Lesung: Ein ganz besonderes Kapitel der Bad Oeynhausener Stadtgeschichte

Bad Oeynhausen. Es ist eine Zeit, die nicht nur die Stadt Bad Oeynhausen, sondern auch ihre Einwohner geprägt hat. Neun Jahre Besatzungszeit durch die britische Rheinarmee haben im Innenstadtbereich die Nachkriegszeit bestimmt. 9.000 Menschen wurden evakuiert, 2.000 Engländer zogen ein. Als in anderen Städten längst der Wiederaufbau begonnen hatte, begann in der Kurstadt erst die Zerstörung. &bdquo;Ich kann kaum glauben, dass vor mir noch niemand den Stoff für einen Roman in dieser Zeit gesehen hat“, sagt Theresia Graw. Die Autorin und Journalistin war am Sonntagabend zur Premierenlesung von &bdquo;Don’t kiss Tommy“ zu Gast in der Auferstehungskirche am Kurpark. Im Gespräch mit der Bad Oeynhausenerin Tabea Horst vom Ullstein-Verlag plauderte sie auch über die Entstehung des Buches. &bdquo;Im Sommer jährt sich die Freigabe von Innenstadt und Kurpark zum 70. Mal - passend hätte der Roman also nicht erscheinen können“, freute sich auch Staatsbad-Mitarbeiter Christian Barnbeck über die Premiere. Er begrüßte als Veranstalter rund 130 Gäste in der Kirche, die auch im Roman eine Rolle spielt. &bdquo;Die Besatzungszeit hatte spürbare Auswirkungen“, weiß Barnbeck. Viele Gebäude waren nach dem Abzug der Briten abrissbereit, wieder andere - wie die Auferstehungskirche - dem Feuerteufel zum Opfer gefallen. &bdquo;Diese Zeit vor 70 Jahren, das ist einfach der Stoff für eine Romanvorlage.“ Die Stadt ist umzäunt. Fraternisierung verboten. Zwei ungleiche Freundinnen kämpfen für ihre Träume und gegen die Grenzen der Liebe. Nach Kriegsende wird der mondäne Kurort Bad Oeynhausen zum Hauptquartier der britischen Rheinarmee. Durch die Innenstadt wird ein Zaun gezogen, Tausende Einwohner müssen ihr Zuhause verlassen und Platz machen für die Besatzer. Auch Anne und ihre Familie sind gezwungen, ihr Kurhotel aufzugeben und in eine Baracke außerhalb der Sperrzone zu ziehen. Während ihre Freundin Rosalie gewillt ist, sich die Briten zum Freund und das Leben dadurch ein bisschen einfacher zu machen, lehnt sich Anne auf und gerät immer wieder mit Colonel Michael Hunter aneinander. Erst ein verhängnisvolles Feuer lässt beide erkennen, dass sie auf derselben Seite stehen und sich viel näher sind, als sie jemals dachten. So macht der Ullstein-Verlag Lust auf die Lektüre des Romans. Umfangreiche Recherche und Gespräche mit Zeitzeugen Vor gut zwei Jahren war Theresia Graw für eine eingehende Recherche in Bad Oeynhausen. &bdquo;Damit Sie mal wissen, wie lange es dann noch braucht, bis ein Buch auf den Markt kommt“, sagt sie augenzwinkernd in Richtung Publikum. Graw hat in Archiven gestöbert, hat sich von Stadtführer Barnbeck in einige Bereiche der Kurgeschichte entführen lassen und hat mit Zeitzeugen gesprochen. Karl-Heinz Terbeck und Hans-Otto Geertz hatten einst in der NW als Zeitzeugen über die Besatzungszeit gesprochen und wurden dadurch von Theresia Graw ausfindig gemacht. &bdquo;Man muss ja wissen, wie die Menschen damals empfunden haben - das ist für solch einen historischen Roman ganz wichtig“, erklärt die Autorin. Auch wenn sie mit Männern gesprochen hat - letztlich sind es zwei Frauen geworden, die stellvertretend für eine ganze Generation im Buch verewigt wurden. Auch wenn Graw selbst aus Oberhausen, also gar nicht so weit von Bad Oeynhausen entfernt, aufgewachsen ist - dass die Stadt in OWL durch einen Stacheldraht getrennt wurde, war für sie neu. &bdquo;Schon alleine die Vorstellung ist unglaublich“, sagt sie. Eigentlich hätten die Menschen damals nach vorne blicken wollen und seien dann mit der Evakuierung konfrontiert worden. &bdquo;Ich war überrascht, wie die Menschen damit umgegangen und damit fertig geworden sind. Die haben ja teilweise unter erbärmlichsten Verhältnissen gewohnt, manche sogar im Hühnerhaus, und haben sich damit arrangiert.“ Graw hat aber nicht nur in Bad Oeynhausen recherchiert und Rico Quaschnys Buch &bdquo;Zwischen Krieg und Frieden“ gelesen, sondern auch die Sicht der Engländer nicht vergessen. Eine BBC-Dokumentation zeige, wie die Engländer nach Deutschland gekommen seien. Auch das ein wichtiger Punkt für die Recherche. &bdquo;Ich habe als Autorin immer den Ehrgeiz, das historisch alles bis ins Letzte passt“, betont Graw. Was die Lektorin und Programmleiterin Hardcover beim Ullstein-Verlag bestätigen kann. &bdquo;Warum so kompliziert? Können die nicht einfach ein Picknick machen“, merkte sie an einer Stelle an. Und wurde durch Graw eines Besseren belehrt: &bdquo;Aber doch nicht am 11. August 1949 - da hat es geregnet.“ Fakten, die Graw anhand der Wetterchronik belegen kann. 130 Gäste bekamen in der Auferstehungskirche einen Einblick ins Buch und in die Geschehnisse von damals. Und so wunderte es nicht, dass sich die meisten von ihnen noch am Abend ein Exemplar am Scherer Büchertisch sicherten - und sich in die lange Schlange derer einreihten, die sich das Buch dann natürlich auch von Theresia Graw signieren lassen wollten.

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