Kaffee und warme Decken für die Gestrandeten

Bad Oeynhausen. Guido Schanz ist zu Fuß unterwegs. Auf der Nordumgehung. Mit Decken unterm Arm und Kaffee und Tee in der Hand pilgert er in seiner Johanniter Uniform von Auto zu Auto. Mehrere Hundert sind das an diesem Dienstagmorgen. Denn in und um Bad Oeynhausen herrscht Stillstand. Die nächtliche Vollsperrung der Autobahn 2 zwischen Bad Oeynhausen und Bielefeld sorgt für Rückstau auf Nordumgehung und innerstädtische Straßen. Bis weit in den Nachmittag steht zum Beispiel auf der Dehmer Straße Lastwagen hinter Lastwagen. Die Polizei, die Autobahnmeisterei und Hilfsorganisationen helfen auf den Autobahnen den Liegengebliebenen und leiten nach und nach den Verkehr ab. Seit Montagnachmittag geht auf der Autobahn 2 nichts mehr. Weil Lastwagen im Schnee stecken geblieben waren, musste die A2 in beide Fahrtrichtungen voll gesperrt werden. In Spitzenzeiten staut sich der Verkehr bis zu 70 Kilometer. Noch am Dienstagmorgen sprach die Autobahnpolizei von 20 Kilometern in Richtung Bad Eilsen - in der Gegenrichtung zwischen Herford und Rheda-Wiedenbrück waren es etwa 30 Kilometer Stau. Zu Fuß auf der Nordumgehung Stau, der wiederum für Rückstau auf die Nordumgehung sorgt. "Wir wurden Montagabend von der Autobahnpolizei angefordert", berichtet Guido Schanz, Ortsbeauftragter der Johanniter Unfall-Hilfe und Einsatzleiter. 13 Mitarbeiter der JU sind für den Streckenabschnitt der Nordumgehung eingeteilt. "Vier Trupps, vier Bullis." An jeder Auffahrt einer. Zu Fuß bahnen sich die Hilfskräfte von dort einen Weg über die Autobahn. "Wir haben Kaffee und Tee gebracht, Decken, teilweise auch Benzin oder Diesel", sagt er. In erster Linie Pkw-Fahrer sind dankbar für die Hilfe: "Die Lastwagenfahrer sind ausgestattet, das sind Selbstversorger." Teilweise dicht an dicht stehen die Fahrzeuge auf der neuen A30. "Die größten Probleme machen die Lastwagen, die alles blockieren - sie stehen teilweise quer oder haben sich schlafen gelegt", berichtet Schanz. Solange das der Fall sei, bekäme man die Pkw nicht abgeleitet. "Räumfahrzeuge haben keine Chance, die kommen gar nicht erst durch", winkt er ab. Schanz ist seit vielen Jahren bei den Johannitern. Doch so eine Situation hat er bisher nicht erlebt: "2004 gab es mal Ähnliches auf der A2 - aber nicht so krass und so lange." THW hat Lkw angeschleppt Am Montag, um 16 Uhr, rückt die Ortsgruppe Bad Oeynhausen-Vlotho des Technischen Hilfswerkes zur Autobahn 2 aus. "Wir haben drei Lastwagen mit Allrad und Schneeketten", sagt Ortsgruppenleiter Andreas Bartels. Zehn Ehrenamtliche machten sich damit auf den Weg zum Autobahnkreuz. "Wir haben dort Lastwagen angeschleppt, die gestrandet waren und sie zumindest über den Hügel gezogen", so Bartels. Und zwar bis spät in die Nacht. Unzählige. Wie viele genau hat im Einsatz niemand dokumentiert: "Aber sicherlich im dreistelligen Bereich." Als die Bad Oeynhausener Truppe um 2 Uhr nachts den Einsatz beendete und an andere Hilfsorganisationen übergibt, "da warteten noch rund 70 Lastwagen". Mitten drin steht am Montagnachmittag auf der Autobahn 2 auch Altbürgermeister Klaus Mueller-Zahlmann. Seine Fahrt beginnt um 8 Uhr morgens - und endet um 22.40 Uhr. "Ich habe einen nahen Familienangehörigen aus medizinischen Gründen nach Essen gebracht. Aufschub war nicht möglich." Also rollt Mueller-Zahlmann los. "Wir sind gut durchgekommen." Und zurück zumindest bis Bielefeld. "Von dort bis Herford dauerte es bereits eine Stunde." Dann geht nichts mehr. Die Entscheidung, Herford abzufahren, scheitert. "In der Abfahrt stand ein Lkw quer - die Polizei hat alle wieder rückwärts zurück auf die Autobahn dirigiert." Und dort strandet Mueller-Zahlmann. Stundenlang. Gedanken an Tankfüllung und Notdurft "Es gab eine besondere Solidarität unter den Betroffenen", berichtet der Altbürgermeister. "Alle haben spekuliert, ob wir wohl auch die Nacht auf der A2 verbringen müssen." Gedanken an Verpflegung, Tankfüllung und Notdurft geistern durch den Kopf. Kurz habe er sich die Beine vertreten, dann schnell wieder im Auto aufgewärmt: "Ich hatte noch einen viertel Tank - die Nacht durch hätte das nicht gereicht." Die Anspannung in solch einer Situation sei enorm. "Das brauche ich nicht noch mal." Ab 20 Uhr geht es für Klaus Mueller-Zahlmann langsam vorwärts. Im Schritttempo bis Herford-Ost. "Die Polizei war nahezu machtlos. Hat dann aber eine Spur mitten zwischen den Lastwagen hindurch freibekommen." Trotzdem erreicht er erst um 22.40 Uhr sein Haus in der Südstadt. "Es ging eigentlich überall nur im Schritttempo vorwärts. Lediglich Herford Stadt war halbwegs geräumt." Während Klaus Mueller-Zahlmann noch Glück im Unglück hat, sitzen andere Fahrer teilweise mehr als 16 Stunden auf der Autobahn 2 fest. Erst ab 10 Uhr am Dienstagmorgen verzeichnet die Autobahnpolizei einen ersten Teilerfolg, wie deren Pressesprecher Fabian Rickel mitteilt. "Die Lastwagen standen bis zu dem Zeitpunkt wie an einer Perlenkette aufgereiht." Durch das Freiziehen liegengebliebener Fahrzeuge und den Ableitungen von der A2 komme der Verkehr abschnittsweise langsam wieder ins Rollen. Rickel: "Es ist nicht auszuschließen, dass Ableitungen und Räumungsarbeiten bis in die Abendstunden andauern werden." Denn die Fahrbahndecke sei noch immer in weiten Teilen schneebedeckt und vereist. "Räumfahrzeuge hatten bisher kaum eine Chance, durchzukommen", sagt Rickel. Durch die niedrigen Temperaturen seien außerdem der Einsatz und die Wirkung von Streumitteln eingeschränkt. "Keiner weiß derzeit, wie lange es noch dauert und was noch passiert." Weserauentunnel gesperrt Die Sperrung der A2 hatte Auswirkungen auf Bad Oeynhausen und den Mühlenkreis. Weil sich der Verkehr von der Dehmer Spange bis Minden zurückstaut, kommt es seit Dienstmorgen wiederholt zu Sperrungen des Weserauentunnels in Fahrtrichtung Porta Westfalica. Der Verkehr staute sich zurück bis in den Tunnel, sodass durch die erhöhten Abgaswerte der Fahrzeuge in der Röhre eine Sperrung erfolgte, teilt die Polizei Minden-Lübbecke mit. Beamte der Polizei Minden-Lübbecke waren zudem in der Nacht auf dem Autohof an der A2 in Porta Westfalica im Einsatz. Hier war es aufgrund des Staugeschehens auf der Autobahn zu einer Überfüllung der Rastanlage gekommen. Die Polizei rät derzeit allen Verkehrsteilnehmern, auch für die kommende Nacht, dringend davon ab, auf die A2 zu fahren. "Es besteht weiterhin die Gefahr, dass der Verkehr streckenweise witterungsbedingt zum Erliegen kommen kann", teilt Fabian Rickel mit.

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