35-Jähriger erlebt in Deutschland Rassismus in allen Lebensbereichen

Bad Oeynhausen. Özkan Ayaz und Faustino Matumona sind beste Freunde und sie machen gemeinsam Musik. In ihrer Musik thematisieren die beiden auch den alltäglichen Rassismus und diskriminierende Anfeindungen, die sie erleben. Ein solches Erlebnis hat der gebürtige Bünder mit türkischen Wurzeln, Özkan Ayaz, im Juni in einem Video festgehalten und es auf Facebook gepostet. Mehr als 250.000 Menschen haben das Video gesehen, mehr als 1.300 kommentierten die Aufnahme. Vielfach wiederum mit rassistischen und diskriminierenden Äußerungen - auch aus dem rechtsextremen Lager. Von alltäglichem Rassismus kann auch Faustino Matumona, der aus Angola stammt und seit 2009 in Bad Oeynhausen lebt, ein Lied singen. Kommentare loben Besonnenheit des Busfahrers Der 30-jährige Özkan Ayaz arbeitet als Busfahrer in Herford. An einem Montag kurz vor 22 Uhr hatte ein Mann von ihm verlangt, weiter als bis zur letzten Haltestelle zu fahren. Als der 30-Jährige dies ablehnte, fing der Mann an, ihn zu beleidigen - auch rassistisch. Özkan Ayaz filmte den Vorfall, das Video gibt die Beleidigungen wieder und auch die besonnene Reaktion des Busfahrers. Sein Arbeitgeber, die Busverkehr Ostwestfalen GmbH (BVO), eine Tochter der DB Regio, stellte sich sofort hinter ihn. Ein Bahnsprecher teilt auf NW-Anfrage mit, dass sich die Deutsche Bahn ausdrücklich gegen Rechtsextremismus, Diskriminierung und Gewalt positioniert. "Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus haben bei uns keinen Platz." Auf solchen Rückhalt seines Arbeitgebers konnte Faustino Matumona nicht bauen. Der 35-Jährige war von einem Arbeitskollegen als "Nigger, der nicht richtig sauber machen kann" bezeichnet worden, weil er nach der Reinigung einer Maschine einen Putzlappen liegen gelassen hat. "Der Kollege hat gedacht, ich hätte die Beleidigung nicht mitbekommen", erzählt Matumona. Doch das hatte er sehr wohl. "Ich habe meinen Kollegen darauf angesprochen, doch der hat sich rausgeredet, dass sei nur ein Spaß gewesen", berichtet der 35-Jährige weiter. Dass der Chef auf den Vorfall nicht reagiert habe, habe ihn schockiert. Schließlich habe er den Job nach drei Jahren hingeschmissen. Nicht der Pöbler muss die Disko verlassen, sondern der Beleidigte Matumona berichtet von weiteren Anfeindungen. Wenn er mit seiner deutschen Freundin, mit der er seit acht Jahren zusammenlebt, in eine Disko gehen möchte, scheitert dieser Versuch nicht selten schon an den Türstehern. Aber auch in der Disko ist er vor rassistischen Äußerungen oder Diskriminierungen nicht sicher. "Ein Beispiel", sagt Matumona, "einmal hat mich ein Junge als Nigger beschimpft, ich bin weggegangen, aber der ist hinter mir her und hat mich weiter beschimpft." Der 35-Jährige wandte sich an den den Sicherheitsdienst. Doch statt den jungen Weißen vor die Tür zu setzen, musste der Angolaner die Diskothek verlassen. Besonders erniedrigende Situation erlebt Faustino Matumona auf dem Heimweg "Wenn ich in den Zug steige und mich neben einen weißen Menschen setze, dauert es keine fünf Minuten, dann wird der Platz gewechselt", sagt er. "So etwas immer wieder erleben zu müssen, macht mich traurig." Auch die ständigen Kontrollen nerven ihn. "Da sitzen 30 Leute im Zug, von denen sind zwei Afrikaner. Warum werden dann nur die beiden Afrikaner nach ihren Ausweisen und ihrer Fahrkarte gefragt?" Seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015, kämen solche Situationen deutlich häufiger vor, sagt Faustino Matumona. Als erniedrigend hat er eine Situation im vergangenen Jahr erlebt. Auf dem Nachhauseweg von einer Weiterbildungsmaßnahme wurde er von der Polizei kontrolliert. Matumona trug einen großen schwarzen Rucksack und hatte dicke weiße Kopfhörer aufgesetzt. "Weil ich Musik gehört habe, habe ich die Rufe überhört. Die Polizisten sind hinter mir her, haben mich festgehalten und den Inhalt meines Rucksacks auf die Straße gekippt. Seine Bücher und die Unterrichtsmaterialien durfte er wieder einpacken, nachdem die Beamten seine Personalien überprüft hatten und per Funk nach Aussage von Faustino Matumona die Ansage bekamen: "Der ist sauber". Verdacht auf "Racial Profiling" Eine solche Situation lässt den Verdacht auf "Racial Profiling" aufkommen. So wird ein Vorgehen bezeichnet, wenn Menschen allein wegen ihrer Hautfarbe oder anderer äußerer Merkmale ins Visier der Polizei geraten, verdächtigt oder kontrolliert werden. Diese Praxis ist als diskriminierend geächtet, auch in Deutschland. Dennoch gibt es immer wieder Berichte von Betroffenen über eben dieses Racial Profiling. Seit dem Wochenende schwelt in der Bundesregierung ein Streit über die Notwendigkeit einer Studie zum Racial Profiling. Faustino Matumona flüchtete 2009 aus seinem vom Bürgerkrieg gebeutelten Heimatland aus Angst vor dem totalitären Regime in Angola. Bei einer Demonstration für Frieden und Freiheit in Angolas Hauptstadt Luanda wurden zwei seiner Freunde erschossen. "Die Polizei hat bei der Demonstration mein Gesicht gesehen", sagt Matumona. Von da an musste er um sein Leben fürchten. Mit 22 Jahren verließ er das Land und flüchtete über Namibia nach Deutschland. Nach wenigen Tagen in München und Dortmund kam er nach Bad Oeynhausen. Hier lebt er mit seiner Freundin zusammen, mit der er zwei Kinder hat. Sein Aufenthaltsstatus ist seit elf Jahren unverändert: "Duldung" heißt er im Bürokratendeutsch. Dieser Status wird alle drei Monate überprüft. Lieder gegen Unterdrückung und für Freiheit Der 35-Jährige, der neben seiner Muttersprache Kimbundu, Portugiesisch, Französisch, Englisch und auch Deutsch spricht, ist ein freundlicher, lebensfroher Mensch, dem es aber auch ein Anliegen ist, auf Missstände aufmerksam zu machen - am liebsten mittels Musik. "Ich mache Musik seit meinem achten Lebensjahr", erzählt Matumona. Er stammt aus Kabinda, einer Exklave im Norden Angolas. "Diese Region Kabinda ist reich an Bodenschätzen", weiß Matumona. Vorrangig Diamanten, Erdöl und Gold. Doch von diesem Reichtum profitieren nur wenige. Die größten Erdölvorkommen beispielsweise liegen vor der kabindischen Küste. Seit vielen Jahren kämpft die Region für ihre Unabhängigkeit. Auch Faustino Matumona protestierte bereits als Jugendlicher mit. Mit Musik und politischen Liedern. Musik ist für ihn Leidenschaft und Hobby. Faustino Matumona hat sich in seiner Wohnung ein kleines Tonstudio eingerichtet, in dem produziert er Musik von Freunden. In verschiedenen Gruppen ist er auch schon mehrfach in Bad Oeynhausen aufgetreten. Zugunsten des Jugendmigrationsdienstes des Diakonischen Werks oder bei Hutkonzerten in der Druckerei. Vielleicht wird dort demnächst auch das Lied zu hören sein, in dem Faustino Matumona und sein Freund Özkan Ayaz die im Video festgehaltenen Beleidigungen im Bus vertonen.

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