Bad Oeynhausener Autorin schreibt in neuem Buch über ihre Familiengeheimnisse

Bad Oeynhausen. Die Geschichte der eigenen Familie aufzuschreiben, erfordert oftmals Mut. Mit jedem neuen Buch mehr. Denn je jünger die Erinnerungen in den Büchern, desto mehr Menschen leben noch. Und so wundert es nicht, dass die Autorin Felicitas Fuchs enormes Lampenfieber hat. In der kommenden Woche ist die gebürtige Bad Oeynhausenerin, die vielen unter ihrem anderen Pseudonym Carla Berling aus den Buchhandlungen bekannt ist, zur Premierenlesung von "Hanne" in der Kurstadt. Band zwei der Mütter-Trilogie hat es ebenso in sich, wie der erste Teil "Minna". Es geht um Familiengeheimnisse, um die schweigende Generation, um Tuberkulose und natürlich um die Geflechte innerhalb der Familien. Drei Frauen. Minna, Hanne und Romy. Drei Generationen. Und eine Lüge, die drei Leben für immer verändert. Als sich Carla Berling auf die Spuren der eigenen Familie begab, wollte sie in erster Linie für sich selbst und für Söhne und Enkeltochter die Geschichte aufschreiben. Nichtsahnend, welche Geheimnisse ans Tageslicht kommen. "Ich habe 2017 etwas erfahren, was sehr, sehr dramatisch für mich war", sagt sie. Berling wollte verstehen. Wollte wissen, warum alle reagierten, wie sie reagierten, warum die Menschen um sie herum so geworden waren, wie sie sind. "Band eins und zwei meiner Mütter-Trilogie sind die Erklärung für alles, was in Band drei passiert", sagt sie Augen zwinkernd. "Also unbedingt lesen", fügt sie mit einem Lachen hinzu. Denn erst wer Band drei gelesen habe, finde den ganzen roten Faden. Umfangreicher Familienstoff "Minna" machte im Sommer 2022 den Auftakt. Nun folgt "Hanne", im Juli dieses Jahres folgt "Romy". Drei Bände, die nah am Leben von Carla Berling sind. &bdquo;Wenn dir das Leben so einen Stoff vor die Füße wirft – da musste ich einfach ein Buch drüber schreiben“, bilanziert Berling. Entstanden sind drei Bände einer Familiengeschichte, die überwiegend im Minden der 20er bis 70er Jahre spielen – rund um Oberstadt, Bäckerstraße, Markt, Dom und Martinitreppe. In den 60er Jahren dann folgt der Schwenk in die Kurstadt Bad Oeynhausen. Nach Rehme. Es ist umfangreicher Stoff, den Berling über Oma Minna, Mutter Hanne und sich selbst als Tochter Romy zu Papier gebracht hat. Damit hat sie nicht nur einen Blick in die Vergangenheit geworfen, sondern auch privat vieles aufgearbeitet. Die Erzählungen der Oma, die Erinnerungen an die eigene Kindheit in Minden, die Lebensdaten der Personen, die Historie – all das, so erklärt Carla Berling, sind originalgetreu. &bdquo;Aber die Dialoge habe ich mir ausgedacht, habe fiktive Details hinzugefügt.“ Wie den Erfolg der Oma als Modeschöpferin in Düsseldorf. Oder die Freundschaft mit Fanny und ihrer Familie. Eine Sinti-und-Roma-Familie, die des Nachts von den Nazis abgeholt wurde. &bdquo;Ich bin in der Pöttcherstraße auf Recherche gewesen und habe die vielen Stolpersteine gesehen“, erinnert sich Berling. Schnell war klar: &bdquo;Minna und all diese Menschen müssen sich gekannt haben.“ Alles mit der Familie abgesprochen Tiefergehende Recherchen, Gespräche mit ihrer Mutter, die nur ungern über die Vergangenheit sprechen wollte, sowie viele, viele Besuche im Archiv folgten. &bdquo;Es hat Spaß gemacht, auszuerzählen, wie die kleinen Leute damals gelebt haben.“ Und den Spannungsbogen so aufrechtzuerhalten, dass der Leser ahnt, dass es dunkle Geheimnisse in der Familie gibt. Wobei sie auch eines klar stellt: &bdquo;Ich habe das eine oder andere Detail auch weggelassen – aus Schutz der Privatsphäre meiner Mutter.“ Und auch ihre eigene Geschichte wurde aufgehübscht. So absolviert Romy in Band drei eine Hotelausbildung - etwas das Carla Berling nie gemacht hat. "Ich habe alles mit der Familie abgesprochen, einiges abstrahiert und fiktionalisiert." Hanne ist in diesem Buch die Hauptperson. "Hanne erkrankt mit elf Jahren an Lungentuberkulose, das war die Pandemie der 50er Jahre." Zehn Jahre lang muss das Mädchen jedes Jahr für mehrere Monate in die Heilanstalt. "Sie wurde zur Außenseiterin in Minden, weil ihr einfach die Sozialkontakte fehlten", beschreibt Berling. "Ich wusste, dass meine Mutter diese Krankheit hatte - drüber nachgedacht habe ich aber nie", gibt sie. "Die Messe war unsere Disko" Viele "tolle Szenen mit Fanny" sorgen im Buch für Pep, steht die Schaustellerin doch mit einer Raupe auf der Mindener Messe. "Das zu beschreiben hat mir großen Spaß gemacht. Messe war großartig. Das war früher unsere Disko", schwelgt Carla Berling in Erinnerungen. Auch Fanny ist fiktiv, wurde aus den Spuren und Biografien, die Berling zu den Sinti-Familien gefunden hat, zusammengepuzzelt. Kommende Woche werden all diese Figuren lebendig. Denn für ihre Premierenlesung aus "Hanne - Die Leute gucken schon" hat Carla Berling für die Zuhörer in der Rehmer Kirche eine 90-minütige Lesung ausgearbeitet. Die wird, so sagt sie, spannend, interessant und unterhaltsam: "Die Leute müssen auch lachen, sollen beschwingt nach Hause gehen - und am besten das Buch kaufen", sagt sie lachend. Zwischen den einzelnen Sequenzen aus dem Buch, unterhält Carla Berling mit Anekdoten rund um die Bücher. So wird sie auch erklären, warum sie für die Trilogie ein neues Pseudonym - Felicitas Fuchs - wählen musste. "Ich habe wahnsinniges Lampenfieber", gibt sie zu. "Weil die Geschichte einfach viel näher an mir dran ist." Die Mütter-Trilogie ist bisher das erfolgreichste Werk von Carla Berling. Während sie von der Veröffentlichung ihrer Oeynhausen-Krimis um Ira Wittekind nicht leben konnte und einen Nebenjob brauchte, kam mit der Komödie "Der Alte muss weg" der Durchbruch. "Nur 0,08 Prozent der Autoren können von ihrer Arbeit leben - und im Moment kann ich das", freut sie sich. Auch, weil der Heyne Verlag mit der Mütter-Trilogie einen ganz anderen Werbeweg einschlug. Und Carla Berling mit ihrem historischen Familienroman mitten in eine Begeisterung bei den Leserinnen für eben dieses Genre stieß. "Anfangs dachte ich, ich habe etwas ganz Besonderes geschrieben", gibt sie schmunzelnd zu. Nur um dann festzustellen, dass sich genau diese historischen Romane derzeit in den Buchhandlungen stapeln. Ein Genre, das gefragt ist. Und wovon auch Carla Berling als Felicitas Fuchs profitiert. "Ich habe das Gefühl, dass gerade alle älteren Autoren ihre Familiengeschichte aufschreiben." Für Berling nicht unwichtig: "Wir sind die letzte Generation, die noch mit Zeitzeugen aufgewachsen ist." Deshalb sei es wichtig, alles aufzuschreiben. Die Traumata der Kriegsgeneration "Wir und unsere Eltern sind mit Traumata aufgewachsen - vor uns gab es die schweigende Generation. Von der es immer ein Nein ohne Erklärung gab." Doch warum sie so? Warum konnten die Kriegskinder nicht sprechen? Warum kommt vieles erst mit Verspätung ans Tageslicht? "Damals konnte man keinem Menschen trauen - auch den eigenen Eltern nicht. Weil niemand wusste, wer wie in das Naziregime verstrickt war." Also sei geschwiegen worden. "Hanne" ist frisch in den Buchhandlungen erhältlich. Wer für die ausverkaufte Lesung in der Rehmer Kirche keine Karten bekommen hat, hat Pfingstmontag im Schloss Ovelgönne eine weitere Chance. "Außerdem bin ich ab März auf Lesereise und im September im Alten Wartesaal in Löhne zu Gast." Danach müssen die Leserinnen bis 2025 warten. Dann erst kommt der nächste historische Stoff von Felicitas Fuchs. Denn derzeit arbeitet Carla Berling an einer neuen Komödie - für 2024. Felicitas Fuchs &bdquo;Hanne – die Leute gucken schon“, Mütter-Trilogie Teil 2, Heyne Verlag, 15 Euro.

Meistgelesen