Hohe Kosten, lange Laufzeit: Bad Oeynhausen will in der Tiefe nach Wärme bohren

Bad Oeynhausen. Wohlige Wärme für die Wohnungen der Kurstädter könnte in nicht all zu ferner Zukunft aus den Tiefen der Erde kommen. Experten der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG in Bochum haben die Möglichkeiten für Tiefengeothermie in Bad Oeynhausen untersucht. Und sie bewerten diese als überdurchschnittlich gut. Allein mit einem Bohrstandort könnten mehrere tausend Haushalte in Bad Oeynhausen mit Wärme versorgt werden. Drei mögliche Standorte für Tiefengeothermie haben die Experten dafür im Stadtgebiet unter die Lupe genommen. Die Wärme aus der Tiefe kann direkt an Ort und Stelle genutzt werden oder in ein Fernwärmenetz eingespeist werden. Dafür würde Wasser aus bis zu zwei Kilometern Tiefe an die Erdoberfläche befördert, die Wärme dem Wasser mit Hilfe eines Wärmetauschers entzogen und das kalte Wasser wieder zurück in die Tiefe befördert werden. Reicht die Temperatur des geförderten Wassers noch nicht aus, müsste sie mit einer Wärmepumpe auf das benötigte Niveau aufgeheizt werden. Im schlechtesten Fall käme das Wasser aber bereits mit 48 Grad aus der Erde. Fraunhofer Einrichtung betreut 40 Anlagen Im Februar hatte die Politik der Verwaltung den Auftrag erteilt, die Möglichkeiten einer netzgebundenen Wärmeversorgung auszuloten. Die Ergebnisse dieser Potenzialanalyse haben Gregor Bussmann und Olga Knaub von der Fraunhofer-Einrichtung am Donnerstagabend im Ausschuss für Stadtentwicklung (ASE) vorgestellt. Die IEG erforscht die Möglichkeiten der Tiefengeometrie bereits seit mehreren Jahrzehnten. Und die Wissenschaftler betreuen bereits 40 aktive große Anlagen für Geothermie in Deutschland - unter anderem im Münchener Raum und in Schwerin. In Bad Oeynhausen haben die Experten für ihre Potenzialanalyse drei mögliche Standorte ausgewählt. Einen am Hang des Wiehengebirges in der Nähe des Wittekindshofes, einen im Industriegebiet Münichhusen in Eidinghausen und einen dritten im Siekertal. Im Wiehengebirge könnte - so haben es die Fraunhofer-Experten ermittelt - 92 Grad heißes Wasser aus der Tiefe kommen. Am Standort in Eidinghausen läge die Temperatur bei 61 Grad und im Siekertal bei 48 Grad. Die Bohrbrunnen in Eidinghausen und im Siekertal bräuchten also zusätzliche Wärmepumpen. Gesteinsschichten unter Bad Oeynhausen bestens geeignet Geeignet wäre von der Geologie her auch ein Standort im Kurpark, aber der liegt im Heilquellenschutzgebiet und das wiederum darf von den Tiefenbohrungen nicht beeinträchtigt werden - auch nicht die unterirdischen Zuflüsse der Heilquellen. "Das ist gesetzlich vorgegeben", sagt Olga Knaub. Bei einer Beeinträchtigung könnte Bad Oeynhausen seinen Status als Heilbad verlieren. Der dritte mögliche Standort im Siekertal liegt knapp außerhalb des Heilquellenschutzgebiets. Für ihre Analyse haben die Experten Daten über die unterschiedlichen Gesteinsschichten unter dem Stadtgebiet als Basis genommen. Und natürlich, welche Temperaturen das Grundwasser in den unterschiedlichen Tiefen und Gesteinsschichten hat. Die Gesteinsschichten unter Bad Oeynhausen - Buntsandstein und Kalkstein, der sogenannte Keuper - seien laut der IEG-Experten bestens geeignet für die Tiefengeothermie. Die Bohrungen an sich bergen aber auch Risiken. "Im Untergrund gibt es Gesteine, die sich in Kontakt mit Wasser auflösen", erklärte Olga Knaub. Ein zweites bohrtechnisches Risiko sei ein möglicher Gipsausfall, der sich im Rohr festsetzen kann. Für beide Probleme gäbe es allerdings technische Lösungen - etwa durch Druck- und Temperaturanpassung im Bohrsystem. So stellten beide Risiken ebenso wie die Heilquellen kein grundsätzliches Ausschlusskriterium dar. Zunächst skizzierte Olga Knaub von der Fraunhofer-Einrichtung das technische Vorgehen bei geothermischen Bohrungen in die Tiefe. "Grundsätzlich sind Bohrungen in Tiefenlagen zwischen 400 und 5.000 Meter möglich", sagt Knaub. Das Thermalwasser habe in den wasserführenden Gesteinsschichten eine Temperatur zwischen 30 und 180 Grad Celsius. In einer Tiefe 600 Metern beträgt die Temperatur 34 Grad, pro Kilometer Tiefe nimmt die Temperatur um etwa 40 Grad zu. Wie tief gebohrt werden könne, hänge vor der Beschaffenheit der Gesteinsschichten ab. Möglich sei eine Wärmeleistung an den drei Standorten von insgesamt bis zu 28 Megawatt. Zur Einordnung dieser Wärmequellen brachte Thomas Schmidt (Grüne), der zu Beginn der Sitzung als neues ASE-Mitglied vereidigt wurde, einen Vergleich: "Die Heizzentrale am Kurpark hat eine Leistung von einem Megawatt." Von der Heizzentrale aus werden die Gebäude und Kliniken im Kurpark bereits mit Wärme versorgt. Die Stadtwerke-Tochter Neue Energien Bad Oeynhausen GmbH (NEO) baut das Fernwärmenetz derzeit zwischen Schulzentrum Süd und Kurpark aus. Hohe Kosten, aber eine sehr, sehr lange Laufzeit Die Kosten für Tiefenbohrungen sind allerdings nicht unerheblich. "Aber", räumt IEG-Experte Gregor Busse ein, "steht so eine Anlage erst, liefert sie dauerhaft Wärme." Erst nach 50 Jahren lasse die Temperatur etwas nach. Prognostizierte 27,6 Millionen Euro würde der Standort drei im Siekertal kosten. Die Investitionen in eine Anlage im Wiehengebirge geben die Experten mit 24 Millionen Euro an und eine Bohranlage in Eidinghausen würde zwischen 18 und 30 Millionen Euro kosten. Die geothermischen Leistungen der vorgestellten Varianten liegen zwischen 1,9 und 11,1 Megawatt. Geothermieanlage gehen allerdings nicht nur in die Tiefe, sondern sie brauchen auch eine stattliche Fläche. "Für eine Bohrung bis in 3,5 Kilometer Tiefe brauchen wir eine Fläche von 4.000 Quadratmetern und wenn die Anlage steht noch etwa ein Drittel dieses Platzes", gibt Olga Knaub die oberirdischen Ausmaße an. Und es braucht Zeit. Sollten Politik und Verwaltung den Weg weiter gehen und die Tiefengeothermie zum Bestandteil ihrer kommunalen Wärmeplanung machen, könnte in sechs Jahren warmes Wasser aus den Tiefen der Erde gefördert werden. Denn nach der Idee ist die Potenzanalyse erst der zweite von sieben Schritten bis zum Betrieb einer Anlage.

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