Historische Entdeckung: Enkelin findet Urgroßvater auf Infotafel in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Der Mann mit dem weißen Rauschebart war über viele Jahrzehnte das wohl bekannteste Gesicht von Bad Oeynhausen und einer der wichtigsten Mitarbeiter des Staatsbades. Heinrich Abke aus Depenbrock, dem heutigen Löhne-Gohfeld, zog einst die Nadeln im alten Nadelwehr der Sielbrücke. Der alte Sielwärter ist auf der neuen Sielbrücken-Infotafel ganz klein im seinem Ruderboot auf der Werre zu sehen. Entdeckt hat ihn seine Urenkelin Ute Niepötter am Samstag beim Vorbeiradeln. Wenige Sekunden zuvor enthüllte Bürgermeister Lars Bökenkröger die neue Infotafel der Werster Heimatfreunde mit Fotos vom alten Nadelwehr. Ute Niepötter traute ihren Augen nicht und bremste. Das Foto auf der nagelneuen Infotafel kam ihr irgendwie bekannt vor, es hängt nämlich auch in ihrem Wohnzimmer. Und das befindet sich in dem Haus in Löhne-Gohfeld, in dem auch ihr Urgroßvater viele Jahrzehnte wohnte. Ute Niepötter ist die Urenkelin des vorletzten Sielwärters Heinrich Abke (1844-1918). Sein Konterfei hing einst überlebensgroß im Treppenhaus des Kaufhauses Hitzemann, erzählt sie wenig später, während sie die alten Fotos für den Reporter heraussucht. Eines davon zeigt den Urgroßvater mit Holzschuhen und Paddel vor dem reetgedeckten Wärterhäuschen auf der Gohfelder Werreseite. Es ist ein Originalabzug aus dem Fotostudio von Hans Rupprecht, der als &bdquo;Hoffotograph Bremen und Bad Oeynhausen“ unterzeichnete. Infotafel statt feierliches Brückenfest Gerd Prinzhorn hat lange vergeblich gesucht, um solche Fotos zu finden. Ausgerechnet nach der feierlichen Enthüllung der neuen Gedenktafel tauchen die Bilder durch einen glücklichen Zufall auf. Und alles nur, weil Ute Niepötter vom Gohfelder Friedhof zurück nach Hause an der Werre entlang radeln wollte. Wegen der Baustelle zum Kahlschlag an der Werre auf der Gohfelder Seite musste sie auf die Werster Seite des Radwegs wechseln und radelte so unvermittelt in die Enthüllungsfeierlichkeiten hinein. Das Sielwehr soll in wenigen Monaten abgerissen werden. Stattdessen entsteht eine Sohlgleite, die Werre bekommt vor allem in Gohfeld deutlich mehr Platz zum Ausbreiten. Dafür wird der beliebte und hochfrequentierte Freizeitradweg, der Werre-Else-Radweg, für die Dauer der Erdarbeiten abgerissen – und neu an den Autobahnzubringer verlegt. Die Baumfällarbeiten in der vergangenen Woche waren bloß ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Mit dem Sielwehr wird auch die alte Sielbrücke abgerissen. Der Ersatz dafür steht bereits – und wird von zahlreichen Fußgängern und Radfahrern genutzt. Die Werster Heimatfreunde wollten die neue Brücke eigentlich längst mit einem Brückenfest feiern, erzählt der Vorsitzende Klaus-Heinrich Schwichow. Von einer Party an der Werre hat der Verein dann aber abgesehen: &bdquo;Das wäre aus dem Ruder gelaufen“, sagt Schwichow mit einem Augenzwinkern. Zehn Sponsoren haben Geld für die fünf Millimeter dicke Edelstahlstele gegeben. Was die Tafel gekostet hat, will der Verein auf Nachfrage nicht veröffentlichen. Über sieben Brücken musst du gehn Stattdessen gab’s am Samstag eine Feierstunde mit Bratwurst auf der Werster Seite. Die alte Sielbrücke, kündigt Bürgermeister Bökenkröger dabei an, &bdquo;wird bald verschwinden“. Es war die sechste Brücke an dieser Stelle, hat Gerd Prinzhorn von den Werster Heimatfreunden gezählt. Die neue Sielbrücke ist demnach bereits die siebte Brücke an dieser Stelle über die Werre. Sofern die Zählung mit dem Bau des Kokturkanals im 18. Jahrhundert beginnt. &bdquo;Über sieben Brücken musst du gehn“, sang Prinzhorn das bekannte Lied der DDR-Rockgruppe Karat gleich zu Beginn seines kurzen Vortrags, hörte aber schon nach der ersten Zeile wieder damit auf. Die erste Brücke war laut den Recherchen der Werster Heimatfreunde eine Furth durch den Fluss. Sie befand sich unterhalb der heutigen Sielterrassen. Später wurden dann eine Tonnenbrücke, die im Wasser schwamm und ab 1903 auch eine Hängebrücke gebaut. Das waren allesamt Brücken bloß für Fußgänger. Vieh- und Pferdefuhrwerke mussten weiterhin bei Niedrigwasser über die Wasserfurt durch die Werre waten. Sielwehr reguliert den Wasserstand Das heutige Sielwehr mit der letzten Fußgängerbrücke wurde 1956 bis 1957 gebaut und das Nadelwehr abgerissen. Das heutige Sielwehr reguliert mit einer Mechanik den Wasserstand. Mit dem Nadelwehr verschwand auch der Arbeitsplatz des allerletzten Sielwärters. Wer das war? Da huscht ein Lächeln über das Gesicht von Ute Niepötter: &bdquo;Das war mein Großvater: Heinrich Wiemann.“ Der Sohn des vorletzten Sielwärters ist ebenfalls auf den Fotos aus dem Familienarchiv zu sehen. Er sieht aus wie sein Vater und hat sich genauso wie sein Vorgänger vor dem Wärterhäuschen fotografieren lassen. Zwischen den Fotos dürften allerdings mehrere Jahrzehnte – und womöglich sogar zwei Weltkriege – liegen. Augenfälliger Unterschied: Das Dach des Wärterhäuschens trägt nicht mehr Reet, sondern Tonziegel.

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