Geschichten aus der Dunkelkammer im Haus der Jugend

Bad Oeynhausen. Ausgerechnet der Camera Club Oeynhausen (CCO) hat keine Fotos von seiner Zeit im Haus der Jugend. Die anspruchsvollen Amateurfotografen der Kurstadt trafen sich zwar jahrelang in den Räumen des ehemaligen Hitlerjugendheims, entwickelten dort auch ihre analogen Schwarz-Weiß-Filme und diskutierten die Fotomotive auf Papierabzügen in großer Runde. Das eigene Domizil jedoch fotografierten sie nicht. Die meisten Fotos vom CCO im Haus der Jugend haben wohl die Zeitungsreporter gemacht, die über die Treffen des CCO berichteten. Der 85-jährige Amateurfotograf Dieter Noack erinnert sich aber noch gut, wie er zum ersten Mal den "feuchten, fensterlosen und muffigen Raum" im Keller betrat. Dort waren Bodenplatten aus Holz ausgelegt. Mit der Zeit sammelte sich darin aber die Feuchtigkeit. Es ist also erstaunlich, dass Noack, nachdem er 1967 zum ersten Mal die Nase in die Dunkelkammer gesteckt hatte, nicht sofort wieder rückwärts rausgegangen ist. Der gebürtige Berliner war jedoch gekommen, um zu bleiben. Noack stammt aus einer fotobegeisterten Familie, die aus Berlin ins Münsterland umzog. Beruflich zog es Noack erst ins Ruhrgebiet nach Essen und 1967 dann nach Bad Oeynhausen, wo er natürlich sofort Kontakt zum Camera Club suchte. Experimente mit Farbfotos Heute ist Dieter Noack, Jahrgang 1936, vermutlich das älteste Mitglied des CCO und immer noch ein ambitionierter Amateurfotograf, auch wenn er nicht mehr ganz so viel mit der Kamera unterwegs ist wie früher. Der CCO veranstaltete eigene Foto-Reisen nach Sizilien und in die Toskana. Extra zur Reichstagsverhüllung des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude reiste Noack 1995 nach Berlin. Dazu hat er ein eigenes Album entworfen. Seine Wohnung in der Bad Oeynhausener Südstadt hängt voller Fotos. Einige davon hat er tatsächlich im Fotolabor des Hauses der Jugend entwickelt. Als der Farbfilm erschwinglich wurde, haben die Vereinsmitglieder auch mit Großabzügen in ihrem Labor experimentiert und projizierten von einer Wand an die nächste, um den Platz maximal zu nutzen. Der CCO hatte seit Freitag, 1. Juli 1966, seine eigene Dunkelkammer im Keller. Zuvor traf sich der Club im Rathaus-Nebengebäude. Erst Ende 1983 zog der Verein wieder aus dem Jugendheim aus, um in der Stadtsparkasse Bad Oeynhausen einen neuen Clubraum zu beziehen. Heute hat der Verein in der Klinik Porta Westfalica eine ständige Ausstellung. 17 Jahre aber war der CCO im Haus der Jugend. Der Auszug aus dem Keller bedeutete dann auch das Aus fürs Fotolabor. Noack selbst hat nur wenig Zeit in der muffigen Kammer verbracht. "Ich habe mein eigenes Labor", sagt er. Wenn Noack wollte, könnte er noch heute zuhause Filme entwickeln und Abzüge machen. Aber das macht er natürlich nicht. Die Zeit der analogen Fotografie ist vorbei. Statt im Labor verbringt Noack seine Zeit jetzt am Computer und macht im Hellen das, was früher nur in der Dunkelkammer möglich war: Fotopositive bearbeiten. Gefürchtete Kritik Diese Arbeit war früher schon ein stilles Hobby und eine ziemlich einsame Tätigkeit auf engem Raum. Der Clubraum nebenan war auch nicht viel größer als die Dunkelkammer. Beide Räume waren nur durch eine schmale Öffnung mit einem Vorhang getrennt. Wenn alle Vereinsmitglieder zusammen kamen, saßen anfangs zehn, später bis 20 Fotografen um einen Tisch mit lauter Fotos und bewerteten ihre Bilder gegenseitig. Das Wort führte meist Bodo Reckstadt, erzählt Noack. Die Kritik des CCO-Gründers war gefürchtet. Noack: "Er hat kein Blatt vor den Mund genommen." Noch an Ort und Stelle wurden die Papierabzüge nach den Anweisungen von Reckstadt beschnitten. "Jetzt ist es ein Bild", soll Reckstadt gesagt haben, wenn links und rechts, oben und unten die Schnipsel fielen und sein Bild fertig war. "Manchmal war nicht mehr viel übrig", sagt Noack und schmunzelt. Seine Fotos kamen zwar nicht ungeschoren davon. Meist aber war Reckstadt mit der Bildästhetik des Neumitglieds zufrieden. Die harte Schule zahlte sich aus. Noack hat zahlreiche Amateurfotopreise für seine Fotos bekommen. Nach Reckstadts Tod 2016 übernahm Noack das Vereinsarchiv. 1974 zog der Camera Club dann ins Erdgeschoss des Jugendheims und bekam auch im Keller einen größeren Raum. Kurz zuvor hatte Reckstadt öffentlichkeitswirksam einen Aufnahmestopp verhängt. Dem Verein fehlte der Platz für Neumitglieder und die Zeitungsmeldung dazu verschaffte dem Verein die nötige Aufmerksamkeit bei der Stadtverwaltung. Im Keller bekam der Verein dann einen größeren Raum und stellte gleich vier Vergrößerungsgeräte für Fotoabzüge auf. Der Clubraum durfte ins Erdgeschoss ziehen. Dort teilten sich die Fotografen den Raum mit dem Männerturnverein (MTV) Bad Oeynhausen. Es ist der gleiche Raum, in dem laut Hausmeistersohn Fritz Kruse 1946 noch der Stadtrat des besetzten Bad Oeynhausen getagt hatte und in dem die Mädchen der Luisenschule unterrichtet wurden. Inszerierung fürs Fernsehen Durch die Berichte über den Aufnahmestopp wurde offenbar auch der WDR auf den Camera Club aufmerksam und schickte ein Fernsehteam ins Haus der Jugend. Noack hat den Bericht der Sendung "Hier und Heute" mit der Super-8-Kamera ohne Ton abgefilmt und inzwischen auch digitalisiert. Darauf ist er selbst zu sehen, wie er vor der laufenden Fernsehkamera ein Porträtfoto von der Tochter des damaligen Hausmeisters des Jugendheims macht und ihr eine Strähne aus dem Gesicht streicht. Die junge Frau schaut genervt an die Decke. Noack lacht, als er sich das noch einmal anschaut und sagt: "Das ist einstudiert, extra fürs Fernsehen."

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