Das Jahr nach dem Brexit war für diesen Spediteur "nervig und teuer"

Bad Oeynhausen. Hoffnung ist doch das vornehmste Gefühl vor dem Weihnachtsfest. Das auch Horst Kottmeyer bewegte. "Dies wird ein schönes Weihnachten", sagte sich der Bad Oeynhausener Logistik-Unternehmer. Schöner jedenfalls als das im Vorjahr. Denn 2020 standen 30 seiner Fahrer mit ihren Lastwagen an Heiligabend noch auf der britischen Insel, verbrachten die Festtage in ihren Fahrzeugen auf Parkplätzen oder am Straßenrand.Die Bilder der schier unendlichen Lkw-Schlangen vor dem Eurotunnel gingen um die Welt und zeigten die Folgen des unheiligen Zusammenspiels von Corona und Brexit. "In diesem Jahr musste keiner unserer Fahrer Weihnachten in England verbringen", berichtet Kottmeyer. Auch das ist wohl ein Zeichen dafür, dass sich in der Branche die Lage normalisiert hat. Doch das Jahr 1 nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU war für die Spedition durchaus herausfordernd. Ein "interessantes Jahr" sei das gewesen, lautet das britisch zurückhaltende Urteil von Kevin Phillips, der bei Kottmeyer für die Transporte auf die Insel verantwortlich ist. Horst Kottmeyers Begrifflichkeit ist ein wenig drastischer. "Das war nervig und teuer", sagt der Unternehmer. Das England-Geschäft ist für Kottmeyer ein wichtiger Baustein. 15 bis 20 Lastwagen schickt Kottmeyer täglich auf die Insel. Sie bringen Automobilteile nach England, Fensterprofile, Ersatzteile für Küchengeräte und andere Industriegüter. Vor allem die neuen Zollformalitäten sorgen dabei für enormen Aufwand, denn Großbritannien ist nun kein EU-Land mehr, sondern Drittstaat. Entsprechend aufwendig ist die Bürokratie für Ausfuhr und Einfuhr von Waren und Gütern geworden.Seit dem Brexit dauert eine England-Tour einen Tag länger Für die erste England-Tour des Jahres 2021 mussten 466 Seiten Formulare für den Zoll ausgefüllt werden. Die Kottmeyer vorsichtshalber ausdruckte und dem Fahrer mit auf den Weg gab. "Wir wussten nicht, ob das digitalisiert wirklich klappt", berichtet Kottmeyer. Doch das Ausdrucken konnte der Spediteur schnell einstellen. Ja, die Zollabwicklung funktioniert inzwischen voll digitalisiert. "Allerdings haben wir festgestellt, dass die Briten darauf nicht so gut vorbereitet waren wie wir", sagt Phillips. Seit dem Brexit dauere eine England-Tour für einen Kottmeyer-Lkw einen Tag länger. Auch der bürokratische Aufwand kostet Zeit - und Geld. "Wir haben nun eigens einen Mitarbeiter damit beschäftigt, sich um die Zollabwicklung im Englandverkehr zu kümmern", berichtet Horst Kottmeyer. Dazu kommen noch die Zollgebühren. Das alles habe die Transporte auf die Insel merklich verteuert. "Und das mussten wir unseren Kunden klar machen", berichtet Kottmeyer. Die hätten auf dem Standpunkt gestanden: Erst mal sehen, was das wirklich zusätzlich kostet. "Und wir wussten ja tatsächlich anfangs selbst nicht genau, wie groß der Aufwand wird", räumt Kottmeyer ein. "England war für Speditionen immer tricky. Nicht nur, weil die Fahrer auf der anderen Straßenseite fahren mussten", sagt der Unternehmer. "Nun aber ist England ein Markt für Spezialisten geworden."Denn etliche Speditionen, für die der Transportverkehr auf die Insel nur eine kleinere Rolle spielte, hätten sich angesichts der komplexen Zollabwicklung ganz aus diesem Geschäft zurückgezogen. Was für Kottmeyer auch einen Vorteil bedeutet. "Wir finden leichter Fracht, die wir auf dem Rückweg laden können, damit wir nicht leer fahren müssen", sagt Phillips. Andererseits fallen andere Rückfrachten seit dem Brexit ganz aus. "Wir haben früher häufig Stroh aus England nach Holland gefahren", berichtet Kottmeyer. Das allerdings sei ein Transport, der sich nicht mehr lohne, "wenn bei einem Frachtwert von 4.000 Euro der Transport 600 Euro teurer wird", so Kottmeyer."Es hat sich kein Fahrer gemeldet, dass er Hunger leidet" Massive Auswirkungen hatte der Ausstieg aus der EU auch für das Transportwesen in Großbritannien selbst. Die leeren Regale in den Supermärkten und die langen Schlangen vor den Tankstellen waren Folgen eines plötzlich stark verschärften Mangels an Lkw-Fahrern auf der Insel. "Vor allem viele Fahrer aus Polen haben das Land verlassen", weiß Kottmeyer. Drei dieser Fahrer gehören inzwischen zu den 300 Lastwagenfahrern, die Kottmeyer beschäftigt. Unter den Versorgungsengpässen in Großbritannien hätten seine Fahrer aber persönlich bei ihren Touren auf die Insel nicht leiden müssen, versichert Horst Kottmeyer. "Es hat sich keiner unserer Fahrer gemeldet, dass er Hunger leidet", sagt der Unternehmer. "Die sind gut ausgestattet und wissen auch, wo es was zu futtern gibt." Das Problem des Personalmangels im Transportwesen sei aber kein britisches. "Das haben alle Staaten, wir auch. Nur hat es der Brexit in Großbritannien beschleunigt. Bei uns ist das eher ein schleichender Prozess", sagt Kottmeyer. Sein Unternehmen komme gerade noch klar mit dem Mitarbeiterstand. "Der Beruf ist anspruchsvoll, mit langen Abwesenheiten und unregelmäßigen Arbeitszeiten", nennt Kottmeyer Gründe dafür, dass sich nur schwer Nachwuchs findet. "Dafür werden die Fahrer auch nicht zu gut bezahlt", räumt der Unternehmer ein. "Deshalb erklären wir unseren Kunden, dass sie höhere Preise akzeptieren müssen, wenn sie auf eine dauerhafte Sicherung der Versorgung Wert legen. Damit wir höhere Löhne zahlen können", so Kottmeyer. Aber die Bezahlung sei auch nicht alles. So setze sein Unternehmen auch darauf, den Fahrern möglichst moderne, komfortable und mit allen Sicherheitssystemen ausgestattete Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. 15 Monate Wartezeit auf einen neuen Brummi Doch auch das ist - ganz unabhängig vom Brexit - derzeit nicht leicht. Kottmeyer ordert jedes Jahr zwischen 20 und 30 neue Brummis für seinen Fuhrpark. "Sechs Fahrzeuge, die im vergangenen Jahr geliefert werden sollten, kommen nun voraussichtlich erst im März", berichtet Kottmeyer. Die in diesem Jahr bestellten Wagen sind erst fürs vierte Quartal zur Auslieferung angekündigt. "Und man hat uns dringend geraten, schon jetzt die Fahrzeuge für 2023 zu bestellen", berichtet der Spediteur. "Vor zwei Jahren hatten wir zehn bis zwölf Wochen Vorlauf, um einen neuen Lkw zu bekommen. Heute sind es 15 Monate."

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