Deutschlandweit einzigartige Ausstellung: Künstliche Intelligenz malt Bilder in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Mit Sprachbildern hat der malende Rechenknecht offenbar so seine Schwierigkeiten. Das schöne Wort "Langfinger" kennt er offensichtlich, nimmt es aber wörtlich. Die feisten Herren auf dem Gemälde mit dem Titel "Der König und die Räuber" haben wohl auch deshalb mindestens sechs ziemlich lange Finger. Daumen haben sie übrigens nicht. Ist das schon Kunst? Oder ist es bloß ein dummer Fehler in der Matrix? Ein Hinweis auf das gekünstelt Künstliche? Das Märchen- und Wesersagenmuseum in Bad Oeynhausen und das Museum Eulenburg in Rinteln zeigen in einer deutschlandweit einzigartigen Doppelschau über 80 Bilder, geschaffen von Künstlicher Intelligenz. Die Schau läuft seit zwei Wochen und die Besucher hinterlassen im Gästebuch des Märchenmuseums ein gespaltenes Echo. Die einen sind hellauf begeistert über die fantastischen Welten, die computergenerierten Gestalten, die dem Betrachter seltsam vertraut vorkommen. Die anderen fühlen sich abgestoßen von den artifiziellen Figuren und sehen seelenlose Kunst, verstärkt durch sterile Musik, die im Hintergrund ebenfalls von einer KI erzeugt wird. Niemanden aber lässt diese Schau kalt. Wer sich im Obergeschoss des Märchenmuseums umsieht, badet regelrecht in einer Bilderflut, wird hineingezogen in eine quietschbunte, schräge oder verschnörkelt romantische Märchenwelt. Da gibt’s das bekannte Aschenbrödel (überraschend ohne Tauben), den gestiefelten Kater (mit Degen), Rotkäppchen (bei McDonald's) und Rapunzel (als surrealer Turm aus Haaren). Es gibt aber auch finstere Fantasy-Drachen, asiatische Mangas und amerikanische Comic-Strips – und das beliebteste Selfie-Motiv der ganzen Schau: die Grinsekatze aus Alice im Wunderland. Feuerwerk der Gedankenketten Die Schau bietet wirklich was fürs Auge. Und sie löst ein Feuerwerk der Assoziationen aus. Woher stammen die Ideen? Die KI hat ihre Motive offensichtlich von Dalí, Tischbein, Gustav Klimt oder Caspar David Friedrich geklaut. Bei Menschen könnte man sagen: wie im Fiebertraum zusammenhalluziniert. Die Suche nach dem Ursprung ist eine spannende Detektivarbeit, gleichzeitig ermüdet genau das aber auch immens. Das scheinbare Spiel mit den Anspielungen in jedem Bild verlangt danach, Kunst-Zitate zu entschlüsseln und schlauer zu sein als die KI. Wer seine Augen von den Bildern löst und die Gedanken schweifen lässt, wird tatsächlich mit dem wichtigsten Problem der gar nicht mehr so fernen Zukunft konfrontiert: dem unheimlichen Können der Computer und ihrer Algorithmen. Und damit unweigerlich auch der Frage: Wozu braucht es eigentlich noch den Menschen? Oder im Kontext der Kunstausstellung: Macht KI bald Künstler überflüssig? Eine gute Frage. Die Antwortmöglichkeiten darauf lauten Ja oder Nein. Politiker hassen solche Fragen, weil die Antwort eine Festlegung bedeutet. Maschinen dagegen scheinen solche Fragen zu lieben, gerade weil es nur zwei Antwortmöglichkeiten gibt. Die KI findet Künstler überflüssig Die Ausstellungsmacher haben diese Frage der KI selbst gestellt und der Computer hat eine Lobrede auf die Ausstellung entworfen. Es reichten ein paar Stichwörter, erzählt Hendrik Tieke, Leiter des Märchenmuseums und einer der beiden Ausstellungsmacher. Und macht die KI Künstler überflüssig? Die Antwort der KI lautet: Ja. Und die Begründung liefert der Computer gleich mit, dabei überschlägt er sich fast vor Selbstbegeisterung: "Denn in den nächsten Jahren wird die KI immer besser immer mehr kreative Tätigkeiten übernehmen können – und vielleicht sogar alle kreativen Tätigkeiten überflüssig machen." Das habe, so führt die KI in ihrer Lobrede auf sich selbst aus, zwei Vorteile: Menschen könnten zwar weiterhin Kunst erschaffen, "aber in einem neuen, ungewöhnlichem oder innovativem Rahmen". Außerdem hätten Menschen "mehr Zeit, um über die Bedeutung der Kunst nachzudenken – und warum sie so wichtig ist." Hm. Das klingt, als hätte einer dieser schwarzgekleideten Computer-Nerds den Rechner verlassen, um einen Gratis-Kursus für PR-Beratung zu absolvieren, in dem die gehobenen Manager-Sprache solange durch die Seifenorgel gedreht wird, bis die Buchstaben nur so flutschen. Die 80 Gemälde in der Doppelausstellung sind durch eine KI namens "Midjourney" erstellt worden. Sie wird über den Messengerdienst Telegram gesteuert. Die KI erzeugt auf der Basis von bekannten Gemälden neue Bilder. Bedient hat die Software der Kulturwissenschaftler Jens-Florian Groß, die Ausstellungsmacher Hendrik Tieke und Stefan Meyer (Rinteln) haben zig Vorschläge verworfen, neu rechnen lassen und dann die Bilder ausgewählt, die letztlich auf große Leinwände gedruckt und mit Licht inszeniert werden. Menschen haben also eine Auswahl getroffen. "Alle Bilder sind Auftragsarbeiten", sagt Hendrik Tieke. In Bad Oeynhausen werden die Bilder mit Märchenbezug gezeigt, in Rinteln eine "Werkschau" der KI. Der Bürgermeister wird durch die KI zur Karikatur Es macht übrigens einen Heidenspaß, der öffentlich zugänglichen KI beim Malen zuzuschauen. Doch alle Versuche der Redaktion, Bürgermeister Lars Bökenkröger im Stil des Rembrandt-Gemäldes "Die Nachtwache" malen zu lassen, scheitern grandios. Das Ergebnis sieht eher aus wie eine Karikatur von Manfred Deix. "Künstler sind nicht überflüssig", hat der Künstler Funny van Dannen in fein gesetzter Ironie gesungen, "doch Bäcker sind viel wichtiger." Klar, denn ohne Bäcker wäre das Frühstück eine Katastrophe, singt van Dannen: Man müsste die Marmelade mit dem Löffel essen und die Wurst pur. Der Songtext von Funny van Dannen ist erstmals auf dem Album "Basics" von 1996 erschienen. Da gab’s zwar schon Computer, sogar das Word-Wide-Web, aber noch keine Rechner, die einen Rembrandt erschaffen konnten. "Künstler sind nicht überflüssig", heißt es in der letzten Strophe und die spendet auch 27 Jahre später noch Trost: "Weil sie was zu sagen haben und uns den Alltag vergessen lassen. Ich finde, dass sie prima in unsere Gesellschaft passen." "Alles Kunst" läuft noch bis zum 31. Juli in beiden Museen.

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