250-Kilo-Kolosse: So lief die Bombenentschärfung in Bad Oeynhausen ab

Bad Oeynhausen. Karl-Heinz Clemens hat die Ruhe weg. Der Kampfmittelräumer plaudert, genießt eine Pizza und wartet, bis auch der letzte betroffene Bürger seine vier Wände verlassen hat. Eine letzte Streifenrunde von Polizei und Ordnungsamt, dann steigt Clemens in sechs Meter Tiefe hinunter. Gute 45 Minuten später sind alle vier Zünder der beiden Fliegerbomben entschärft und die 250-Kilo-Kolosse verladen. Während das Technische Hilfswerk zusammenpackt und die ersten Anwohner auf ihre Hofeinfahrten rollen, wirft Clemens einen letzten Blick auf die verschnürte Warte und erzählt, was nun mit den beiden Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg passieren wird. Wie die NW berichtete, wurden Mittwochmittag bei Sondierungsarbeiten für einen Radweg, der zur neuen Radbrücke "In der Ahe" führen soll, zwei Fliegerbomben freigelegt. Unmittelbar danach traf sich der Krisenstab, der Kampfmittelbeseitigungsdienst aus Arnsberg rückte an und die Evakuierung wurde vorbereitet. "Das war ein Ad-hoc-Ereignis", bilanziert Bürgermeister Lars Bökenkröger noch in der Nacht am Einsatzort. Seit Jahrzehnten haben es in der Kurstadt keinen Bombenfund dieser Größe gegeben. "Das letzte waren Ende 2021 Verdachtsfälle in Werste." Auch damals wurde eine Evakuierung vorbereitet - musste aber nicht durchgeführt werden. Ganz anders Mittwochabend. Rund 400 Bad Oeynhausener mussten ihr Zuhause verlassen, der Werre-Park, das Entertainment-Center und kleinere Geschäfte am Südrand der Mindener Straße frühzeitig ihre Türen schließen. "Wir haben alle erst um 16 Uhr informieren können - trotzdem hat alles reibungslos geklappt", zieht Stadtsprecher und Mitglied des Krisenstabes Volker Müller-Ulrich Bilanz. "Wir kommen gerne wieder" Zufrieden mit dem Ablauf sind auch Karl-Heinz Clemens und seine drei Kollegen. Weil die Entschärfung schnell gehen und die Anwohner nicht länger als notwendig evakuiert bleiben sollten, waren die Kampfmittelräumer gleich zu viert nach Bad Oeynhausen gereist. Als "hervorragend" lobt Clemens die Zusammenarbeit mit dem Krisenstab. "Auch die Versorgung mit Pizza war gut - wir kommen als Gäste gerne wieder", erklärte er schmunzelnd. Darauf aber würde die Stadt gerne verzichten. Auch wenn "es eine Meisterleistung von allen Beteiligten war", wie Müller-Ulrich bekräftigt. 300 Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, THW, Johanniter Unfallhilfe, Deutsches Rotes Kreuz, Verwaltung und Notfallseelsorge kümmerten sich um das Geschehen vor Ort. "Wir hatten 60 Fahrzeuge vor Ort", so Müller-Ulrich. Am Schulzentrum Nord sei zudem der Rettungsdienst bereitgestellt worden. Später als geplant konnte Karl-Heinz Clemens mit der Entschärfung beginnen. "Wir mussten aus einer kleinen Pflegeeinrichtung neun beatmungspflichtige Patienten verlegen lassen", sagt Müller-Ulrich. Und dieser Transport habe gedauert. "Dafür braucht es erhebliche Rettungsmittel, die wir als Stadt und auch der gesamte Kreis Minden-Lübbecke nicht haben." Also musste Hilfe aus der Nachbarschaft angefordert werden. Zudem hatten auch die Anwohner in der betroffenen Siedlung rund um die Fundstelle teilweise keine Eile beim Verlassen ihrer vier Wände. So verfolgten einige vom Fenster aus die Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr - um sich dann wieder vorm Fernseher aufs Sofa zu setzen. "Es gab aber keine besonderen Vorkommnisse", bilanziert Polizeisprecher Thomas Bensch. Alles sei sehr diszipliniert abgelaufen. Weshalb letztlich auch auf den Einsatz des angekündigten Hubschraubers samt Wärmebildkamera verzichtet wurde. "Es war alles menschenleer hier." Wer nicht bei Freunden oder Verwandten Unterschlupf finden konnte, für den hatte die Stadt im Bürgerhaus Rehme einen Anlaufpunkt eingerichtet. "Dort waren gut 50 Erwachsene und 16 Kinder, die vom DRK und den Johannitern versorgt wurden", erklärt Müller-Ulrich. Spundwände zur Absicherung Einen Aufschub für die Entschärfung der gefundenen Bomben lässt das Gesetz nicht zu. Einmal freigelegt, muss unmittelbar der Einsatz der Kampfmittelräumer beginnen. Während die Stadt die Evakuierung organisierte, wurden an der Ecke Silcherstraße/Prinzenwinkel das Umfeld der Bomben vorbereitet. "Wir haben die Löcher mit Aluringen ausgekleidet, ähnlich Spundwänden beim Bau", erklärt Kampfmittelräumer Karl-Heinz Clemens. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass keine Erde nachrutscht und das Loch einstürzt. Mit der Leiter stiegen die Experten dann zu den beiden Sprengbomben. Die 250-Kilo-Bomben wurden vermutlich von den Alliierten beim Angriff auf die Weserhütte am Karfreitag 1945 abgeworfen und beim Aufprall nicht gezündet. Alle vier Zünder der beiden Blindgänger waren noch intakt und wurden entschärft. "Eine solche Entschärfung ist immer eine Herausforderung", sagt Clemens. Weil man nie wisse, was einen erwarte. "Man muss immer mit dem Außergergewöhnlichen rechnen." Letztlich aber war der Einsatz Tagesgeschäft. "Alles ist überraschend gut gelaufen." Mit Bullis gingen die Bomben noch in der Nacht ins Zwischenlager, bevor sie in den nächsten Wochen im Endlager aufgeschnitten und der Sprengstoff entsorgt wird. "Danach kehren sie vielleicht als Kochtopf zurück", sagt Kampfmittelräumer Horst Schöwe, während im Hintergrund die Löcher bereit wieder verfüllt und die restlichen Sachen eingepackt wurden. Nur noch das rot-weiße Flatterband "Kampfmittelbeseitigung" erinnert noch an die beiden Blindgänger.

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