Erinnerungen an den Bombenhagel auf die Bad Oeynhausener Weserhütte

Bad Oeynhausen. Ursula Darlington ist sich ziemlich sicher: "Ich glaube, genau diese beiden Bomben habe ich fallen sehen", sagt die 94-Jährige. Damals, an Karfreitag 1945, flogen die Alliierten den größten Luftangriff auf die Kurstadt und die 16-jährige Ursula wurde mit dem zweijährigen Neffen in den Luftschutzkeller der Nachbarn geschickt. Dort aber kam sie nicht an. "Plötzlich waren die Flieger da. Ich habe mich an die Hauswand gedrückt." Und miterlebt, wie die Bomben fielen. Auch die, die vergangene Woche im Vorfeld von Bauarbeiten am Werreufer gefunden wurden. In einer Ad-Hoc-Aktion wurden die beiden Blindgänger entschärft. Zuvor mussten 400 Bad Oeynhausener ihre Häuser verlassen. Als sie den Bericht in der NW über die Bombenentschärfung las, erinnerte sich Darlington an Einzelheiten. Zusammen mit ihren Freundinnen Helga Soall (95) und Margarethe Roth (93) erzählt sie vom Angriff auf die Weserhütte. Die drei Frauen kennen sich seit Jugendtagen. "Wir sind zusammen zur Luisenschule gegangen", sagt Ursula Darlington. Doch nicht nur die Schulzeit, auch viele andere Erlebnisse verbinden die Bad Oeynhausenerinnen. "Als die Kurstadt britische Besatzungszone wurde und wir unsere Wohnung am Ostkorso räumen mussten, haben wir viele Sachen auf dem Dachboden von Ullas Eltern untergestellt", weiß Margarethe Roth. Die Notbehausung, in die die Familie ziehen musste, aber ist ihr in keiner guten Erinnerung: "Wir waren 22 Personen im Haus - und hatten genau eine Toilette im Treppenhaus." In der Besatzungszeit haben zudem zwei der Freundinnen ihre große Liebe kennengelernt. Sowohl Ursula Darlington als auch Helga Soall ehelichten einen Engländer. "Dabei habe ich vorher noch gesagt, ich könnte nie einen Engländer heiraten", sagt Ursula Darlington schmunzelnd. "Seitdem sage ich, sag niemals nie." Mit dem Neffen an die Hauswand gedrückt Noch heute wohnt Ursula Darlington in ihrem ehemaligen Elternhaus, in direkter Nachbarschaft zum Rathaus II und somit nur wenige hundert Meter Luftlinie vom aktuellen Bombenfund entfernt. "Wir haben zu siebt im Haus gelebt", erzählt die 94-Jährige. Außer ihr waren das noch ihre vier Geschwister, ihre Eltern und ihr kleiner Neffe. "Bad Oeynhausen war immer geschützt. Es gab zwar Fliegeralarm, aber die meiste Zeit sind sie über uns hinweggeflogen. Die wollten immer nur nach Berlin." Bis die letzten Kriegstage anbrachen. Zuerst wurde die Weserbrücke in Rehme bombardiert, eine Woche später - am 30. März 1945, Karfreitag, - die Weserhütte. "Als die Flak im Wersterholz plötzlich geschossen hat, wusste mein Vater, es wird ernst", sagt Ursula Darlington. Damit die Jüngsten der Familie sicherer waren, sollten sie zu den Nachbarn in den Luftschutzkeller. "Das war direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite." Doch dort kamen Ursula und ihr Neffe nicht an. Kaum, dass sie auf dem Grundstück angekommen waren, kamen die Flugzeuge. "Ich habe mich an die Hauswand unserer Nachbarn gedrückt und meinen Neffen geschützt", erzählt die 94-Jährige. Während sie Todesangst ausstand, sah sie die Bomben fallen, hörte es krachen - und dann kam die Stille. "Die waren so tief über uns, das ich gesehen habe, wie die Bomben ausgeklinkt wurden." Auch zwei ganz in ihrer Nähe. Aber der Einschlag kam nicht. "Ich habe vermutlich die gesehen, die nun ausgebuddelt wurden", mutmaßt die fitte Seniorin. Als nun vergangene Woche der Kampfmittelräumdienst anrückte und die Fotos der Bomben in der NW standen, kam mit den Erinnerungen auch die Bestürzung: "Das hat mich erneut erschüttert, dass die Bomben damals doch so nah gefallen sind." Glück hatte damals auch Helga Soall. Die 95-Jährige arbeitete mit ihrer Zwillingsschwester in der Weserhütte und war nach der Frühschicht gemeinsam mit ihr auf dem Heimweg in die Blücherstraße. "Wir haben noch darüber geredet, wie nah die Engländer schon standen - obwohl darüber ja nicht geredet werden durfte", erzählt Helga Soall. Kaum daheim angekommen, erfüllte ein merkwürdiges Brummen die Luft, wie die 95-Jährige schildert. "Wir haben kaum Luft bekommen, dieser Druck war unglaublich stark." Der Vater scheuchte die Familie schnell in den Keller. "Das war unser Glück. Später haben wir erfahren, dass Nachbarn an geplatzten Lungen gestorben sind." Sorgen machte sich die Familie aber um eine ältere Schwester, die noch Dienst in der Hütte hatte. "Sie kam spät, aber lebend, nach Hause", berichtet Helga Soall. "Sie hatte sich auf der Mindener Straße auf die Erde geworfen." Als es ruhiger wurde, sei die Schwester mit dem Fahrrad nach Hause gefahren.

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