Verkehrsschilder fehlen: Radfahrer in Bad Oeynhausen muss Bußgeld zahlen

Bad Oeynhausen. Der Tunnel zwischen Busbahnhof und Kanalstraße ist eine gefragte Abkürzung zwischen Innenstadt und Sielbad. Das hat auch die Stadtverwaltung erkannt. Sie will die gewaltige Mauer zur Kanalstraße absägen und das Sielbad dadurch optisch näher an die Innenstadt rücken. Das ist jedoch Zukunftsmusik. Zur Zeit ist der Tunnel nachts vor allem als Angstraum bekannt. Tagsüber ist der Durchlass eine beliebte Strecke für Fahrradfahrer, auch wegen der nahen Bahnbaustelle. Doch der Tunnel zum Sielbad ist jedoch eine Knöllchen-Falle. Radeln ist dort nämlich nicht erlaubt. Bei Wolfgang Willing hat die Falle zugeschnappt. Der 79-jährige Radler aus Werste ist Donnerstag, 14. September, mit seinem Klapprad mittags aus der Innenstadt durch den Tunnel zur Kanalstraße heimwärts nach Werste gefahren und von einer Polizistin vom Fahrrad geholt worden. Der Vorwurf: vorschriftswidriges Radeln auf dem Gehweg. Willing fiel aus allen Wolken. 55 Euro Bußgeld muss er bezahlen, so steht’s auf dem Bußgeldbescheid, gegen den Willing beim Kreis Minden-Lübbecke Einspruch eingereicht hat. Postwendend kam jedoch die Ansage: Einspruch zwecklos. Samt Gebühr und Auslagen sind inzwischen 83,50 Euro fällig. &bdquo;Die Rampe soll ein Gehweg sein? Wo steht das?“ Der Radfahrer ist sich aber keiner Schuld bewusst. &bdquo;Bislang galt die Strecke als nicht benutzungspflichtiger Radweg“, so Willing. Viele Radler und Rollerfahrer nutzen den Durchlass, sogar größere Fahrzeuge der Straßenreinigung. Beim halbstündigen Ortstermin an der Rampe radeln trotz Nieselregens zehn Radfahrer vorbei. &bdquo;Das soll ein reiner Gehweg sein? Wo steht das?“, fragt Willing und verweist auf die ausladende Treppe, die extra für Fußgänger gebaut worden sei. Auf der Rampe wäre für beide eigentlich Platz genug. Der Tunnel sei sieben Meter breit, die Rampe immerhin noch drei Meter, hat Willing gemessen. Nur in der rechtwinkligen Kurve an der Tunnelausfahrt ist die Verkehrslage unübersichtlich, das weiß auch Willing: &bdquo;Deshalb bin ich Schrittgeschwindigkeit gefahren.“ Fürs Bußgeld ist das unerheblich. Das 55-Euro-Knöllchen hat Willing fürs Fahrradfahren und nicht für überhöhte Geschwindigkeit oder eine mögliche Gefährdung von Fußgängern bekommen. Seinem Einspruch hat die Polizei inzwischen widersprochen. Laut den Willing vorliegenden Akten heißt es in der Stellungnahme: &bdquo;Bei dem Weg handelt es sich nicht um einen Radweg.“ Es gebe keine Schilder, so die Polizei, die anderes regeln. Und die Rampe beginne und ende auf einem Gehweg, was baulich ersichtlich sei. Ohne Schilder gilt die Rampe als Gehweg Auch ohne Schilder ist die Rampe in den Augen der Ordnungshüter ein Fußweg. Und genauso sieht das auch die Stadtverwaltung. Der Hochbord-Weg entlang der Kanalstraße sei &bdquo;als Gehweg angelegt und kann aufgrund mangelnder Breite nicht als Radweg ausgewiesen werden“, erklärt Stadtpressesprecher Volker Müller-Ulrich. Auf der gegenüberliegenden Seite der Kanalstraße am Sielbad ist der Gehweg nicht viel breiter. Merkwürdigerweise müssen sich Radfahrer und Fußgänger diesen Weg aber teilen, weil ein Verkehrsschild das so vorschreibt. Warum an derselben Straße so unterschiedliches Verkehrsrecht gilt, kann die Stadtverwaltung auf Nachfrage nicht erklären. Müller-Ulrich: &bdquo; Im Rahmen der Überplanung der bisherigen Ortsdurchfahrt werden neue Regelungen getroffen.“ Mit dem Radschnellweg wird alles besser? Die Rampe ist von dieser Neuregelung allerdings ausgenommen, dort soll trotz Radschnellweg weiter gelten: Radeln verboten. Schilder, die das Radeln im Tunnel erlauben würden, will die Stadt nicht aufstellen. Die Verantwortung für die Verkehrsführung im und am Tunnel liege bei der Eigentümerin argumentiert die Stadt und das sei die Deutsche Bahn. Die Stadt ignoriert den Tunnel auch bei der weiteren Radwegeplanung. &bdquo;Eine Regelung für diese Unterführung ist auch künftig nicht vorgesehen“, erklärt der Stadtpressesprecher, &bdquo; da sie im Rahmen des Radverkehrsnetzes nicht betrachtet wird und auch nicht Bestandteil im Masterplan klimafreundliche Mobilität ist.“ Die Straßenverkehrsbehörde könne nur in Bereichen den Verkehr regeln, &bdquo;die nach dem Straßen- und Wegegesetz NRW öffentlich gewidmet sind“. Der Tunnel ist in den Augen der Stadt Privatgelände. Im Sültebusch-Tunnel ist möglich, was am ZOB-Tunnel nicht geht Die Deutsche Bahn (DB) bestätigt zwar, dass sie Eigentümerin des Tunnels ist - genauso wie in den Unterführungen zum Sültebusch und zur Heinrichstraße. Auch der Bahnsprecher aus Düsseldorf will aber auch keine Verantwortung für die Verkehrsführung übernehmen: &bdquo;Die DB sieht sich nicht in der Eigenschaft, verkehrsrechtliche Regelungen durchzuführen. Wir werden diese Fragen aber mit der Stadt Bad Oeynhausen erörtern.“ Nach Auskunft von Stadtpressesprecher Volker Müller-Ulrich hat sich die Bahn bis Dienstag noch nicht im Rathaus gemeldet. Fahrradfahrer aus der Innenstadt haben ähnlich wie Autofahrer derzeit nicht viele Möglichkeiten, vom Norden aus in die Innenstadt zu radeln. Die nächstgelegene Unterführung ist der Tunnel in den Sültebusch. Den hat Willing auf seinem Hinweg auch benutzt. Der Rückweg aber sollte über die neuen Radwege am Sielbad führen. Im Sültebusch-Tunnel ist Radfahren nicht nur erlaubt, es gibt sogar einen Radweg samt Radwegbenutzungspflicht - und Verkehrsschilder. Was in der einen Unterführung geht, ist ein paar Hundert Meter weiter in der anderen offenbar unmöglich. Geht die Sache vor Gericht? Willing ist nicht nur Radler, sondern auch Mitglied des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Als er seinen Vereinskollegen vom Bußgeld erzählt, erntete er Staunen. Selbst die Radlerlobby würde hier wohl in die Knöllchen-Falle radeln. &bdquo;Alle Welt redet von der klimafreundlichen Verkehrswende“, sagt Willing: &bdquo;Steigt aufs Fahrrad - und dann so eine Kontrolle!“ Den juristischen Kampf ums Recht würde seine Rechtsschutzversicherung wohl mitmachen, sagt der 79-jährige Radler und wiegt den Kopf. Er habe sich inzwischen aber genug über die Polizistin, ihren Tonfall und das Bußgeld geärgert. Und nicht nur darüber. Eigentlich habe die Polizei damals Autofahrer kontrolliert, er sei bloß Beifang gewesen. Andere Radler wurden bloß ermahnt abzusteigen, erzählt er. Das habe ihm ein Fahrrad schiebender Radler mit Migrationshintergrund selbst erzählt. Als Willing mit dem Mann zur Beamtin gehen wollte, sei der jedoch weggelaufen, wohl aus Angst doch noch ein Knöllchen zahlen zu müssen. &bdquo;Es hilft aber nichts, auf andere zu zeigen“, sagt Willing. Sein Bußgeld will er bezahlen. Bis zum 17. November hätte er dazu Zeit, sonst geht die Sache vor Gericht. Diesen Stress will er sich aber nicht mehr antun, sagt der 79-Jährige. Die Polizei Minden-Lübbecke hat sich bis Redaktionsschluss nicht zu dem Fall geäußert.

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