
Leopoldshöhe. Felix Fechenbach ist in der gleichnamigen Gesamtschule in Leopoldshöhe sehr präsent. Mit Fotos, Wandzeitungen und einer großen Büste am Eingang. Am Donnerstag, 31. Januar, begegneten die Schülerinnen und Schüler der Stufen 9 bis 13 dem Kämpfer für soziale Gerechtigkeit auf neue, eindringliche Art: In der Aula führte die Company 4 aus Berlin ihr Theaterstück über sein bewegtes Leben auf: „Weglaufen werde ich nie – der Kampf des Felix Fechenbach“.
Ein einziger Satz in der Eingangsszene genügte, um seine Persönlichkeit zu kennzeichnen. „Ein freies Leben führen wir“, lautet der Traum des jugendlichen Fechenbach. So ein ungebundener Räuberhauptmann wie im Puppenspiel auf dem Jahrmarkt möchte er auch gern werden.
Doch zunächst folgt das Schauspieler-Trio Gerda Pethke, Konrad Schreier und Jan Uplegger den Spuren seiner Ausbildung zum Handlungsgehilfen und seiner Anstellung als Schuhverkäufer. Auf der kahlen Bühne kommen sie mit nur wenigen Requisiten aus. Ein dramaturgischer Kunstgriff ist der Einsatz von Handpuppen. Im Stück übernehmen sie die Rolle berühmter Personen, die Fechenbach kennenlernte. Auch eine eigenartige Figur mit einem auffällig schrägen Seitenscheitel ist darunter, die jedoch nicht mit dem authentischen Namen genannt, sondern nur als „Angstmann“ bezeichnet wird.
Wie in einer Revue geht es in dem Stück nie langweilig zu. Ebenso spannend und abwechslungsreich wie das reale Leben des Protagonisten ist die Inszenierung angelegt. Als Fechenbach nach einem Streit um unbezahlte Überstunden entlassen wird, wächst sein politisches Bewusstsein. Er bildet sich weiter, verfasst Zeitungsartikel und stellt überrascht fest: „Ich bin jetzt Journalist.“ Er ist in der Gewerkschaft aktiv, wird Sozialdemokrat, die Teilnahme am Krieg macht ihn zum Pazifisten. In München ist er für den revolutionären Arbeiter- und Soldatenrat tätig. Als er daraufhin wegen Landesverrats eingekerkert wird, stellt er resigniert fest: „Wir sind gescheitert.“
Fechenbach verfasst weiter Artikel für Zeitungen im In- und Ausland. In Detmold wird er Redakteur beim „Volksblatt“. Unbeirrt kritisiert er die Umtriebe der örtlichen Nazis. Doch als 1932 die NSDAP mit 39,5 Prozent der Stimmen zur stärksten Partei in Lippe aufsteigt, lautet sein Kommentar: „Es ist ungemütlich geworden in Detmold“. Er gerät erneut in Haft. Ahnungsvoll schreibt er seiner Frau Irma: „Wenn sie sagen, ich sei geflohen, glaube ihnen nicht.“ Wenig später, 1933, erhält sie dann die Mitteilung, er sei „beim Fluchtversuch verstorben“.
Das 90 Minuten andauernde Stück zog die Jugendlichen erkennbar in den Bann. „Am eindrucksvollsten fand ich die Szene, als sich der Tisch über den darunter liegenden Fechenbach senkte und ihn beim Schreiben immer mehr erdrückte“, meinte ein Schüler. Ob sich der Kampf Fechenbachs gelohnt habe, sei die falsche Frage, sagte eine Schülerin. „Wichtig ist, dass er es wenigstens versucht hat.“
Im Nachgespräch pflichtete ihr der Regisseur Kai Schubert bei. „Er hatte trotz aller Widerstände den unbeugsamen Willen, für seine Werte einzutreten.“ Man könne viel von ihm lernen, meinte der Regisseur mit Blick auf die Schülerschaft. „Schon der Versuch zählt.“ Von seiner Persönlichkeit sei das Team während der Proben sehr beeindruckt gewesen. „Diese Stärke nannten wir die Fechenbach-Kraft“, berichtete Schubert.
Von diesem Begriff war Schulleiter Thomas Friebertshäuser sehr angetan. Die Schule könne das Stichwort übernehmen. „Diese Fechenbach-Kraft müssen wir auch den Kindern weitergeben“, sagte er. „Wir möchten schließlich erreichen, dass sie gute Demokraten werden, Verantwortung für sich übernehmen und Zivilcourage zeigen.“

Schweigen für die Opfer
Die Vorführung des Theaterstücks „Weglaufen werde ich nie“ war Teil von mehreren Veranstaltungen rund um den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.
Am Montag hatte Schulleiter Thomas Friebertshäuser alle Schüler und Lehrer zu einer Schweigeminute aufgerufen und zuvor noch eine Ansprache gehalten. Während der Woche waren dem Thema besondere Unterrichtsreihen in den Fächern Gesellschaftslehre, Geschichte und Sozialwissenschaften gewidmet.
Im Selbstlernzentrum gab es eine Ausstellung über das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Im vergangenen Herbst hatte erstmals ein 13. Jahrgang aus Leopoldshöhe die Gedenkstätte in Polen besucht.
Wichtige Werte
„Unsere Schule fühlt sich Felix Fechenbach und seinen Werten Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit verpflichtet, nicht nur am Gedenktag“, betonte Oberstufenkoordinator Ulrich Schumann. Seit 1989 trägt die Gesamtschule den Namen Fechenbachs. Damit werde an einen aufrechten Demokraten erinnert, der als Journalist einer lippischen Tageszeitung mutig den Nationalsozialisten entgegentrat, ihre Absichten entlarvte und dafür bereits im August 1933 sein Leben lassen musste. Schumann: „Sein Name ist Programm für unsere schulische Arbeit geworden. Sie wird geprägt durch demokratische Überzeugungen und Werte, Offenheit gegenüber Fremden und Fremdem sowie kritisch-tolerante Einstellungen.“
Charismatisch
Den Mitgliedern der Berliner Company 4 war der Name Fechenbach zunächst völlig unbekannt. Per Zufall wurden sie auf die charismatische Persönlichkeit aufmerksam. „Man könnte ihn auch für eine erfundene Figur halten“, meinte Regisseur Kai Schubert. „Er war ein Widerstandskämpfer im Vorhinein. Denn er hat sich sehr frühzeitig gegen die Nazis gewandt und den Kampf mit seinem Leben bezahlt.“
Nach der Beschäftigung mit Leben und Werk Fechenbachs entwickelte der Regisseur den Text des Stücks gemeinsam mit den Schauspielern Gerda Pethke, Konrad Schreier und Jan Uplegger. Sie traten auch in Detmolder Schulen auf. Am 28. Februar ist die Berliner Premiere in der „Schaubude“ geplant.
KOMMENTAR DER REDAKTION
Verantwortung lehren und lernen
Gunter Held
Nie wieder ist jetzt! Nie war ein Spruch richtiger und notwendiger. Am vergangenen Mittwoch hat sich CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz mit voller Absicht gemeinsam mit seiner Fraktion die Stimmen der AfD ins Boot geholt. Damit hat sich die CDU und übrigens auch die FDP, die auch für den Migrationsantrag gestimmt hat, aus der historischen Verantwortung verabschiedet. Merz bandelt mit der AfD an und man darf fragen: Wann bringt die CDU einen Gesetzesentwurf ein, der nur mit der AfD durchgeht.
Wie man es anders macht, zeigt die Felix-Fechenbach-Schule. Das Gedenken an ihren Namensgeber, den unbeugsamen Journalisten, zog sich über eine Woche hin und wurde mit einem Theaterstück abgeschlossen. So bildet man junge Menschen zu verantwortungsbewussten Erwachsenen heran, die die Bedeutung von „Nie wieder ist jetzt“ kennen.