Einzelhandel in Coronazeiten: Einkaufsbummel mit Termin

Bad Oeynhausen. Shoppen ja, aber immer mit Blick auf die Uhr. Gut eine halbe Stunde geben die meisten Einzelhändler ihren Kunden Zeit, im Ladenlokal zu stöbern. Nach vielen Wochen des Stillstands ein Lichtblick in Coronazeiten. Aber das sogenannte "Click & Meet", das bei einer landesweiten Inzidenz unter 100 möglich ist, bringt auch Probleme mit sich. Die sind vor allem organisatorischer Art. Werre-Park Torben Schultz ist ein wahrer Rechenkünstler geworden. Personen pro Quadratmeter kann der Manager des Werre-Parks nach dem Lockdown im Schlaf berechnen: "In der Ladenstraße ein Besucher pro 20 Quadratmeter, in den Geschäften mit Termin einer pro 40 und bei den geöffneten Grundversorgern auf den ersten 800 Quadratmetern ein Kunde pro zehn Quadratmetern." Da den Überblick zu behalten, ist nicht einfach. Und so war Montagabend noch gar nicht genau klar, wie viele Besucher überhaupt gleichzeitig eingelassen werden dürfen. Zumal sich die Zahl täglich ändere - je nach Anzahl der Geschäfte, die mitmachen. "Aktuell sind 28 unserer 80 Geschäfte bei Click & Meet dabei - Tendenz steigend", sagt er. Alle Eingänge sind wieder geöffnet und die Besucherfrequenz wird gezählt. Trotzdem ist Torben Schultz froh über die ersten Lockerungen beim Einkaufen. "Das ist ein Hoffnungsschimmer", sagt er. Eine gewisse Perspektive für den Einzelhandel. "Wir nehmen das Angebot dankend an - aber wir haben immer klar gemacht, dass Terminshopping keine Alternative zum Einkaufen ist", betont Schultz, der hofft, dass es keine Notbremse durch steigende Inzidenzen geben wird. "Das wäre das Schlimmste. Dann hätten wir einen Jojo-Effekt und gar niemand blickte mehr durch." Deshalb wünscht sich Schultz auch eines: "Dass die Politik endlich den Pragmatismus an den Tag legt, den die Einzelhändler gezeigt haben. Sie haben von Freitagabend bis Montagmorgen das Einkaufen mit Termin umgesetzt." Uhren Kaase Einfacher wird es nicht. Das zumindest ist das Fazit, das Anke Kaase-Horst nach den neuen Coronabeschlüssen zieht. Die Inhaberin des gleichnamigen Uhren- und Schmuckgeschäftes in Rehme braucht mehr Personal als in den vergangenen Wochen - mehr Umsatz bringt das aber vermutlich nicht. "Wir gehörten während des Lockdowns zum Handwerk und hatten den Werkstattbereich durchgängig geöffnet", sagt Anke Kaase-Horst. Weil aber der Verkaufsbereich geschlossen war, mussten Kunden ihre Reparaturen an der Tür abgeben. "Dafür reichte eine Mitarbeiterin." Jetzt kommt das Shoppen mit Termin hinzu: Und das braucht eine weitere Mitarbeiterin. Wie das zu koordinieren sein wird - Anke Kaase-Horst tüftelt noch am System. Kompliziert nennt sie das neue Verfahren: "Es ist schwierig, alles zu terminieren. Ich weiß ja nie, wie viele Reparaturen aktuell reinkommen." Dass die Kunden schon in den Startlöchern stehen, hat Kaase-Horst bereits Montagmorgen gemerkt. Um 9 Uhr standen die ersten Kaufwilligen vor der Tür. "Wenn ich eine Lücke bei den Terminen habe, werden Kunden, die vorfahren, natürlich bedient." Wurde sonst der Reihe nach bedient, wird es nun zwei Systeme geben müssen. Möglicherweise sogar ein drittes: "Ohrlochstechen ist wohl auch wieder möglich - allerdings nur mit Coronatest." Und mit Termin. Sowie mit weiterem Personal. "Ob sich das alles rechnet, wird sich zeigen", sagt Anke Kaase-Horst. Schuhhaus Stahlsmeier Beim Spaziergang hat Christiane König am Sonntag den grauen Sneaker im Schaufenster des Schuhhauses Stahlsmeier entdeckt und sich gleich in den Freizeitschuh verliebt. "Schuhe muss man vor dem Kauf anprobieren", ist die Wersterin überzeugt und deshalb hat sie sich nun gleich am Montag ins Auto gesetzt und das Geschäft an der Detmolder Straße aufgesucht. Eine vorherige Terminvereinbarung war nicht notwendig. Ralf Stahlsmeier hat seiner neuen Kundin sofort die Tür geöffnet. Sein Geschäft hat über 270 Quadratmeter Verkaufsfläche, bis zu sieben Kunden dürfen sich gleichzeitig im Laden aufhalten. "Diese Zahl werden wir in den nächsten Tagen sicher nicht erreichen", ergänzt Marion Stahlsmeier-Eberle.Und deshalb seien Spontankäufe sicher möglich. Wobei ihre ersten Kunden auf Nummer sicher gegangen sind. Sie haben kurz vor 9 Uhr telefonisch einen Verkaufstermin vereinbart und wurden bereits eine Viertelstunde später (erfolgreich) bedient. Haushaltswaren Kobusch Fast 10.000 Artikel umfasst das Sortiment des Fachgeschäfts. "Das konnten wir nur teilweise im Internet darstellen", sagt Doris Rochow. Immerhin war auf diese Weise in den vergangenen Monaten überhaupt ein Verkauf möglich. Mit dem Ende des Lockdowns kann sie ihrer Kundschaft nun nicht nur wieder das volle Angebot präsentieren, sondern vor allem ihre Beratungskompetenz unter Beweis stellen. "Am Telefon ist man doch eingeschränkt", fasst sie ihre Erfahrungen zusammen. Deshalb hat es sie auch nicht verwundert, dass sie gleich am ersten Tag ausgerechnet zwei Marktroller verkauft hat. Bei den auch als "Hackenporsche" bekannten Einkaufshilfen sind Staumöglichkeiten und Rollverhalten wichtige Kriterien - und die lassen sich zwar fachkundig beschreiben. Am überzeugendsten wirkt jedoch der persönliche Test im Geschäft. "Wir stehen auch kurzfristig bereit", versichert Doris Rochow. Weil sich in ihrem Geschäft sieben Kundinnen gleichzeitig aufhalten dürfen. Biesang Den Akkuschrauber und die Bohrmaschine gibt es für den Handwerker oder die Handwerkerin nun wieder direkt im Laden. Denn auch das Werster Geschäft ist beim Click & Meet dabei. Auch wenn der Organisationsaufwand nicht unerheblich ist. Denn bei Biesang an der Werster Straße treffen gleich drei Einkaufsgruppen aufeinander: "Für Gewerbekunden hatten wir die ganze Zeit geöffnet", erklärt Inhaber Stephan Friehe. Hinzu kommen nun die Kunden, die mit Termin einkaufen wollen. Und weiterhin auch die Kunden, die lediglich telefonisch oder per E-Mail bestellte Ware abholen wollen. "Das bleibt weiterhin möglich", sagt Friehe. Denn nicht alle Kunden wollten für eine einfache Abholung extra ein Kontaktformular ausfüllen. "Das ist für alle die, die den Verkaufsraum betreten, Pflicht." Sorge, dass es eng wird, hat Friehe nicht: "Wir haben eine große Verkaufsfläche, da entzerrt es sich." Auch wenn es logistisch nun einiges mehr zu beachten gibt - Stephan Friehe freut sich über die Teilöffnung. "Ich bin froh, dass wir überhaupt die Chance auf Beratungsgespräche im Laden haben. Das ist auf jeden Fall eine Verbesserung." Nun müsse man schauen, wie sich die Zahlen entwickelten. "Irgendwann haben wir dann hoffentlich wieder Normalzustand." Aktuelle Trend-Mode Normalerweise empfängt Annelie Taake-Ackermann in ihrem Modegeschäft in Volmerdingsen regelmäßig an die 80 Stammkundinnen zur Modenschau. Die fiel sowohl im Herbst als auch nun im Frühling flach. "Normalerweise würde hier noch ein Viertel der Sachen hängen", sagt sie. Somit ist die Einzelhändlerin froh, ab sofort wieder Kundinnen zum Termin-Shopping empfangen zu können. "Ich hatte sogar schon eine Nachricht im Briefkasten mit der Bitte um einen Termin", berichtet Taake-Ackermann. Die ersten Kundinnen haben also gleich am Montagmorgen einkaufen können. "Blusen oder T-Shirts der Herbstkollektion zum halben Preis - die kann man ja immer tragen", ist sie überzeugt. Sämtliche Stammkundinnen hat sie bereits angeschrieben und so über Rabattaktionen, Kollektion und natürlich die Möglichkeit der Terminabsprachen informiert. "Das muss man als Unternehmer anbieten. Anders geht es nicht." Auch wenn man am Ende nicht schauen dürfe, was an Einnahmen da sei: "Ich brauche Platz für die neue Kollektion - auch wenn's beim Preis manchmal wehtut." Juwelier Vaupel "Für uns hat sich kaum etwas verbessert", bedauert Marlies Vaupel. Uhren und Schmuck durften auch während des Lockdowns immer repariert werden. Dazu durfte jeweils ein Kunde das Geschäft betreten - aber erst nach einem Klingeln an der geschlossenen Ladentür. "Das wird so bleiben", weiß Marlies Vaupel, weil nur so sichergestellt werden könne, dass nur eine Person im Laden ist. Ziemlich pessimistisch ist sie auch, was das fast zum Erliegen gekommene Geschäft mit Trauringen angeht. Noch ist unklar, ob es für Paare eine Ausnahmeregel gibt. Und die strengen Desinfektionsvorschriften gelten ja weiterhin.

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