Reifenstecherei in Bad Oeynhausen: Viele Autobesitzer wissen nichts vom Schaden

Bad Oeynhausen. Das Knöllchen hinterm Scheibenwischer ist gar keins. Der 81-jährige Autofahrer aus Bad Oeynhausen ist fast schon erleichtert. Man darf doch in der Moltkestraße parken, sofern man einen Parkplatz findet. Der Zettel in der Plastiktüte an seinem Mercedes entpuppt sich aber als Nachricht von der Polizei. Darauf steht: Ein Reifen ist zerstochen. Er möge sich bitte bei der Kripo melden. Das Aktenzeichen steht gleich oben drüber. Statt 20 Euro Bußgeld muss der alte Herr jetzt vermutlich deutlich höhere Reparaturkosten berappen. Eigentlich wollte der 81-Jährige am Freitag nur kurz zum Einkaufen fahren. Stattdessen ruft er den ADAC um Hilfe. Einen Tag zuvor, am Donnerstag, haben offenbar mehrere Männer die Reifen zahlreicher parkender Autos in der Innenstadt zerstochen. Die Reifenstecher waren am helllichten Tage von der Königstraße über die Bismarck- und Moltkestraße bis zur Bahnhofstraße unterwegs. Wenige Schritte vom Amtsgericht entfernt stachen sie mindestens fünfmal zu. Neben dem Mercedes des alten Herrn wurden allein in der Moltkestraße ein BMW-SUV, ein Opel Kadett und ein Toyota Hybrid-SUV beschädigt. Die Fahrzeuge hatten am Freitag allesamt eine Nachricht unterm Scheibenwischer. Betroffen sind auch zahlreiche Autofahrer, die ihre Autos nicht im Mühlenkreis angemeldet haben. Womöglich sind die Fahrer nur zu Besuch in der Kurstadt und wissen noch gar nichts von dem Schaden. Die ersten Anrufe von empörten Autobesitzern bekam die Polizei nach Auskunft der Pressestelle am Donnerstag um 14.09 Uhr. Es blieb aber nicht bei einem Anruf. Nach Angaben der Polizei waren über die Innenstadt verteilt an 16 Autos die Reifen zerstochen worden. Mal war nur das Vorderrad betroffen, mal sogar Vorder- und Hinterrad. Noch am Nachmittag schickte die Leitstelle deshalb mehrere Streifenwagen in die Innenstadt, um nach den Übeltätern zu suchen. Zeugen haben die Reifenstecher offenbar dabei beobachtet, wie sie zustachen. Sie beschrieben eine Gruppe von jungen Männern. Verdächtige verbringen die Nacht in der Zelle Die Fahndung war erfolgreich. Noch am Abend erkannten Polizisten drei junge Männer als mögliche Tatverdächtige. Die Personenbeschreibung passte und weitere Ermittlungen machten die Männer dringend tatverdächtig. Die Polizisten nahmen die Drei vorläufig fest. Sie mussten die Nacht zu Freitag im Polizeigewahrsam in Minden verbringen. Eine Tatwaffe fanden die Beamten nicht. Nach Auskunft eines Polizeisprechers sind die drei Männer zwischen 20 und 23 Jahren der Polizei bislang nicht unangenehm aufgefallen. Die Tatverdächtigen sind offenbar miteinander befreundet. Zu den Hintergründen und einem möglichen Motiv ist nichts bekannt. Einen politischen Hintergrund der Reifenstecherei, zum Beispiel aus Protest für den Klimaschutz, schließt die Polizei aus. Die Kripo hat am Freitag mit den Ermittlungen begonnen. Eine Tatwaffe fanden die Beamten nicht. Die Einstichstelle am Mercedesreifen des 81-Jährigen ist so breit wie der Daumen des Kfz-Mechanikers. Kann man das Loch reparieren? Carsten Vogt vom ADAC schüttelt den Kopf. Der Löhner tauscht für den 81-jährigen Bad Oeynhausener den kaputten Reifen. "Löcher in der Flanke eines Autoreifens sind ganz schlecht zu flicken", sagt er. Auf der Lauffläche des Reifens dagegen sei das einfacher. Dafür gibt es Plastikstopfen. Vogt könnte so ein Loch behelfsweise reparieren. Die Stopfen dazu hat er immer mit an Bord. Und ja, das hat er auch schon öfters gemacht. Er arbeitet seit 27 Jahren für den ADAC, da flickt man schon den einen oder anderen Reifen. Der Einsatz am Freitag in Bad Oeynhausen ist für den Löhner aber der erste in dieser Angelegenheit. Und er staunt nicht schlecht, als er hört, dass gleich 16 Autos auf einen Schlag betroffen sind. Auch bei Reifen Langner hat sich am Freitagnachmittag noch kein Kunde gemeldet, der Ersatz für seine Pneus benötigt. "Wir haben heute zwar fünf Reifen-Reparaturen gehabt", sagt Geschäftsführer Christoph Klemme. "Das waren aber alles Löcher in den Laufflächen." Löcher in der Flanke könne man dagegen nicht flicken. Schon gar nicht, wenn sie so breit wie ein Messereinstich sind. Bis sechs Millimeter maximal könne eine Reparatur gelingen. "Aber da kann man nichts machen." Klemme muss es wissen. Er ist Vulkaniseurmeister und kennt sich bestens aus mit Gummimischungen und ihren Reparaturmöglichkeiten. Ein Reifen zerstört - Kosten für zwei neue Dass gleich 16 Autos in einem überschaubaren Gebiet die Reifen zerstochen werden, ist auch für den Vulkaniseurmeister neu. "Ein Stich in der Reifenflanke kommt schon mal vor", sagt Klemme. Aber nicht bei so vielen Autos und nicht in der Innenstadt. Er rät den betroffenen Autobesitzern, das Auto so wenig wie möglich zu bewegen. Einzige Alternative zum Abschleppen ist das Aufbocken und die Montage von Sommerreifen. So könnten drei, vier Tage überbrückt werden, bis die neuen Reifen lieferbar sind. Lieferschwierigkeiten für Autoreifen gebe es derzeit aber nicht, so Klemme. "Davon gibt's genügend." Bei den Kosten für die neuen Reifen gibt es fast keine Grenzen nach oben. Das hänge von der Automarke, aber auch von der Reifenmarke ab. "Die Reifen gibt es auch einzeln zu kaufen", sagt Klemme. Allerdings rät der Fachmann allen Betroffenen, nicht nur Ersatz für den platten Reifen zu kaufen, sondern die Reifen paarweise zu wechseln. Das rät auch Carsten Vogt vom ADAC. Die Polizei Minden-Lübbecke nimmt Hinweise zum Tathergang unter Tel. 0571 88660 entgegen.

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