Vereinsmann filmt nackte Frauen in lippischer Umkleide: Richterin zweifelt Motiv an

Lemgo. Die Idee wirkt verrückt, anderes kann es die Vorsitzende Richterin Ute Jürgens nicht beschreiben: Weil ein langjährig engagierter Vereinsmann und zuletzt Platzwart eines lippischen Sportvereins angeblich herausfinden wollte, wer das Waschbecken in der Frauenumkleide regelmäßig mit Sand verschmutzte, versteckte der heute 50-Jährige im November 2022 eine kleine Kamera in einer Sporttasche, hängte sie auf und filmte dabei zehn nackte Frauen. Sein Vorhaben versucht der groß gewachsene Mann am Dienstagmorgen vor dem Amtsgericht Lemgo rüberzubringen. Sein Geständnis kann ein Urteil nicht abwenden. Noch dazu nimmt die Vorsitzende Richterin dem Angeklagten seine Erklärungsversuche nicht ab. &bdquo;Das ursprüngliche Motiv lässt sich nicht aufklären“, sagt Jürgens daher später. &bdquo;Es lässt aber vermuten, dass Sie die Bilder später aus sexuellem Interesse gespeichert haben.“ Genau das glauben auch die betroffenen Frauen, von denen einige während der Verhandlung kopfschüttelnd im Zuschauerraum sitzen. Die Wut ist spürbar. Neben November soll der Angeklagte die Kamera eigenen Angaben nach auch im April und Mai aufgehangen haben. Der Fokus des Objektives, so wird es in Saal 103 erörtert, habe dabei nicht auf dem Waschbecken, sondern auf der ganzen Umkleide samt Dusche gelegen. Die Beweismittel sind nur für die Prozessbeteiligten sichtbar. Darüber hinaus fand die Polizei auf sichergestellten Speichermedien einige Screenshots der Aufnahmen, die der Angeklagte gespeichert hatte. Erkenntnisse zum verschmutzten Waschbecken finden sich darauf nicht, gibt der Angeklagte zu, dafür sind die geschädigten Frauen unbekleidet zu sehen. Richterin hält Geldstrafe für angemessen Auf die Motivation des Täters kommt es aber letztendlich rein juristisch nicht an, sie ändert nichts am Straftatbestand. Nach einer kurzen Beweisaufnahme ohne Zeugen verurteilt Richterin Ute Jürgens den Angeklagten daher wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs sowie von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen zu einer Geldstrafe von 2.700 Euro (90 Tagessätze à 30 Euro). An zwei Verletzte, die zuvor Strafantrag gestellt hatten, willigt der Angeklagte ein, ein Schmerzensgeld von jeweils 250 Euro zu zahlen. Die anderen Betroffenen sollen das Geld ebenfalls bekommen, versichert er im Sitzungssaal. Seine Versuche, im Vorfeld Kontakt zu den Betroffenen aufzubauen, seien vom Vereinsvorstand wohl verständlicherweise abgeblockt worden. &bdquo;Ich möchte mich entschuldigen, mit meiner Aktion habe ich vielen vor den Kopf gestoßen“, sagt der Angeklagte sichtlich angefasst im Saal. &bdquo;Ich hätte es gerne rückgängig gemacht, wenn ich es könnte. Sorry. Tut mir leid.“ Da die Tat bereits massive persönliche und berufliche Konsequenzen für den inzwischen in Dörentrup lebenden Mann gehabt hätte, hält die Richterin eine Geldstrafe für angemessen. &bdquo;Sie müssen hier in Lippe mit dieser Tat umgehen, das hat Ihrem Ruf extrem geschadet.“ Staatsanwältin Zurwieden beantragt im Plädoyer sogar sieben Monate Haft auf Bewährung. Die Taten lägen zwar schon länger zurück und der Angeklagte zeige Reue, jedoch dürfe nicht außer Acht gelassen werden, wie viele Frauen in einem geschützten Raum verletzt worden seien. Auf Nachfragen der Staatsanwältin kann der 50-Jährige auch nicht richtig erklären, weshalb er keine Kamera bei den Männern installiert hatte. &bdquo;Da habe ich selbst kontrolliert“, sagt er. Angeklagter: Verein war mein &bdquo;Baby“ Verteidiger Dr. André Pott wagt noch den Versuch, eine Einstellung des Verfahrens gegen eine empfindliche Geldauflage anzuregen, das weist die Staatsanwältin aber sofort zurück. Im Plädoyer beantragt der Strafverteidiger aus Detmold daher eine Geldstrafe, die 90 Tagessätze nicht überschreitet. Die Richterin kommt dem nach, damit gilt der Angeklagte nicht als vorbestraft. Der Verein sei vier Jahre &bdquo;sein Baby“ gewesen, die Umkleiden habe er selbst umgebaut. Dabei habe sich der Angeklagte auch verantwortlich gefühlt, obwohl er längst nicht mehr im Vorstand, sondern zuletzt bloß als Platzwart aktiv gewesen sei. Aus dem Verein heißt es, dass die Probleme mit verschmutzten Waschbecken zur Tatzeit längst kein Problem mehr gewesen wären. Nach dem Urteil bleiben Vereinsangehörige draußen vor dem Gerichtsgebäude stehen. Zweieinhalb Jahre hätten die Frauen selbst nicht gewusst, wer überhaupt von den Aufnahmen betroffen gewesen sei, heißt es. &bdquo;Die Angst ist natürlich da“, sagt eine Betroffene. &bdquo;Man läuft durch die Stadt und kann nicht sicher sein, was mit den Aufnahmen passiert ist, ob sie vielleicht doch im Internet gelandet sind oder wer sie noch gesehen hat.“ Der Angeklagte bestreitet, die Filmaufnahmen anderweitig verwendet zu haben. Die Polizei hat dazu auch keine Hinweise. Dennoch kann den Frauen dieses beklemmende Gefühl keiner nehmen. Eine der Betroffenen hatte sich die dort aufgehängte Sporttasche mehr zufällig näher ansehen wollen und dabei im November 2022 die eingeschaltete Kamera entdeckt. Der hinzugerufene Vorstand hatte sofort die Polizei informiert. Die Ermittlungen führten dann zum Angeklagten.

Meistgelesen