Impfdrängler, Pannen, Wirrwarr – Krisenstab zieht Konsequenzen

Bad Oeynhausen. Der Krisenstab des Mühlenkreises zieht Konsequenzen aus der Impfaffäre um Markus Wagner, Fraktionschef der AfD im Düsseldorfer Landtag und zugleich Geschäftsführer einer Einrichtung für psychisch Kranke in Bad Oeynhausen. Das kündigte Kreisdirektorin und Krisenstabsleiterin Cornelia Schöder am Mittwochabend im Gespräch mit der NW an. Es ist nicht die einzige Panne der Impfkampagne. Schöder räumte Fehler ein, betonte jedoch noch einmal das oberste Ziel: &bdquo;Wir werden logistisch alles möglich machen, um den Impfstoff an den Mann und die Frau zu bringen.“ Kreisverwaltung und Kassenärztliche Vereinigung (KV) sind in die Kritik geraten, weil sich offenbar ganze Einrichtungen auf der Warteliste für einen Impftermin erfolgreich vorgedrängelt haben. Dabei haben immer noch nicht alle Menschen im Mühlenkreis, die in die erste Gruppe der zu Impfenden gehören, einen Impftermin. &bdquo;Mit den Altenheimen sind wir jetzt aber langsam durch“, sagt Schöder am Mittwochabend. Impfstoff war knapp Im Januar und Februar war der Impfstoff knapp und die Situation in den Heimen angesichts von weiteren Corona-Ansteckungen angespannt. Zu diesem Zeitpunkt galt: Einrichtungen der Eingliederungshilfe, also zum Beispiel Wohngruppen behinderter Menschen, werden nicht bevorzugt geimpft. Der knappe Stoff sollte den Alten und Schwächsten, also den besonders verletzlichen Menschen vorbehalten sein. Zwei Heimeinrichtungen haben sich an der Warteliste vorbei gedrängelt: Die evangelische Stiftung Ludwig-Steil-Hof in Espelkamp bekam einen Termin, obwohl die Bewohner nicht zu der besonders verletzlichen Personengruppe zählen. Dabei wurde auch der Vorstand, Pfarrer Stefan Bäumer, mitgeimpft. Er hat das inzwischen öffentlich bedauert. In der Berolina GmbH in Bad Oeynhausen, in der AfD-Fraktionschef Markus Wagner als Geschäftsführer tätig ist, war am Mittwoch, 3. Februar, Erstimpfung. Wagner ließ bei der Gelegenheit außerdem enge Verwandte impfen, darunter seinen 16-jährigen Sohn, der nach NW-Informationen eigentlich im Fußballinternat des FC Bayern in München lebt. Nach Angaben der Krisenstabsleiterin ist der 16-Jährige dem Impfteam als &bdquo;Praktikant“ vorgestellt worden. Ärzte hinterfragten Priorisierung nicht Warum die Impfärzte vor Ort, das sind in der Regel die Hausärzte der jeweiligen Einrichtungen, bei den Impfungen die Priorisierung nicht hinterfragt haben, dazu hat die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe auf Nachfrage keine Antwort. Die KV sieht die Verantwortung beim Kreis. Und der Kreis beruft sich auf eine "Eigenverantwortung" der Heime. Die Pannen bei der Priorisierung entstanden wohl auch durch einen Wechsel der Zuständigkeiten. Nach Angaben von Krisenstabsleiterin Cornelia Schöder lief die Anmeldung zum Impftermin für alle Heime zunächst über ein Internetportal der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Ende Januar, Anfang Februar habe die Kreisverwaltung die Zuständigkeit für die Priorisierungen übernommen. Dabei habe es auch Nachfragen zu einzelnen Heimen gegeben, jedoch keine gezielten Prüfungen. Schöder: "Das ist ein Massengeschäft." Eine dieser Nachfragen kam offenbar direkt aus dem Haus Berolina. Das erklärt Vanessa Pudlo, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Die Berolina GmbH habe Mitte Januar selbst wissen wollen, ob sie auch berechtigt sei, Impfstoff zu bestellen. Die KVWL habe die Anfrage mit Bitte um Prüfung &bdquo;an die Koordinierungseinheit des Impfzentrums“ weitergeleitet. Die Berolina-Verwechselung Dort hat ein Sachbearbeiter des Kreises dann die Berolina GmbH &bdquo;fälschlicherweise als Klinik eingestuft“, so Krisenstabsleiterin Schöder. Der Impfstoff wurde bestellt. Eine Bevorzugung wegen der politischen Tätigkeit des Geschäftsführers schließt Schöder aus: &bdquo;Dem Sachbearbeiter war nicht klar, dass Herr Wagner dahinter steckt.“ Zu diesem Zeitpunkt sei zudem noch unklar gewesen, ob alle Heime in NRW gleich behandelt werden oder ob Unterschiede nach Patientengruppen und Vorerkrankungen gemacht werden. Laut Schöder gab es zu diesem Zeitpunkt widersprüchliche Ansagen vom Landesgesundheitsministerium: &bdquo;Die Erlass-Lage war unklar.“ Auf dem Bad Oeynhausener Wittekindshof wurden diese Unterschiede allerdings gemacht. Nach Angaben von Pressesprecherin Jaqueline Patzer sind im Februar zunächst nur die schwerst- und mehrfachbehinderten Bewohner und ihre Betreuer geimpft worden. Damit wurde in Bad Oeynhausens größter Pflegeeinrichtung nur ein Teil der fast 1.000 Bewohner geimpft. Alle anderen mussten warten. Nachteile für Wartende? Haben besonders verletzliche Menschen durch die Vordrängler Nachteile erlitten? Kristenstabsleiterin Cornelia Schöder sagt: &bdquo;Wir impfen alle, die einen Anspruch haben. Ich sehe keinen, der benachteiligt worden ist.“ Bei den Impfterminen sei die Zahl der Angemeldeten und der zu Impfenden nicht immer passgenau. Impflinge werden krank, überlegen es sich anders. Dann entsteht eine Lücke, Impfstoff bleibt übrig. Erfahrene Ärzte, so Schöder, könnten statt sechs auch sieben Impfungen aus einem Fläschchen ziehen. Im Impfzentrum Hille-Unterlübbe waren am Montag, 22. Februar, sogar drei Fläschchen übrig. 18 freiwillige Feuerwehrleute wurden damit geimpft. &bdquo;Das war nicht klug“, sagt Schöder. Doch die Krisenstabsleiterin hat Verständnis für die Entscheidung. Aufgetaute Fläschchen und aufgezogene Spritzen haben ein Verfallsdatum. &bdquo;Da tickt die Uhr.“ Wartelisten abtelefonieren Um nicht wieder in diese Situation zu kommen, will der Kreis künftig den Impfstoff &bdquo;eher knapper“ bestellen und die Wartelisten aus der gleichen Prioritätsgruppe vorab abtelefonieren. Schöder: &bdquo;Aber nicht jeder Über-80-Jährige ist so mobil. Das ist schwierig.“ Das Wirrwarr um die richtige Reihenfolge ist dagegen offenbar noch immer nicht vollständig geklärt. Mehrere Erlasse des Landesgesundheitsministers haben seitdem Ausnahmen geregelt und Abkürzungen auf der Warteliste ermöglicht. Zum Beispiel für Physiotherapeuten, die in Altenheimen im Einsatz sind. Ab dem 8. März greift dann erneut ein neuer Erlass aus Düsseldorf.

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