Bad Oeynhausens Bürgermeister über Steuererhöhungen: Man „kann nichts ausschließen“

Herr Bökenkröger, seit dem 1. November 2020 sind sie Bürgermeister von Bad Oeynhausen. Damit sind schon fast zwei Drittel Ihrer Amtszeit rum. Was sehen Sie – außer gewählt worden zu sein – als Ihren bislang größten Erfolg? Lars Bökenkröger: Uns ist es gelungen, trotz schwieriger Rahmenbedingungen einige Projekte auf den Weg zu bringen. Manchmal haben sich die letzten drei Jahre so angefühlt, als wäre ich mit einem 30-Kilo-Rucksack gestartet und jedes Jahr hat man zehn Kilo draufgepackt. Es waren drei Krisenjahre. Dennoch haben wir einiges umgesetzt. Wenn ich nur mal auf das letzte Jahr blicke: Wir haben den Anbau an der Grundschule Rehme-Oberbecksen hinbekommen, wir haben die Pumptrackanklage gebaut, wir haben den Weserradweg gemacht, wir haben die neue Sielbrücke eröffnet und Spielplätze wie den in der Meierfreundstraße gebaut. Darauf bin ich schon stolz, dass wir in den vergangenen drei Jahren deutlich mehr umgesetzt haben als in den Jahren davor. Wir sind aber noch lange nicht dort, wo ich hin will. Aber es wurden ja nicht nur Dinge umgesetzt, es wurden ja auch Projekte ausgebremst. Sie haben den Umzug der Tourist-Info in den Bahnhof gestoppt oder die Verlagerung des ZOB auf die Nordseite des Bahnhofs zum Sültebusch abgelehnt. Ist für Sie Verhindern das neue Gestalten? Nein, aber um bei der Tourist-Information zu bleiben: Das ist doch ein absoluter Erfolg, das war eine richtige Entscheidung. Wenn man sieht, wie viel positives Feedback wir für den digitalen Showroom bekommen haben, das wäre im Bahnhof nicht möglich gewesen. Zum ZOB: Hier gibt die Stadt nun mit der Sanierung am alten Standort immer noch viel Geld aus für eine nur halb gute Lösung. Hadern Sie mit Ihrer Entscheidung, gegen die Verlegung des ZOB votiert zu haben? Nein, überhaupt nicht. Zunächst muss man sagen: Der ÖPNV ist insgesamt kein leichtes Thema. Und es wird in den nächsten Jahren noch komplizierter – und teurer. Wir brauchen ein grundlegendes Konzept, wie wir mit dem ÖPNV umgehen. Nur eines wollte ich verhindern: Einen ZOB auf eine ganz neue Fläche zu verlagern. Im übrigen hat es ja auch nie Ideen gegeben, wie man dann die alte ZOB-Fläche hätte entwickeln können. Wo sehen Sie im Rest Ihrer Amtszeit die größten Baustellen? Natürlich ist im Moment der Haushalt das ganz bestimmende Thema. Das wird Einfluss auf alle Projekte haben, die wir als Stadt in den nächsten Jahren noch umsetzen wollen. Wir sind in einer Situation, die es so in den vergangenen Jahrzehnten noch nicht gegeben hat: ein tiefroter Haushalt bei allen Kommunen. Wenn nicht Bund und Land helfen, dann werden wir hier nicht viel realisieren können. Glauben Sie denn, dass Sie finanzielle Hilfe von Bund oder Land kriegen? Wir sind in einer Situation, in der es wenig Perspektiven gibt, das zu ändern. Wir müssen mit viel Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein weiter investieren. Und wir müssen schauen, was wir uns noch leisten können in den nächsten Jahren. Da müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber auch ehrlich sein und sagen, was wir noch können und was nicht. Denn belasten können wir die Bürger nicht noch mehr. Wenn der Rat Ende Februar zustimmt, dann wird die Grundsteuer in diesem Jahr erhöht. War es das dann oder ist mit weiteren Steuererhöhungen zu rechnen? Für die nächsten Jahre kann man in dieser Situation nichts ausschließen. Es wird ohne Unterstützung von Bund oder Land nicht gehen. Ich müsste, um den aktuellen Haushalt auszugleichen, die Grundsteuer um das Dreifache erhöhen, was man aber niemandem zumuten kann. Wir müssen in erster Linie alles tun, um die Wirtschaft zu stärken. Denn die Unternehmen helfen uns mit ihrer Gewerbesteuer. Heißt das, dass eine Erhöhung der Gewerbesteuer tabu ist? Wir müssen erstmal schauen, dass die Unternehmen gute Rahmenbedingungen haben, um hier investieren zu können. Wir haben hier gute Unternehmen in Bad Oeynhausen, die sich auch am Standort erweitern. Wir müssen den Unternehmen Raum geben, um sich entwickeln zu können, etwa durch Gewerbeflächen. Nur durch eine hohe Gewerbesteuer können auch wir als Stadt hier weiter investieren. Schauen wir auf ein ganz besonderes Unternehmen hier im Kreis: die Mühlenkreiskliniken. In diesem und dem nächsten Jahr werden womöglich die Weichen für den Krankenhausneubau gestellt. Zur Erinnerung: Eigentlich sollte die Auguste Viktoria Klinik (AVK) zum Krankenhaus in einen gemeinsamen Neubau verlegt werden. Nun ist es andersrum, das Krankenhaus soll – als Mini-Variante – an die AVK angebaut werden. Ist das eine gute Lösung für Bad Oeynhausen? Auch hier müssen wir die Realität betrachten. Bei der Haushaltssituation der Kommunen im Kreis haben wir kaum die Möglichkeit, zwei Neubauten für jeweils 200 bis 300 Millionen Euro zu realisieren. Selbst das, was jetzt beschlossen wurde vom Kreistag, wird noch schwer von den Kommunen zu stemmen sein. Natürlich wäre mir ein großes neues Krankenhaus für Bad Oeynhausen lieber gewesen. Aber es geht ja nicht um Wunschdenken. Sie sind also mit dem Spatz in der Hand zufrieden. Aber ist der Vogel überhaupt überlebensfähig oder ist er zu mager, der geplante Krankenhausbau zu klein? Ich glaube, zusammen mit der AVK kann das funktionieren. Werfen wir mal einen Blick auf einige Problemzonen der Stadt. Zum Beispiel den Königshof. Wie groß ist Ihre Zuversicht, dass Eigentümer Manuel Ersay etwas für die Stadt Vernünftiges aus diesem einstigen Nobelhotel machen wird? Das Thema beschäftigt uns ja schon seit vielen Jahren. Es ärgert mich, dass da nichts realisiert wird und kein echter Fortschritt zu sehen ist. Ich würde mir wünschen, dass wir dort endlich eine Entwicklung sehen. So kann es jedenfalls nicht weitergehen. In diesem Jahr erhoffe ich mir, bei vielen Projekten Klarheit zu bekommen, ob etwas realisiert wird oder nicht. Das betrifft auch das leerstehende City Center, das einen verheerenden Eindruck bei Bürgern und Besuchern hinterlässt. Wie lange wird uns dieses Bild noch erhalten bleiben? Auch da habe ich die Hoffnung, dass sich in diesem Jahr eine neue Entwicklung ergibt. In welche Richtung? Dort kann etwas Neues entstehen, vielleicht nicht als Neubau, sondern als Weiterentwicklung des Bestandes. Dass dort etwas passiert, ist für die Innenstadt ganz entscheidend. Auch der Hohenzollernhof bietet kein Bild, das man einer Kurstadt wünscht. Welche Möglichkeiten hat die Stadt, da zu lenken oder einzugreifen? Wir sind insbesondere mit unserer Wirtschaftsförderung mit allen Eigentümern in der Innenstadt im Gespräch. Ich habe ein hohes Interesse daran, dass die ganzen Immobilien funktionieren: Lenné-Karree, City Center, Hohenzollernhof, das ist für unsere Innenstadt entscheidend. Jedoch sind die Einflussmöglichkeiten der Stadt da auch begrenzt. Noch hat die Stadt eine stattliche Rücklage von rund 45 Millionen Euro. Die drohen nun innerhalb von drei Jahren schlicht im allgemeinen Haushalt verfrühstückt zu werden. Bereuen Sie es, mit diesem Geld nicht investiert zu haben? Zum Beispiel den Königshof, das City-Center oder das Lenné-Karree gekauft zu haben? Wir haben bei der Stadt einen hohen Investitionsstau. Wir haben viele Schulen, die saniert werden müssen. Da sind wir auf dem Weg. Wir müssen in Infrastruktur, in Straßen und Kanäle und in Sportanlagen investieren. Dort müssen wir unser Geld investieren. Und: Wenn es Private nicht schaffen, diese Immobilien zu entwickeln, wie soll das dann die Stadt schaffen? Ich sehe die Stadt nicht in der Rolle, Immobilien zu kaufen. Wir können unterstützen und vermitteln. Wir haben da ja auch noch ein paar Brachen in Innenstadtnähe. Werden die Projekte Medical City Plaza dem Hockeyplatz und das E-Center auf dem Fuhrken-Gelände noch realisiert oder haben Sie sich davon schon verabschiedet? Sowohl bei den Investoren des Medical City Plaza als auch bei der Edeka ist ja der Wille vorhanden, dort etwas zu realisieren. Davon bin ich nach wie vor überzeugt. Ich hätte mir aber gewünscht, dass wir dort schon weiter wären. Der Vorstand der Edeka Minden-Hannover, Marc Rosenkranz, ist ja Bad Oeynhausener. Sind Sie im Gespräch mit ihm über das Projekt? Wir sind da seit drei Jahren, seitdem ich im Amt bin, regelmäßig im Austausch. Wir versuchen als Stadt, alles möglich zu machen, dass der Markt auch erreichbar ist. Ich erwarte aber auch, dass die Edeka da nun zeitnah baut. Was heißt hier zeitnah? Liegt der Bauantrag vor? Ja, der ist da. Man – ja, auch wir – sagt Ihnen nach, seit Amtsantritt praktisch im Wahlkampfmodus zu sein. Trifft diese Einschätzung zu? Nein, da verwechseln Sie Wahlkampf mit Bürgernähe und Einsatzfreude. Mir ist wichtig, gerade in dieser schwierigen Situation mit den Bürgern zu sprechen und ich möchte mich nicht im Rathaus verstecken. Wir müssen als Politiker den Bürgern auch erklären, warum wir etwas machen oder warum wir manches eben nicht machen. Trotzdem viel Zeit am Tag im Rathaus. Wie sieht Ihr durchschnittlicher Arbeitstag aus? Ich bin morgens gegen 8 Uhr im Büro. Dann habe ich eine halbe Stunde, um zum Beispiel erste Telefongespräche zu führen, E-Mails zu beantworten, Termine vorzubereiten oder Mitarbeitern zum Geburtstag zu gratulieren. Ich finde, das gehört auch dazu. Mein ganzer Tag ist mit Terminen durchgetaktet. Und abends habe ich dann meistens noch Gremiensitzungen. Oft bin ich nicht vor 9 oder 10 Uhr abends zuhause, und das fast die ganze Woche. Und das wollen Sie sich noch weitere fünf Jahre antun? Oder, anders gefragt: Treten Sie im September 2025 erneut als Bürgermeisterkandidat in Bad Oeynhausen an? Wir haben jetzt erstmal noch schwierige Themen vor uns, die wir bewältigen müssen. Und dann fällt irgendwann auch die Entscheidung, ob ich weitermachen will oder nicht. Ich habe weiterhin große Lust dazu. Und die schwierige Phase, in der wir sind, motiviert mich auch. Bad Oeynhausen ist meine Heimatstadt, in der ich groß geworden bin und in der ich lebe. Das bedeutet für mich eine besondere Verantwortung. Ernsthaft? Sie haben noch nicht entschieden, ob sie 2025 noch mal als Bürgermeister kandidieren wollen? Mir geht es im Moment darum, Themen voranzutreiben. Ich gucke nicht immer auf den Wahltermin. Ich werde das mit meiner Lebensgefährtin entscheiden. Und wenn ich merke, die Bürger wollen das auch, dann werde ich auch weitermachen. Ich denke, zum nächsten Jahreswechsel wird da eine Entscheidung fallen.

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