Nach Behandlungsfehler im Rollstuhl: Patientin erhält halbe Million Euro

Bad Oeynhausen/Bünde/Bielefeld. Weil eine Klinik aus Bad Oeynhausen einen Krankheitsschub einer unter einer Autoimmunerkrankung leidenden Patientin für einen grippalen Infekt hielt, sitzt die Frau dauerhaft im Rollstuhl. Die aus Bünde stammende Patientin verklagte die Klinik vor dem Bielefelder Landgericht. Außerhalb der Verhandlung einigten sich die Parteien nun auf eine Zahlung von 510.000 Euro, die die Klinik an die heute 37 Jahre alte Patientin zu leisten hat. Ende 2013 hatte die Frau ihre Medikation, die sie wegen einer sogenannten undifferenzierten Kollagenose erhalten hatte, aufgrund eines Kinderwunsches abgesetzt. Bei Kollagenosen handelt es sich um eine uneinheitliche Gruppe von Autoimmunerkrankungen, die vornehmlich die Bindegewebe und Blutgefäße schädigen und somit den gesamten Körper betreffen können. Am 14. Januar 2014 begab sich die Patientin in die nunmehr beklagte Rheumaklinik, um sich medikamentös neu einstellen zu lassen. Kurz darauf bekam sie jedoch hohes Fieber, das seitens der Klinik mit einem Antibiotikum behandelt wurde. Nachdem sich die Frau mehrfach erbrochen hatte, kam es am 24. Januar zu einem Harnverhalt. Als sich die neurologischen Beschwerden am darauf folgenden Tag noch verstärkten, wurde sie in die Neurologie ins Klinikum Minden verlegt. Das Zentrale Nervensystem der Frau war betroffen, die Nervenbahnen entzündet: Trotz einer in Minden eingeleiteten Kortisontherapie ist die 37-Jährige seither querschnittsgelähmt und wird dauerhaft im Rollstuhl sitzen müssen. Die tragischen Konsequenzen wären zu verhindern gewesen In Minden diagnostizierten die Ärzte einen Systemischen Lupus Erythematodes (SLE), eine zu den Kollagenosen zählende Erkrankung. Die tragischen Konsequenzen wären aus Sicht der Patientin zu verhindern gewesen, hätte die Rheumaklinik das hohe Fieber und die weiteren Symptome nicht missinterpretiert. Sie verklagte die Klinik vor dem Bielefelder Landgericht auf Zahlung von Schmerzensgeld. Die Leiterin der Klinik hielt dem entgegen, dass die Patientin im Januar 2014 eher unspezifische Symptome aufgewiesen habe, die einen grippalen Infekt als wahrscheinlichste Ursache nahegelegt hätten. Die seinerzeitige Behandlung sei sachgemäß gewesen. Letzterem widersprach vor dem Bielefelder Landgericht jedoch der als Sachverständiger geladene Gutachter Professor Torsten Witte, Leiter der Rheumatologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Da die Patientin kurz zuvor ihr Medikament abgesetzt habe, hätte man selbstredend an einen Kollagenoseschub denken müssen, sagte Witte: "Allerspätestens als es am 24. Januar zu einem Harnverhalt kam." Das Vorliegen einer Kollagenose sei bei der Patientin ja bereits bekannt gewesen. In solchen Fällen sei bis zu sechs Wochen nach dem Absetzen der Medikation ein Krankheitsschub inklusive Fieber zu erwarten: "Vor diesem Hintergrund wäre ein Lupus-Schub die 1-A-Differenzialdiagnose gewesen." Darüber hinaus sei in Bad Oeynhausen die Bestimmung zweier äußerst aussagekräftiger Blutwerte unterblieben: die der sogenannten C3- und C4-Komplemente. Diese müssen in einem Kollagenoseschub nicht erniedrigt sein. Sind sie es jedoch, so müsse man an ein derartiges Krankheitsgeschehen denken, führte Witte vor Gericht aus. In Minden war ein erniedrigter C3-Wert bei der Patientin gemessen und letztlich die Diagnose SLE gestellt worden. Bei einem grippalen Infekt, so der Gutachter weiter, steige der C3-Wert hingegen an. Darüber hinaus seien 40 Grad Fieber "für einen grippalen Infekt auch sehr unwahrscheinlich. Das mehrfache Erbrechen auf die Gabe eines Antibiotikums zurückzuführen, ist nicht ausreichend." Eine ungewöhnlich hohe Summe Außerhalb der Verhandlung schlossen die Parteien nun einen Vergleich: Die Rheumaklinik zahlt 510.000 Euro an die Patientin. Eine ungewöhnlich hohe Summe, doch sei diese im vorliegenden Fall absolut angemessen, sagt Rechtsanwältin Erika Leimkühler, die die Patientin in dem Verfahren vertritt: "Die Folgen dieses groben Behandlungsfehlers waren immens: Meine Mandantin - eine immer noch junge Frau - ist erwerbsunfähig, sie sitzt nun ein Leben lang im Rollstuhl, der Kinderwunsch blieb unerfüllt, und das Haus musste behindertengerecht umgebaut werden."

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