Letzter Platz auf der Attraktivitätsskala: Was sich in Lippes Handel ändern muss

Kreis Lippe. Die Nachricht kam für den Einzelhandel wie ein Schlag ins Gesicht: Der Kreis Lippe belegt im OWL-Vergleich in Sachen Attraktivität den letzten Platz. Pünktlich zur Adventszeit machte die Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK-Lippe) das ernüchternde Ranking öffentlich. Für das hiesige Weihnachtsgeschäft nicht gerade ein Türöffner. Aber ist in Lippe wirklich alles so schlimm wie behauptet? Und wenn ja, was muss sich ändern? Historisches Fachwerk, ländliche Idylle, entschleunigende Fußgängerzonen – die 16 Kommunen im Kreisgebiet haben zweifellos, jede für sich gesehen, ihren ganz eigenen Charme. Nur zum Einkaufen zieht es die hier lebenden Menschen dann doch schon gerne zu den größeren Nachbarn nach Bielefeld, Paderborn oder Hameln. Ein Geheimnis ist das nicht, überraschend kamen die Fakten der IHK daher für die meisten ebenfalls nicht. Keine lippische Kommune vermag es der Statistik nach, die vorhandene Kaufkraft wirklich vor der Haustür zu halten. Am erfolgreichsten gilt hier im Verhältnis zur dort lebenden Einwohnerzahl noch immer die Stadt Lemgo, verdeutlichen die Werte. Zwar liegt die alte Hansestadt mit einer Zentralitätskennziffer von 99 und einer Kaufkraftbindungsquote von 86 Prozent etwas unter dem Landes- und Bundesschnitt, im lippischen Vergleich gesehen steht Lemgo allerdings überdurchschnittlich gut dar. Lemgo belegt im Kreis Lippe Spitzenplatz Für Lemgos Bürgermeister Markus Baier ist das Glas also trotz des letzten Platzes als Kreisgebiet halb voll. &bdquo;Die Zahlen der IHK bescheinigen uns, dass die Lemgoer Innenstadt attraktiv ist und dass die Menschen hier gerne einkaufen“, teilt der Bürgermeister mit. &bdquo;Das heißt aber nicht, dass wir uns zurücklehnen können.“ &bdquo;Wir müssen uns anstrengen, um die guten Zahlen auszubauen. Deswegen nutzen wir Möglichkeiten wie die Förderprogramme für Neugründungen und Neuansiedlungen mit der Unterstützung des Landes, unser eigenes Förderprogramm, die Städtebauförderung für Sanierungen und Außenflächen und natürlich das ISEK.“ Gemeint ist damit das integrierte Stadtentwicklungskonzept, auf dem viele Ideen aufbauten. Diese Projekte sind laut Lemgos Bürgermeister langfristig angelegt. Bürgerinnen und Bürger hätten darüber hinaus Möglichkeiten, sich einzubringen. Baier: &bdquo;Beim ISEK sind wir mitten in der Beteiligungsphase. Deswegen brauchen wir jetzt die Stimmen und Meinungen aller. Denn wir wollen Projekte planen, die wirklich den Geschmack und die Wünsche der Menschen treffen. Ich möchte alle aufrufen, mitzumachen, sei es online oder im Innenstadt-Büro.“ Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Politik nötig Menschen danach zu fragen, welche Kaufhaus- oder Mode-Kette sie bei sich in der Innenstadt gerne hätten, hält Christian Schmidt, Vorsitzender der Werbegemeinschaft &bdquo;Die Händler“ in Detmold, für wenig zielführend. Eine gute Zusammenarbeit mit den Menschen, Politik und Verwaltung vor Ort sowie eine offene Diskussionskultur über Problemstellen dagegen seien das A und O, um den Einzelhandel weiterzuentwickeln. &bdquo;Über Probleme kann man ja reden, genau das kam mir bei der Berichterstattung zur IHK zu kurz“, sagt Schmidt. Die nackten Zahlen sind ernüchternd. Als größte lippische Stadt muss sich Detmold dabei mit einem Einzelhandelszentralität-Wert von 91,7 gegen das kleinere Lemgo geschlagen geben. Danach folgen – bemessen an den Menschen, die an den Standorten tatsächlich leben – Leopoldshöhe (74,2) und Blomberg (74,0). Die vier bilden damit gemäß der Einwohnerzahl die stärksten Einkaufsziele im Kreis Lippe ab. Zum Vergleich: Das hiesige Kreisgebiet kommt auf einen Wert von 75,3. Damit liegt die Attraktivität des Handelsstandortes Lippe weit unterhalb des Wertes des Landes NRW (101,3) und des Bundes (100). Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden? Aber was dagegen tun, damit es aufwärts geht? Kompromisse schließen, sei in hitziger Debatte ein erklärtes Ziel. Denn natürlich könnten nicht alle Wünsche erfüllt werden, sagt Christian Schmidt, es müsse aber vor allem miteinander diskutiert, Probleme angefasst und um Lösungen gerungen werden. In Detmold klappe die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, der Politik und den kulturellen Institutionen sehr gut, meint er. &bdquo;Alle ziehen an einem Strang, um die Stadt noch attraktiver zu machen.“ Entscheidend sei aber auch, nicht nur die hier lebenden Menschen vor die Tür zum Einkaufen zu locken. &bdquo;Detmold hat eine Strahlkraft nach außen“, sagt Christian Schmidt, der hier mehrere Apotheken betreibt. &bdquo;Und die Menschen, die von außen kommen, sind nun einmal mit dem Auto unterwegs.“ Genug Parkplätze und Mobilität gehörten daher zu wichtigen Punkten, um weiter voranzukommen und die Residenzstadt wieder zum Aushängeschild des Kreises wachsen zu lassen. Für Besucherinnen und Besucher von außerhalb werde sich in den kommenden Jahren durch die anstehende Neubelebung des Hornschen Tores einiges ändern, davon ist der Werbegemeinschaftsvorsitzende überzeugt. Ebenfalls sei die frischsanierte Fußgängerzone ein wichtiger Schritt, um Detmolds Innenstadt auf Dauer wettbewerbsfähig zu machen. &bdquo;Viele haben hier auch wegen der Baustelle gemeckert. Aber jetzt, wo es fertig ist, hat sich die Arbeit gelohnt.“ Das passiert in Detmold Die baulichen Schritte müssten bald auch über die Fußgängerzone hinausgehen, damit die Stadt tatsächlich mithalten könne. Das Projekt sei auf einige Jahre angelegt. Die nächsten Bauabschnitte gehen los, sobald der Schlosspark fertig ist, heißt es aus dem Rathaus. Das sei in enger Absprache zwischen Stadt und Werbegemeinschaft entschieden worden. &bdquo;Eine Stadt muss die Menschen zusammenbringen“, sagt Christian Schmidt. Das gehe nun mal nur, wenn das Angebot attraktiv und der Aufenthalt für den Einkauf so angenehm wie möglich gestaltet sei. Als großes Aushängeschild nennt er den inzwischen weiter wachsenden Weihnachtsmarkt sowie den Wochenmarkt in Detmold. &bdquo;Wir Menschen sind doch alle sozial, Online-Handel allein ist nicht alles. Darum brauchen wir die Innenstädte.“ Auch wenn der letzte Platz für den Kreis Lippe sich für dies hiesigen Akteure nicht gerade schmeichelhaft anfühlt, scheinen sich die lippischen Kommunen davon nicht entmutigen lassen zu wollen. Laut Detmolds Bürgermeister Frank Hilker sind die im Vergleich zu anderen Kreisen niedrigen Zentralitätskennzeichen der lippischen Städte nicht neu, sondern ein &bdquo;über Jahrzehnte gewachsenes Phänomen, das durch den Onlinehandel weiter gestärkt wird“. Lipper entscheiden selbst über Zukunft der Innenstädte Demnach hätten es die Lipperinnen und Lipper selbst in der Hand, &bdquo;ob sie und er zum Gedeihen der Innenstädte beiträgt oder die historischen Stadtzentren zum Parkplatz der Paketdienste macht“, meint Hilker. Inhaltlich stimmt Detmolds Bürgermeister den Schlussfolgerungen der IHK daher zu. Diese hatte vergangenen Herbst ein Positionspapier veröffentlicht, um Probleme konkret anzugehen. Es müsse dringend etwas getan werden, um die Attraktivität der lippischen Innenstädte zu steigern. Daran arbeite er in Detmold bereits seit fünf Jahren, sagt der Bürgermeister. Zentrale Elemente seien die Lange Straße in drei Bauabschnitten, um die Aufenthaltsqualität deutlich zu steigern, sowie die Innenstadt als Standort für Handel, Gastronomie und anderen Dienstleistungen zu fördern. &bdquo;Das in Detmold entwickelte und zwischenzeitlich landesweit kopierte Modell der Innenstadtförderung trägt ebenfalls sehr gute Früchte“, teilt Hilker mit. Das bezieht sich auf begrenzte Mietzuschüsse für Gewerbetreibende, um ein Lokal anzumieten. Detmolds Leerstandsquote liegt bei fünf Prozent Während in Detmold Ende 2024 eine Leerstandsquote von fünf Prozent – das sind laut Hilker fünf Ladenlokale – verzeichnet wurde, liegt der landesweite Durchschnitt bei 38 Prozent. Hilker: &bdquo;Unser Innenstadtmanagement muss Anfragen absagen, weil uns die gewünschten Flächen nicht zur Verfügung stehen.“ Die Stadt Detmold betrachte die Innenstadt der Zukunft wie von der IHK gefordert als multifunktional. &bdquo;Ferner arbeiten wir durch neue Bäume, mehr Sitzgelegenheiten und demnächst durch zahlreiche Pflanzkübel daran, die Stadt weiter attraktiv zu machen.“ Von den kleineren Städten im Kreisgebiet sticht dem Ranking nach noch die Stadt Blomberg im positiven Sinne hervor. Der Weg scheint dennoch beschwerlich zu sein. &bdquo;Seit Jahren nehmen wir die Innenstadt klar in den Fokus“, sagt Blombergs Bürgermeister Christoph Dolle. Aus seiner Sicht laufe schon vieles gut: Die Verantwortlichen setzten mit Highlights wie dem Blumen- und Bauernmarkt, dem Nelkenfest und dem inzwischen von städtischer Hand betreuten Wochenmarkt alles daran, um die Kernstadt zu beleben. Diese Herausforderung existieren Allerdings sei es schwer, Menschen zu finden, die leer stehende Ladengeschäfte mit neuem Leben füllten. Dabei seien Hilfenetzwerke da. &bdquo;Wenn sich jemand interessiert, sind wir da und können helfen“, sagt Christoph Dolle. &bdquo;Es kommt aber nur alle Jubeljahre vor.“ Oft scheitere es schon im Vorfeld daran, dass Hauseigentümer nicht bereit seien, in die Objekte zu investieren. Obwohl Stadtverwaltung und Blomberg Marketing eng zusammenarbeiten würden, lasse sich die &bdquo;globale Entwicklung nicht aufhalten“, sagt Dolle. Gegen den florierenden Online-Handel kämen kleine Innenstädte kaum an. &bdquo;Wenn jemand aufsteht und sagt, er hat die Patentlösung dafür, der würde reich werden.“ Es sei also noch ein langer Weg. Der Kampf gegen Windmühlen geht also weiter. Eins ist klar: Es gibt in Lippes Städten viel zu tun.

Meistgelesen