Nach Osterfeuer-Schlägerei: Hat die Polizei den Falschen verhaftet?

Bad Oeynhausen. Als die Polizei zum zweiten Mal an diesem Abend im April zu einer Massenschlägerei am Werster Osterfeuer gerufen wird, sehen die Beamten einen Mann mit erhobenen Fäusten auf eine Gruppe Jugendlicher losgehen. Sie greifen sofort ein und überwältigen den betrunkenen mutmaßlichen Aggressor. Der 28-jährige Mann aus Petershagen wehrt sich gegen die Festnahme. Und genau das wirft ihm die Staatsanwaltschaft Bielefeld vor. Der 28-jährige muss sich deshalb vor Gericht verantworten. Ihm droht womöglich eine Freiheitsstrafe. Wie sich am Donnerstag bei der Fortsetzung des Prozesses herausstellt, war der Angeklagte womöglich weder Ausgangspunkt der Massenschlägerei, noch wollte er auf die Gruppe Jugendlicher losgehen. Er hat sich offenbar lediglich aus dem Klammergriff einer Bekannten gelöst, die ihn vom Getümmel fernhalten wollte. Für die gerade eintreffenden Polizisten sah es aber so aus, als wollte er auf die Jugendlichen losstürmen. Die beteiligten Polizisten können sich vor Gericht zum Erstaunen des Verteidigers bloß an wenige Details des Einsatzes erinnern. Zwei Begleiterinnen des Angeklagten dagegen schildern dem Gericht ausführlich zahlreiche Einzelheiten. Der Angeklagte wurde offenbar von hinten überwältigt und konnte zunächst nicht erkennen, wer ihn zu Boden riss. Das bestätigen mehrere Polizisten. Allerdings sagt ein Polizeibeamter auf Nachfrage des Richters über den Angeklagten: "Er machte den Eindruck, als ob er Stress suchte." Der Angeklagte habe sich nicht beruhigen lassen und sei ins Gewahrsam genommen worden. Auf die Frage, ob der Angeklagte überhaupt erkennen konnte, wer ihn da überwältigte, erklärt der Beamte: "Das wage ich zu bezweifeln." Auch der Polizeibeamte, der ihn damals zu Boden riss, hat das bereits ähnlich geschildert. "Wir gehen jetzt!" Durch die Zeugenaussagen zweier Frauen, die mit dem Angeklagten zum Osterfeuer kamen, ergibt sich ein vollständigeres Bild. Eine der Frauen ist die Freundin des Angeklagten, die andere ist die Freundin vom Bruder der Freundin des Angeklagten. Diese zweite Zeugin, eine 34-jährige, durchsetzungsstarke Frau, griff sich den Angeklagten im Getümmel und zog ihn vom Festplatz. "Wir gehen jetzt", sagte sie nach eigener Darstellung zum Angeklagten, den sich bei privaten Feiern auch schon als "Tagesvollsten" erlebt hat. Sie betont: An diesem Abend sei er zwar betrunken, aber noch ansprechbar gewesen. Sie packte ihn am Arm und zog ihn vom Platz. An der Straße stand bereits eine Gruppe Jugendlicher. Just in dem Moment, als der 28-jährige Angeklagte versuchte, sich aus dem Klammergriff zu befreien, traf die Polizei am Festplatz ein. Für die Beamten sah es so aus, als würde der Betrunkene die Fäuste gegen diese Gruppe Jugendlicher erheben. Hat die Polizei den Falschen verhaftet? Beide Frauen schildern, dass auf dem Volksfest "so ein Typ" herumgelaufen sei, "der Ärger wollte". Dieser unbekannte Mann war demnach der Auslöser der Massenschlägerei, in die zahlreiche Umstehende verwickelt wurden. Die Feuerwehr habe den Mann festgehalten und den Angeklagten vom Platz geschickt. Die 34-jährige Frau behielt offenbar den Überblick. Sie führte den Angeklagten weg, obwohl der zurück zu seiner Freundin wollte, die offenbar bloß wenige Momente nach ihm das Gelände verließ. Diese 27-jährige Freundin des Angeklagten musste dann mitansehen, wie Polizisten auf ihrem Freund knieten, er sich dagegen wehrte und die Beamten ihm Handschellen anlegten. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft beziehen sich auf den Moment der Festnahme: Der Angeklagte wehrte sich dagegen und gegen die Fesselung. Angeblich spuckte er auch in Richtung der Beamten, was der Angeklagte bestreitet. Er habe nur Dreck ausgespuckt, weil sein Gesicht auf den Boden gepresst wurde. Später soll er laut Staatsanwaltschaft im Streifenwagen, einem Ford, auf dem Weg ins Gewahrsam versucht haben, einen Polizisten zu treten und mit dem Kopf zu stoßen. Aus Sicht des Staatsanwalts ist das ein tätlicher Angriff. Dieser Vorwurf wiegt schwer. Zu den Ereignissen im Streifenwagen schweigt der Angeklagte bisher. Die Polizistin hat das Martinshorn eingeschaltet Die 24-jährige Polizistin, die den Streifenwagen fuhr, hat den versuchten Kopfstoß auf der Rückbank nicht mitbekommen, sondern erst später von ihrem Kollegen davon erfahren. "Ich habe nur ab und zu nach hinten gesehen", sagt sie auf Nachfragen des Richters. Der Angeklagte sei mit auf dem Rücken gefesselten Händen hinterm Beifahrersitz platziert worden. Der Sitz sei absichtlich nach hinten gerückt worden, um ihm möglichst wenig Spielraum zu lassen, damit er weder sich noch Polizisten verletzt. Auf der Fahrt ins Gewahrsam nach Minden habe der Angeklagte dann über Schmerzen an den Handfesseln geklagt, vor allem wenn das Auto bremste, schildert die Polizistin. Als der Angeklagte zu treten begann, habe ihr Kollege ihn gegen das Fenster gedrückt. "Ist alles okay?", habe sie mehrfach nach hinten gefragt und der Kollege habe erwidert: "Ich habe ihn im Griff." Der Verteidiger will von der Polizistin wissen, warum der Kollege nicht die Handfesseln des Angeklagten gelockert hat. "Das weiß ich nicht", sagt die Polizistin. Und warum ist sie als Fahrerin angesichts der relativ unangenehmen Situation nicht auf die Idee gekommen anzuhalten, will der Verteidiger wissen. "Doch", sagt die Polizistin: "Aber ich verlasse mich auf meinen Kollegen." Sie habe Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet, um möglichst schnell zum Ziel zu kommen. Der Prozess soll am Montag, 12. September, fortgesetzt werden. Dann wird auch ein Urteil erwartet.

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