„Helft mir, sonst saufe ich mich tot“: So schaffte es Caro aus dem Drogensumpf

Detmold. Als Caro ihr Elternhaus in Hanau für immer verlässt, ist sie gerade 16 Jahre alt. Ihr Stiefvater hatte im Alkoholrausch wieder einmal zugeschlagen. Auch Caros Mutter ist vom Alkohol benebelt - und obendrein mit der Situation überfordert. Ihre drei Geschwister können Caro nicht helfen, ihren leiblichen Vater hat sie nie kennengelernt. Mit dem Hauptschulabschluss in der Tasche wollte sie nur noch weg von zu Hause. Doch wohin? Caro zieht nach Frankfurt, hält sich mit Jobs im Versandhandel und beim Sicherheitsdienst am Frankfurter Flughafen über Wasser. Als sie 19 ist, geht sie wie schon häufiger mit Arbeitskollegen feiern, kommt zum ersten Mal mit harten Drogen in Berührung. Crack. &bdquo;Da bleibt man sofort dran hängen“, sagt die heute 45-Jährige und spricht aus Erfahrung. Caro wird süchtig, verliert ihre Arbeit und findet sich schließlich auf den Straßen Frankfurts wieder. Das Bahnhofsviertel wird zu ihrer neuen Bleibe, ein Ort voller Elend, Drogen und Dealer. Der ständige Kampf auf der Straße Caro schläft fortan in Hauseingängen, Parks oder Abrisshäusern. Auf der Straße ist sie immer mit mehreren unterwegs, nie allein. &bdquo;Zu gefährlich“, sagt sie. Und einsam. Meist ist sie Teil einer Gruppe aus vier oder fünf Leuten. Zwar sei die Gesellschaft anderer durchaus angenehm gewesen, schöne Momente habe sie während dieser Zeit aber keine erlebt, betont Caro. &bdquo;Wenn du auf der Straße lebst, schläfst du immer mit einem offenen Auge.“ Mit 21 nimmt sie zum ersten Mal Heroin. Ihr Alltag sei ein ständiger Kampf gewesen. Immer sei es darum gegangen, neuen Stoff zu beschaffen - oder das Geld dafür. Beschaffungskriminalität in allen Facetten ist an der Tagesordnung. Ihren wohl größten Raubzug unternimmt Caro mit 21 Jahren in einer Frankfurter Filiale von Galeria Kaufhof. &bdquo;Ich bin mit einer leeren Sporttasche rein und mit einer vollen Sporttasche wieder herausgekommen.“ Die Beute: mehrere Handys, PlayStations und andere kostspielige Elektrogeräte. Ungewollte Schwangerschaft Doch Caro kommt nicht weit. Sie wird geschnappt und muss zwei Jahre in Haft. Mehrmals landet sie wegen Diebstahl und Körperverletzung im Gefängnis. Insgesamt verbringt Caro fast acht Jahre hinter Gittern. &bdquo;Skrupel hatte ich damals keine. Wenn du drauf bist, steigst du überall ein, überfällst sogar Leute auf der Straße. Es geht nur um den nächsten Rausch, die nächste Spritze. Man gibt sich auch ein Stück weit auf.“ Mit 25 Jahren wird Caro bei einem Abenteuer mit einem Mann ungewollt schwanger, obwohl sie eigentlich lesbisch ist. Sie merkt es erst, als sie sich bereits im vierten Monat befindet. Caro wohnt zu der Zeit bei ihrer Lebensgefährtin, schränkt ihren Drogenkonsum daraufhin so gut es geht ein. Nach der Geburt zieht sie ihren Sohn alleine groß. Kindergarten, Grundschule, &bdquo;es ging ihm gut“, sagt Caro in der Rückschau. 2010, als sie nach einem erneuten Drogenrausch von der Polizei aufgegriffen wird, verliert sie das Sorgerecht. Ihr Sohn, damals sieben Jahre alt, kommt ins Heim. Und Caro landet wieder auf der Straße. Heute haben die beiden wieder Kontakt zueinander. &bdquo;Helft mir, sonst saufe ich mich tot“ Als Caro eines Abends mit anderen in einer Kneipe trinkt, durchlebt sie ihre dunkelste Stunde im Frankfurter Bahnhofsviertel. Auf der Toilette wird sie vergewaltigt, springt kurze Zeit später auf die Gleise, um sich das Leben zu nehmen. &bdquo;Der ICE konnte noch eine Vollbremsung machen. Ich kam dann in die Psychiatrie.“ Caro unternimmt eine Odyssee durch Kliniken in Saarbrücken, der Eifel und Koblenz. Bei ihr werden Depressionen, Borderline und eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt. Trotz Therapie wird Caro zunächst rückfällig, lebt in Koblenz wieder für rund zehn Wochen auf der Straße. Wenig später zieht sie einen Schlussstrich. &bdquo;Ich hatte drei bis fünf Promille intus, jeden Tag.“ Eines Morgens sei sie mit einem enormen Filmriss aufgewacht und zur Caritas gegangen, um dort Hilfe zu suchen. &bdquo;Helft mir, sonst saufe ich mich tot, habe ich zu denen gesagt.“ Sie wird in einer Fachklinik für Psychiatrie in Andernach behandelt, wohnt anschließend für neun Monate in einem Wohnheim der Arbeiterwohlfahrt. So verlief ihr Start in Detmold Seit 2021 lebt Caro in Detmold bei einer Freundin. 2013 kam sie schon einmal für drei Jahre hierher. &bdquo;Der Liebe wegen“, sagt sie. Doch das war mal. Heute ist es anders. Sie ist clean. Das nun schon seit rund vier Jahren. Woher sie die Kraft nimmt, trotz allem noch einmal ganz von vorne anzufangen, kann sie selbst kaum ausdrücken. In Detmold Fuß zu fassen, sei für Caro einerseits leicht, andererseits aber auch unheimlich schwer gewesen. Leicht war es durch den gemeinnützigen Verein &bdquo;Lipper für Lipper“, der ihr geholfen hat und wo sie sich mittlerweile sogar ehrenamtlich einbringt. &bdquo;Ich helfe samstags beim Sozialen Mittagstisch in der Küche und bei der Essensausgabe“, sagt Caro. Schwer sei ihr der Weg zurück in den Beruf gefallen. &bdquo;Mit der Vorgeschichte und dem polizeilichen Führungszeugnis stellt dich eigentlich niemand ein“, sagt Caro. Eigentlich. Denn über den Verein lernte sie Thomas Kruse, Inhaber der Buena Vista-Fitnessstudios in Lippe, kennen. Dort ist Caro als Reinigungskraft beschäftigt. &bdquo;Die Arbeitskollegen und auch die Leute im Verein akzeptieren mich so wie ich bin.“ Das sind ihre Pläne für die Zukunft Für die Zukunft hat sich Caro vorgenommen, endlich ihren Führerschein zu machen. Und wenn sie genug gespart hat, möchte sie endlich ihre älteste Schwester besuchen, die heute in den USA zu Hause ist. Gemeinsam mit ihrem Chef Thomas Kruse ist Caro im Begriff, ihre Geschichte aufzuschreiben. Das interaktive Buch mit dem Titel &bdquo;Caro - einmal Hölle und zurück“ soll im Laufe des Jahres im Selbstverlag veröffentlicht werden.

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