Fall Philipos T.: „Irgendwas passt da nicht“ – Anwalt bemängelt Unstimmigkeiten

Bad Oeynhausen. Die Kurstadt denkt in Abstimmung mit den Angehörigen über den richtigen Gedenkort für Philipos T. nach, der während der Abiturfeier seiner Schwester im Kurpark zu Tode geprügelt wurde. Donnerstagabend entscheidet der Betriebsausschuss des Staatsbades über den Gedenkstein und diskutiert über weitere Konsequenzen wie Nachtsperrung oder Videoüberwachung. Vorm Landgericht Bielefeld wird derweil der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter vorbereitet, der in Untersuchungshaft sitzt. Die Ermittlungen zu dem gewaltsamen Tod im Kurpark sind nach Auskunft von Staatsanwalt Christoph Mackel abgeschlossen. Noch immer ist aber offenbar unklar, wie viele Menschen genau Zeugen der Schlägerei auf den Kurhausterrassen wurden. In den vergangenen Tagen haben Boulevardmedien erneut über Einzelheiten spekuliert. Der Strafverteidiger des Tatverdächtigen, Rechtsanwalt Baris Devletli, äußert sich auf Nachfrage der NW ausdrücklich nicht zu diesen Spekulationen. Devletli weist aber darauf hin, dass die Ermittlungsakte zum Totschlag im Kurpark weiter wächst: &bdquo;Die Akte ist noch nicht geschlossen und wird laufend aktualisiert.“ Verteidiger: &bdquo;Ausländergruppe“ hat es wohl nicht gegeben Außerdem gibt es seiner Ansicht nach augenscheinliche Unstimmigkeiten zu den ersten Ermittlungsansätzen der Polizei und der Anklage der Staatsanwaltschaft. In der ersten Polizeimeldung zu den tödlichen Prügeln am Rande der Abiturfeier des Mindener Ratsgymnasiums im Kaiserpalais war noch von einer mutmaßlichen Tätergruppe von &bdquo;circa zehn Personen, männlich, südländisch“ die Rede. Staatsanwalt Mackel hat drei Täter vorm Landgericht Bielefeld angeklagt. Lesen Sie auch: So verlief das Leben des mutmaßlichen Täters aus Bad Oeynhausen in Deutschland &bdquo;Diese Ausländergruppe hat es wohl nicht gegeben“, sagt Strafverteidiger Baris Devletli. Der Bad Oeynhausener Rechtsanwalt vertritt mit Siegmund und Burkhard Bennecken den Hauptbeschuldigten, einen 18-jährigen Syrer, der erst wenige Monate zuvor mit seinen Eltern aus Pforzheim nach Bad Oeynhausen gezogen war. Der junge Mann ist offenbar 2016 im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen. Hauptbelastungszeuge sitzt offenbar auf der Anklagebank In der Tat-Nacht soll der junge Syrer laut Anklage der Staatsanwaltschaft Philipos T. von der Gruppe weggezogen, auf ihn eingeprügelt und eingetreten haben. Ermittler verhafteten den 18-Jährigen &bdquo;aufgrund zahlreicher Zeugenhinweise und intensiver Ermittlungsarbeit“, wie es in einer Polizeipressemitteilung heißt, drei Tage später in der Wohnung seiner Eltern in Bad Oeynhausen. Er ist wegen Totschlags, Körperverletzung und Diebstahls angeklagt. Der Beschuldigte schweigt zu den Vorwürfen. Mehr zum Thema: Alle Artikel zum Fall Philipos T. Seine Begleiter aber offenbar nicht. Sie sind beide Deutsche und 19 Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft hat sie wegen gefährlicher Körperverletzung und Hehlerei angeklagt. Beide hatten sich selbst bei der Polizei gestellt. Nach übereinstimmenden Medienberichten stützt sich die Anklage dabei offenbar auf die Aussage eines der beiden Begleiter des Hauptbeschuldigten. Damit würde der wohl wichtigste Zeuge der Anklage selbst auf der Anklagebank sitzen. Angeklagte haben das Recht, zu schweigen. Devletli sagt dazu: &bdquo;Irgendwas passt da nicht. Eigentlich müssten mehr Angeklagte auf der Anklagebank sitzen.“ Zeugenaussagen weichen voneinander ab Boulevardmedien spekulieren außerdem über ausschweifenden Alkoholkonsum in der Gruppe um den jungen Syrer. Angeblich soll der Hauptbeschuldigte seine Begleiter erst auf der Innenstadtfete in Bad Oeynhausen getroffen haben – und ihnen mehr Alkohol in Aussicht gestellt haben. Vor den Kurhausterrassen soll die Gruppe dann auf Philipos T. und seinen Begleiter getroffen sein. Anschließend sollen dem bewusstlos am Boden liegenden Philipos Wertsachen und Marihuana gestohlen worden sein. Philipos’ Umhängetasche wurde von Ermittlern später in einem nahen Tümpel sichergestellt. Lesen Sie auch: Nach Tötungsdelikt in Bad Oeynhausen: Drei Ansätze für mehr Sicherheit im Kurpark Zu Spekulationen über den Ablauf der Tat sagt Strafverteidiger Baris Devletli ausdrücklich nichts: &bdquo;Es gibt sehr viele Zeugen, aber keine einheitlichen Aussagen darüber, was an dem Abend passiert ist.“ Das Landgericht Bielefeld entscheidet zunächst in einem Zwischenverfahren, ob die Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld überhaupt zugelassen wird. Diese Entscheidung ist nach Auskunft des Landgerichts noch nicht gefallen. Das Gericht hat aber bereits ein Schuldfähigkeitsgutachten in Auftrag gegeben. Das sei in solchen Fällen üblich, heißt es. Wann das Gutachten fertig wird, ist nicht bekannt. Es wird aber der Ermittlungsakte beigefügt. Das könnte der Grund dafür sein, warum die Akte wächst. Prozess soll Mitte Dezember beginnen Hinter den Kulissen sind zudem bereits Sitzungstermine vereinbart worden. Das Landgericht hat sechs Monate Zeit, den Prozess zu eröffnen. Ende Dezember müsste ansonsten das Oberlandesgericht Hamm über weitere Untersuchungshaft des 18-Jährigen entscheiden. Beobachter gehen deshalb davon aus, dass der Prozess spätestens Mitte Dezember beginnt. Lesen Sie auch: Ein Gedenkort für den getöteten Philipos T. in Bad Oeynhausen? Der Prozess wird vor einer großen Jugendkammer, der vierten Strafkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richter Carsten Glashörster geführt, weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt als Heranwachsender galt. Die Kammer ist mit drei Berufsrichtern und zwei Jugendschöffen besetzt. Womöglich benennt das Gericht zusätzlich auch einen Ersatzrichter und einen Ersatzschöffen.

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