Naturschutzgroßprojekt

Seltene Tierarten erleben ein Comeback

Es sind Weidetiere wie Rinder, Ziegen und Pferde, die dafür sorgen, dass die bedrohten Arten, die auf der „Roten Liste“ stehen, zurückkommen. Zudem gibt es niedlichen Nachwuchs.

Das Naturschutzgroßprojekt beteiligt sich auch an einem Nachzüchtungsprogramm des ausgestorbenen Auerochsen, erkennbar am weißen Milchmaul. | © Horst Biere

Horst Biere
28.07.2025 | 28.07.2025, 14:24

Oerlinghausen. Es gibt nur wenige wahre Erfolgsmeldungen in Sachen Umwelt und Natur heutzutage. Nicht jedoch in Oerlinghausen und Umgebung. Hier kehrt eine intakte Natur tatsächlich immer mehr zurück. Das Naturschutzgroßprojekt in der Senne, das im Jahre 2004 an den Start ging und das vor fünf Jahren vom Kreis Lippe übernommen wurde, erweist sich immer mehr als deutlicher Gewinn für bedrohte Pflanzen und Tiere. „Echt viele Arten, die auf der sogenannten Roten Liste stehen, sind nachweislich zurückgekehrt“, erklärt Dirk Grote vom Kreis Lippe, der als Landschaftspfleger den Gesundungsprozess von Anfang an miterlebt hat.

Ausgerottete Tierarten erleben ein Comeback

Zauneidechsen und Schlingnattern stehen beispielhaft für diese Erfolgsentwicklung, da beide Arten quasi als ausgerottet galten. „Man mag denken, dass diese zwei Tierarten nicht unbedingt wichtig fürs tägliche Leben sind“, beschreibt Grote locker das Comeback der Kleintiere, „doch sie sind – wie viele andere – kleine Puzzleteile in einem großen Spiel.“ Und er meint damit, dass das Verschwinden der Arten stets weitere Konsequenzen nach sich zieht, und der Mensch zu immer mehr schädlichen Mitteln wie Insektiziden und Pestiziden greifen muss, um einen Ausgleich zu schaffen. Dass viele Brutvogelarten auch wieder auf den nunmehr 21 Koppeln im Bereich Oerlinghausen nisten, freut den Ornithologen Grote besonders.

Was aber führte ursächlich dazu, dass das Gebiet in der Senne so erfolgreich in der Neuansiedlung von Tieren und Pflanzen geworden ist? Und wie kam es, dass es damit deutschlandweit zu einem Vorzeigeprojekt wurde? „Es sind die Weidetiere, also unsere gutmütigen schottischen Hochlandrinder, die Exmoor-Ponys und die Ziegen, die für die Rückkehr der Natur sorgen“, meint Dirk Grote.

Der Trick sei die „Waldweide“, also das einfache, dauerhafte Leben der sonst auf Höfen beheimateten Tiere im Wald. Durch das Abfressen und den Tritt der großen Weidetiere werde der Aufwuchs von jungen Bäumen gehemmt und mit der Zeit entstehe ein lichtes, strukturreiches Waldbild. Dieser Wald biete zahlreichen seltenen, wärmeliebenden Pflanzen und Tieren Lebensraum.

„Wir haben am Anfang, also 2004, einen Wirtschaftswald übernommen und ihn nun zu einem Naturwald umgestaltet“, fasst Grote die deutlich sichtbare Veränderung zusammen. Wo früher also Fichten als Industrieholz gezüchtet wurden, herrscht nun wieder ein weiträumig von Buchen und Eichen bestandenes Landschaftsbild. „Das Schöne daran ist“, sagt er, „dass man die Weidetiere, die dafür verantwortlich sind, auch in ihrer natürlichen Umgebung hautnah erleben kann.“ Wanderer und Spaziergänger können so die „tierischen Landschaftspfleger“ bei der Arbeit sehen. Das sei vor allem für Familien mit Kindern ein sehr schönes Ausflugsziel geworden, sagt Dirk Grote. „Zwei junge Exmoor-Ponys laufen mit ihren Müttern jetzt über die Koppeln und zeigen sich den Besuchern“, erklärt er.

Insgesamt etwa 20 Pferde dieser Rasse lebten nun in einer Herde zusammen. Bei der Geburt der ausgewilderten, robusten Tiere sei auch kein Tierarzt – wie bei Hofhaltung üblich – dabei gewesen. Ebenso ging es mit den Rindern. Sechs Kälber mit wuscheligem Aussehen sind mit ihren Müttern nun unterwegs. Sie fressen Gras, werden aber immer noch gesäugt.

Warum die Herde nicht zu groß werden darf

Die Herde der Hochlandrinder umfasst gegenwärtig etwa 70 Tiere. 38 Ziegen leben außerdem auf den Koppeln. Die Landschaftspfleger des Naturparks müssen nur darauf achten, dass die Herden nicht zu groß werden, indem sich die Tiere immer mehr vermehren. „Wenn die Tiere zu zahlreich werden, müssen wir eingreifen, denn die Futterfläche reicht dann nicht mehr aus“, meint er.

Doch das Naturschutzgebiet, in dem die Weidetiere stehen, ist gerade jetzt in den Sommermonaten ein ideales Ausflugsziel für Besucherinnen und Besucher. Viele Gäste kämen zu den Koppeln im Sennegebiet, meint Grote, um die Weidetiere und ihren niedlichen Nachwuchs erstmals wieder in einer natürlichen Umgebung zu sehen – in einer Naturlandschaft wie vor vielen hundert Jahren.