Dieser Opferschützer kämpfte schon lange gegen den Enkeltrick

Bad Oeynhausen. Falsche Wasserwerker, falsche Polizisten, ein vorgetäuschter Unfall eines nahen Verwandten, falsche Rechtsanwälte oder Staatsanwälte - als solche geben sich betrügerische Anrufer aus. "Enkeltrick" heißt die Masche im Polizei-Jargon, mit der Betrüger versuchen, an das Geld von Senioren zu kommen. "Die Betrüger sind rhetorisch geschult, sie setzen ihre Opfer am Telefon massiv unter Druck", sagt Michael Wehrmann, Seniorenberater und Beauftragter für Opferschutz im Kriminalkommissariat Prävention und Opferschutz der Kreispolizei. Und die Masche nimmt zu. Die Betrüger arbeiten mit immer neuen Geschichten, die sie ihren Opfern auftischen. "Die steigende Zahl diese Art von Betrugsfällen ist ein großes Problem", sagt der Polizeihauptkommissar aus Bad Oeynhausen, der 1994 das Kommissariat Vorbeugung mitaufgebaut hat. Viel Arbeit also für seinen Nachfolger Polizeihauptkommissar Oliver Thamm, denn der 62-jährige Wehrmann hört am 28. Februar nach 45 Jahren im Polizeidienst auf. Viel Arbeit für Nachfolger Oliver Thamm Nach seiner Ausbildung bei der Polizei arbeitete Wehrmann 16 Jahre lang im Streifendienst, darunter auch zwei Jahre lang in Düsseldorf. 1980 kehrte er wieder in seinen Heimatkreis zurück - zunächst zur Polizeiwache in Minden. Von 1986 bis 1988 dann in die Dienstelle in Bad Oeynhausen. "Doch ich muss zugeben, in der Kurstadt war es mir als jungem Polizisten zu ruhig", erzählt Michael Wehrmann. Also ging es zunächst zurück zur Mindener Wache, ehe der Wechsel ins Kriminalkommissariat Vorbeugung erfolgte. Was schätzt Michael Wehrmann an seiner Arbeit? "Normalerweise muss man als Polizist auf eine Straftat reagieren, in der Präventionsarbeit kann man agieren und kreativ sein", sagt Wehrmann. Außerdem sei man enger an den Menschen dran und im wahrsten Sinn Freund und Helfer. Als Beispiel nennt der 62-Jährige die Arbeit eines Opferschützers bei Raub, Einbruch oder eben dem "Enkeltrick". "Während die Kollegen der Kriminalpolizei sich auf die Spur der Täter setzen, können wir den Opfern sofort und direkt Hilfsangebote machen." Opferschützer vermitteln den Kontakt zur sozialpsychologischen Beratung, der Traumaambulanz in Bielefeld, dem Weißen Ring oder auch zu den Frauenberatungsstellen bei Sexualdelikten. "Wir ebnen auch den Weg zur Opferentschädigung", sagt der Polizeihauptkommissar. Denn Opfer von Gewalttaten haben einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung vom Staat. "Auch haben sie Anspruch auf schnelle psychologische Unterstützung und wir können einen schnellen Termin in der Traumaambulanz vermitteln." Kreative Seite kommt in Projekten zum Zuge Die kreative Seite der Präventionsarbeit komme in Projekten zum Zuge - etwa in Projekten zur Gewaltprävention in Schulen. "Da konnten wir jetzt in den vergangenen Monaten wegen der Corona-Pandemie leider nicht so viel machen", sagt Wehrmann mit Bedauern und einem Blick auf seinen Nachfolger Oliver Thamm, der bereits seit September zum Team gehört. Oliver Thamm ist Jahrgang 1965, er hat 1982 seine Ausbildung bei der Polizei begonnen. Er war bis 2009 zunächst in Minden im Wachdienst und dann in Bad Oeynhausen tätig. Die vergangenen elf Jahre hat der 55-Jährige in der Leitstelle der Kreispolizei die Notrufe aus dem Kreisgebiet entgegengenommen. "Ich wollte aber noch einmal etwas anderes machen", sagt Thamm, der sich in seiner Freizeit politisch engagiert und für die Bad Oeynhausener CDU im Stadtrat sitzt. Hinter der Enkeltrick-Masche steckt organisierte Kriminalität Seine neue Aufgabe in der Kriminalprävention ist vor allem die des Seniorenberaters. Und da wird er sich künftig intensiv dem Thema "Enkeltrick" widmen. Die Bevölkerung im Kreis und in NRW wird immer älter. Einen Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit sieht Thamm auch in Informationsveranstaltungen für Senioren in Vereinen und Clubs. "Vor allem dort, wo Senioren als Multiplikatoren tätig sind." Aus seiner jahrelangen Erfahrung als Polizeibeamter weiß auch Oliver Thamm wie vielschichtig die kriminellen Betrüger beim Enkeltrick vorgehen. "Ältere Menschen so unter Druck zu setzen, sie um ihr gesamtes Erspartes zu bringen, das macht mich einfach wütend", sagt Thamm. Enkeltrick-Betrüger seien heute keine Einzeltäter, sondern "das ist organisierte Kriminalität". Die Betrüger arbeiten aus Callcentern, die beispielsweise in der Türkei in irgendwelchen Turnhallen eingerichtet sind, weiß Wehrmann. Die Opfer werden so massiv unter Druck gesetzt, dass sie weder die Polizei, noch Verwandte anrufen und auch auf eindringliche Hinweise von Bankangestellten nicht reagieren, wenn sie die geforderte hohe Geldsumme von ihrem Konto abheben. "Und zehn Minuten später steht der Bote vor der Tür", sagt Birgit Thinnes, kommissarische Leiterin des Kommissariats, "um die geforderte Summe abzuholen." Vor einiger Zeit sei in Pr. Oldendorf sogar eine völlig unbescholtene Taxifahrer von den unbekannten Betrügern als Kurierfahrerin gebucht worden. "Die Frau sollte ein Paket abholen und an einem vereinbarten Ort ablegen", schildert Thinnes. Eine nicht unübliche Kurierfahrt also. "Den Täter haben wir allerdings gefasst", fügt sie hinzu. "Niemand soll glauben, er sei gefeit vor so einer Straftat", sagt Michael Wehrmann aus Überzeugung. Und so haben die Drei vor allem einen Tipp parat: "Telefonhörer auflegen, runter kommen, nachdenken und die Polizei oder zumindest Angehörige oder Freunde informieren. Und auf keinen Fall fremden Menschen Geld geben." Niemals. In Michael Wehrmann neuem Lebensabschnitt werden Betrüger hoffentlich keine Rolle mehr spielen. Seine Dienstzeit beschließt er mit den Worten der italienischen Fußballtrainer-Legende Giovanni Trappatoni - allerdings ohne jede Wut: "Ich habe fertig."

Meistgelesen