Tempo 100 vor Kindergarten in Bad Oeynhausen: Warum das möglich ist

Bad Oeynhausen. Die Lage könnte malerischer kaum sein. Auf der einen Seite der Wald, auf der anderen Felder, begrenzt durch dichtes Buschwerk. Mitten durch die Idylle führt der Borgweg. Und genau hier befindet sich der Waldkindergarten "Die Käferbande". Betrieben wird er von einer Vlothoer Elterninitiative. Eine perfekte Lage? Mitnichten - finden die Anwohner Dieter Rührup und Fritz Betten. "Das ist hier supergefährlich, denn hier sind 100 Stundenkilometer erlaubt", sagt Rührup und schüttelt den Kopf. Dabei sei der Borweg, der weiter südlich den Berg hoch in die Oberbecksener Straße übergeht, an dieser Stelle nur knapp vier Meter breit. "Muss hier erst etwas Schlimmes passieren, bevor sich was ändert?", fragen Rührup und Betten. Vor allem Dieter Rührup bemüht sich bereits seit Jahren um eine Änderung. Vor allem wegen der Kinder, aber auch, weil es mitunter auch für ihn gefährlich wird, wenn er mit dem Auto sein Grundstück verlassen möchte. Denn allzu häufig fahren vor seiner Haustür Autos mit Karacho den Borgweg hinunter. Der Borweg ist hier schmal und kurvig Aber auch die Verkehrsteilnehmer, die den Borgweg hier benutzen, hat er im Blick, Autofahrer ebenso wie Fußgänger und Radfahrer. "Es ist hier sehr unübersichtlich. Der Borweg ist schmal und kurvig, morgens und abends queren hier außerdem noch Wildschweine und Rehe die Straße", weiß Rührup. Außerdem sind hier nicht nur an den Wochenenden viele Spaziergänger, Fahrradfahrer und Reiter unterwegs. Denn der Wald, das Königsholz an der Grenze Oberbecksens, ist ein beliebtes Naherholungsgebiet für Bad Oeynhausener und Vlothoer gleichermaßen. Mehrfach hat Rührup mit der Stadt Bad Oeynhausen Kontakt aufgenommen - per Mail und auch telefonisch. Mit dem Ergebnis ist er nicht zufrieden. "Es hat sich zwar etwas getan, aber wir finden, das reicht nicht." Am Waldparkplatz geht's von 30 auf 100 km/h Das Stück des Borwegs, um das es den beiden geht, ist nur knapp 500 Meter lang. Formal liegt genau dieses Stück zwischen zwei Ortschaften - nämlich Bad Oeynhausen und Vlotho. "Der Wald ist schon Vlotho, aber der Borweg gehört zu Bad Oeynhausen", weiß Dieter Rührup. Dieses Stück des Borwegs befindet sich außerhalb der geschlossenen Ortschaft. Auf dem unteren Teil des Borwegs ist die Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer begrenzt - bis zum Waldparkplatz am Bauernholz. Und dort steht auch die gelbe Ortstafel, die das Ende der Ortschaft anzeigt. Danach ist erlaubt, aufs Gaspedal zu drücken. Allerdings ist das auch todesmutig. "In der Tat sind auf dem folgenden Teilstück 100 Stundenkilometer erlaubt", bestätigt Kerstin Vornheder vom Büro des Bürgermeisters und des Rates. Ebenso bestätigt sie, dass das besagte Stück Borweg bereits seit 2018 immer wieder Thema ist. "In dem Jahr ist dort eine Geschwindigkeitsmessung gemacht worden", berichtet Vornheder. Und die habe eine durchschnittliche Geschwindigkeit der Fahrzeuge von 45 Stundenkilometern ergeben. "Verkehrsrechtlich ergibt sich daraus für uns keine Handhabe", so Vornheder. Diskutiert habe die Stadtverwaltung dieses Thema auch mit der Stadt Vlotho und dem Kreis Minden-Lübbecke. In der Folge habe die Stadt Vlotho beantragt, dort wenigstens zwei "Achtung Kindergarten"-Warnschilder aufzustellen, so Vornheder weiter. Wenigstens warnende Schilder Diese dreieckigen Schilder - wie sie an Kindergärten, Schulen und Seniorenheimen, sogenannten sensiblen Einrichtungen stehen - warnen allerdings nur, sie bedeuten noch keine Geschwindigkeitsbegrenzung. "Dafür müssten extra Tempo-30-Schilder aufgestellt werden", sagt Vornheder. So sehe es die seit 2017 geltende Novelle der Straßenverkehrsordnung vor. Diese Schilder aber dürfe die Stadt dort nicht aufstellen. Weil das Aufstellen in der Straßenverkehrsordnung streng geregelt ist. Und eigenmächtig dürfe die Stadt nicht handeln. Der Grund dafür ist bemerkenswert bis abenteuerlich. "Der Waldkindergarten gilt rechtlich nicht als sensible Einrichtung", erklärt Kerstin Vornheder. Der Waldkindergarten sei eine private Einrichtung und eben keine, die nach dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz) eine Betriebserlaubnis des Landes habe. "Die Käferbande" am Borgweg sei kein offizieller Kindergarten, der aufgrund der Bedürfnisse des Stadtteils geplant worden sei, führt Kerstin Vornheder weiter aus. "Was wir verwaltungsrechtlich dort tun können, haben wir getan", ergänzt sie. In diesem Jahr sei noch einmal eine Geschwindigkeitsüberprüfung und Verkehrszählung vorgenommen worden. Beides habe keine Auffälligkeiten ergeben. Im Wald muss mit Wildtieren gerechnet werden Auch auf das Thema Wildwechsel geht die Verwaltungsbeamtin ein. Denn die beiden Anwohner hatten bei der Stadt auch nach zusätzlichen Schildern gefragt, die auf die Gefahr durch den Wildwechsel hinweisen. Für solche Schilder reiche es aber nicht, wenn Wildwechsel beobachtet würde. "Die Schilder haben eine sensibilisierende Funktion, sie dürfen nur dann aufgestellt werden, wenn die Verkehrssicherheit besonders gefährdet ist. Und dafür müsste nachgewiesen werden, dass genau an der Stelle X etwas passiert ist", führt Kerstin Vornheder aus. Um das zu klären, habe die Stadt auch mit dem Jagdpächter Kontakt aufgenommen. "Auf diesem Stück hat es aber keine angezeigten Wildunfälle gegeben." Grundsätzlich müssten Verkehrsteilnehmer an bewaldeten Straßen immer mit Wildtieren rechnen, die die Straße queren.

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