Zum Todestag von Thorsten D.: Was sich in Lippe für Wohnungslose verändert hat

Kreis Lippe. Die Externsteine waren sein Herzensort. Jetzt bleibt nur die Erinnerung. Genau ein Jahr ist es her, dass drei 15-Jährige Thorsten D. (47) in Horn zufällig begegneten und brutal töteten. Die rohe Gewalt hielten die Schüler mit der Handykamera fest. Kaum eine Tat machte Menschen in Lippe ähnlich fassungslos. Aus dem Schock wurde aber keine Starre. Im Gegenteil: Einige taten sich zusammen, um auf der Straße lebende Menschen sichtbar zu machen. Was ist davon geblieben? Eine Antwort findet sich genau hier: an den Externsteinen. An keinem anderen Ort können seine Freunde Thorsten näher sein. Das hat Gründe. &bdquo;Thorsten selbst war nicht obdachlos, er war der Hüter der Steine: einer der besten“, sagt Richard Löffler und blickt durch die bunten Herbstblätter hinüber. Hier draußen ist sein Zuhause, hier hat er Thorsten D. kennengelernt. Dass sein Tod sich jährt, holt den Schmerz wieder besonders stark hervor, sagt er. Lesen Sie auch: Obdachlosen getötet: Jugendliche (15) wegen gemeinschaftlichen Totschlags verurteilt &bdquo;Das Wohl der anderen stand immer über seinem eigenen“ Richard Löffler zehrt mit seinem treuen Begleiter Bo heute noch von der Hilfsbereitschaft, die damals nach dem Verbrechen ihren Anfang nahm. Auch wenn vieles sich verändert habe, sagt er. &bdquo;Man hat gemerkt, dass die Hälfte der Hilfe dafür da war, den Schock zu überwinden.“ Das Netzwerk aus Ehrenamtlichen aber sei geblieben und investiere viel Zeit, um zu helfen. Erst gestern habe er dringend benötigte Schuhe bekommen, sagt Löffler. Füreinander da sein und den Menschen so nehmen, wie er ist, genau das sei Thorsten D. gewesen. &bdquo;Er war immer bedacht, das Wohl der anderen über sein eigenes zu stellen.“ Genau an dieser Idee wollte die Initiative Freigeister nach seinem Tod festhalten. Trotz der großen Solidarität und des unermüdlichen Einsatzes schwingt beim Gespräch an den Steinen auch Frust mit. An einigen Stellen seien sie einfach nicht weiter gekommen – sei es beim Schutzraum für Obdachlose oder geregelten Schlafplätzen in Horn, beschreiben Tobias Engel, Danica Furchert und Diana Ammer. Viele Ideen seien an Politik und Stadt gescheitert. Lesen Sie auch: Nach Mord an Thorsten D.: Initiative aus Horn unterstützt wohnungslose Menschen Hilfe kann auch Frust bedeuten Auf der Stelle zu treten, habe auch untereinander nicht gutgetan. &bdquo;Manchmal habe ich da gesessen und gedacht, Thorsten würde jetzt aufstehen und gehen“, sagt Danica Furchert. Sie hat sich selbst aus der Obdachlosigkeit gekämpft und weiß, wie schwer das System für Betroffene ist. Daher ist Aufgeben keine Option, das ist ihnen da im Herbstlaub anzumerken, auch wenn das Team teils menschlich an Grenzen gelangt sei. Für den Winter sucht das Netzwerk daher einen neuen Raum, um sich regelmäßig zu treffen. Nicht weit weg von Thorstens Lieblingsplatz ist sein Name ebenfalls nicht verblasst – genauso wenig wie die Solidarität. Das Seniorenheim Hermannshof hatte schon vor einem Jahr eine Gedenkfeier für den Getöteten mitorganisiert. Heute wird der Standort von Menschen im Umkreis immer noch als Anlaufstelle für Hilfsbedürftige wahrgenommen, sagt Einrichtungsleiter Sebastian Delius. &bdquo;Wir bekommen regelmäßig Anrufe. Neulich hat uns eine Dame zehn komplette Kleiderkisten gespendet.“ Genauso könnten wohnungslose Menschen hier weiter das Angebot nutzen, um hier zu duschen oder Essen abzuholen. Und auch in diesem Jahr soll es für Thorsten D. eine Gedenkfeier mit seinem Lieblingsgericht – Linsensuppe – geben. Delius hält damit Wort. &bdquo;Solange ich hier bin, wollen wir jedes Jahr Thorsten gedenken.“ Das sei auch im Sinne der Eltern, mit dem der Leiter sich weiter tief verbunden fühle. Die Gedenkfeier findet am Dienstag, 29. Oktober, ab 14 Uhr im Hermannshof statt. Zum heutigen Todestag haben Thorstens Freunde eine private Gedenkfeier organisiert. Die Erinnerung lebt auf vielen Ebenen weiter. Gesellschaft hat sich verändert Der Tod von Thorsten D. hat etwas verändert, das stellt auch Matthias Neuper, Leiter der Herberge zur Heimat in Detmold, fest. &bdquo;Das Thema Obdachlosigkeit spielt in politischen Bereichen eine viel stärkere Rolle als früher“, sagt er. Dieses Bewusstsein sei nicht einfach ein Jahr nach der Tat wieder verpufft. &bdquo;Die gesamte Wahrnehmung für Obdachlose im öffentlichen Raum ist deutlich gestiegen.“ Damit schmälerten sich aber nicht die Probleme. Die Gewaltbereitschaft nehme zu - sei es von außen oder untereinander. Als großes Problemfeld, das damit hineinspielt, betrachtet der Leiter der Detmolder Obdachlosenunterkunft die unberechenbare Wechselwirkung diverser Medikamente, die im Umlauf seien. Immer häufiger spielten genauso psychische Erkrankungen eine Rolle. &bdquo;Früher hatten wir zu 95 Prozent mit Suchtmitteln zu tun, das ist heute anders“, sagt Matthias Neuper. Inzwischen machten erkrankte Psychen etwa 30 Prozent der wohnungslosen Klientel zu schaffen. Die Notunterkünfte seien dazu überlastet. Zwar sei die Hilfsbereitschaft diverser Stellen da, es bräuchte aber auch die passenden Netzwerke, damit den Menschen wirklich geholfen werden könnte. Daran hapere es oft.

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