etwa die Hälfte des Betrags ausgezahlt. Lesen Sie auch: Massenflucht aus Stadt Gaza dauert an Bad Oeynhausener engagiert sich in sozialen Projekten Natürlich kennt Mohammad Kodheir auch das viral gegangene, provokante Video, für das sich israelische Siedler und Soldaten bei einem Grillfest an der Grenze gefilmt haben, während die Menschen wenige Meter weiter hungern. Und trotzdem hält der Gastronom an der Idee von der Verständigung zwischen Palästinensern und Israelis fest. &bdquo;Das ist möglich“, meint der 39-Jährige. Denn: &bdquo;Ein Großteil der Menschen auf beiden Seiten möchte diesen Krieg gar nicht. Und je länger sich das Rad dreht, umso verfeindeter sind beide Seiten“. Deshalb wollte er, der sich vor Ort in zahlreichen sozialen Projekten vom Wittekindshof über das Ronald McDonald-Haus bis hin zu einem Weihnachtsmenü für Bedürftige engagiert, sich kürzlich auch an einer Hilfsinitiative deutscher Städte beteiligen, die Kindern aus dem Gazastreifen in Ostwestfalen ein neues Zuhause bieten möchte. &bdquo;Das wäre ein starkes Zeichen der Solidarität“, sagt Muhammad Khodeir über das Projekt. Um sich einzubringen, hat er die jüdische Kulturgemeinschaft in Bielefeld angeschrieben. Die Antwort fiel allerdings recht schmallippig aus. Damit der jahrzehntelange Dauerkonflikt endlich ein Ende findet, braucht es nach Ansicht von Mohammad Kodheir die Zweistaaten-Lösung – ein hochaktuelles politisches Thema. Denn: &bdquo;Jeder Mensch hat das Recht, einem eigenen Staat anzugehören. Unabhängig von seiner Hautfarbe und Religion“, begründet er seine Haltung. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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