Mutmaßlicher Täter aus Bad Oeynhausen hat Topanwälte – ist das Steuerverschwendung?

Minden/Bad Oeynhausen. Nach dem gewaltsamen Tod von Philipos T. in Bad Oeynhausen bekam der schließlich verhaftete mutmaßliche Täter zunächst einen Pflichtverteidiger an die Seite gestellt. Der tatverdächtige Syrer konnte oder wollte also zunächst offenbar selbst keinen Anwalt benennen. Beim Pflichtverteidiger handelt es sich um Baris Devletli aus Bad Oeynhausen. Doch ein paar Wochen später kam ein Wahlverteidiger hinzu. Und zwar nicht irgendeiner, sondern Top-Strafrechtler Burkhard Benecken. Der gab auf Nachfrage an, seine Dienste nicht &bdquo;pro bono“ zu entrichten, also umsonst zu arbeiten, um die eigene Bekanntheit zu steigern. Nein, er werde &bdquo;entsprechend honoriert“, gab er an. Woher das Geld für sein Honorar stamme, gehe niemanden etwas an. Selten ist so ein Ablauf allerdings nicht. Denn die Familien von gerade jungen Tatverdächtigen setzen nicht selten alles in Bewegung, was sie nur können – mitunter bis in die eigene Verschuldung hinein. Lesen Sie auch: Bad Oeynhausener Totschlag: Top-Anwalt verteidigt mutmaßlichen Täter nicht gratis Darüber hinaus trafen gleich mehrere weitere Fragen von Leserinnen und Lesern rund um das Thema Pflichtverteidigung in der Redaktion ein. Die hat mit mehreren Strafverteidigern gesprochen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Wann kommt überhaupt ein Pflichtverteidiger in Frage? Zunächst gar nicht, wenn ein Beschuldigter selbst einen Anwalt benennt und diesen auch bezahlen kann. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers hat allerdings nicht zwingend etwas mit den Besitzverhältnissen zu tun. Wenn der Anwalt eines Millionärs keine Zeit hat, wenn dieser dem Haftrichter vorgeführt wird, bekäme auch dieser einen Pflichtverteidiger an die Seite gestellt. Grundlegend für dessen Bestellung ist eine gewisse Schwere der vorgeworfenen Tat. Es muss sich um einen sogenannten &bdquo;Fall der notwendigen Verteidigung“ handeln. Dieser ist in Paragraf 140 der Strafprozessordnung definiert. Eine besondere Rolle spielt dabei die zu erwartende Strafe. Klar wird aus dem Paragrafen, welch große Bedeutung es im rechtsstaatlichen System hat, dass jeder Beschuldigte oder Angeklagte einen Verteidiger an seiner Seite hat. Wird ein Pflichtverteidiger nicht abberufen, wenn ein Wahlverteidiger beauftragt wird? Nein, im Gegenteil: Die Berufung zum Pflichtverteidiger ist zunächst einmal geradezu in Stein gemeißelt. Strafverteidiger können zum einen ihre Berufung zum Pflichtverteidiger nur unter sehr engen Bedingungen ablehnen. Und wer es in einem Fall einmal ist, kann zum anderen ebenso kaum abberufen werden. Ein Wahlverteidiger kann sein Mandat dagegen jederzeit niederlegen. Heißt das Vorhandensein eines Pflichtverteidigers eine Beschränkung bei der Wahl des Wahlverteidigers? Ausdrücklich nicht. Ein Beschuldigter oder Angeklagter kann sich so viele Anwälte neben dem Pflichtverteidiger nehmen, wie immer er möchte, solange er diese finanzieren kann. Lesen Sie auch: Alle Artikel zum Fall Philipos T. Ist es nicht sinnfrei, wenn ein Beschuldigter einen Pflichtverteidiger an die Seite gestellt bekommt und zusätzlich einen Wahlverteidiger bestellt? So einfach ist es nicht. Denn für das Gericht steht der reibungsfreie Ablauf im Vordergrund. Würde der Pflichtverteidiger abberufen und der Beschuldigte oder Angeklagte geriete im Laufe der Ermittlungen oder des Gerichtsverfahrens in Zahlungsschwierigkeiten oder es entstünde sonst eine Unstimmigkeit, sodass der Wahlverteidiger das Mandat niederlegen würde, entstünde eine Lücke und der gesamte Prozess würde verzögert oder gar hinfällig. Um diese prozessgefährdenden Eventualitäten zu verhindern, ist der Pflichtverteidiger eine Art Sicherungsanker für Gericht und Staatsanwaltschaft. Agieren Pflichtverteidiger und Wahlverteidiger von nun an als Team auf Augenhöhe? Nichts ist ausgeschlossen. Doch in der Regel gibt es einen führenden Verteidiger. Umso klarer, da hier von einem lokalen Strafverteidiger einer- und einem prominenten Strafverteidiger andererseits die Rede ist. Ist es nicht Steuerverschwendung, wenn es trotz Wahl- auch einen Pflichtverteidiger gibt? Eher nicht. Zum einen halten die Gerichte es für sinnvoll, den Ablauf des Prozesses nicht zu gefährden. Der Neustart eines Prozesses wäre im Zweifel teurer. Außerdem zahlt der Angeklagte am Ende die volle Rechnung der Prozess- inklusive der Pflichtverteidigungskosten, wenn ihn das Gericht schuldig spricht. Viele Verurteilte können deshalb nach der Haftentlassung gleich in die Privatinsolvenz wechseln. Da es im Jugendstrafrecht besonders stark um die pädagogische Wirkung eines Urteils geht, wird hier mitunter auf die Begleichung der Prozesskosten verzichtet. Ob das im aktuellen Fall auch so kommt, ist offen.

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