Stadtgeschichte

Das Flugzeug, das zum Denkmal wurde

Auf dem Oerlinghauser Flugplatz gibt es ein Segelflugzeug, das zum „Kulturgut“ ernannt wurde. Jeder kann jetzt die K 8b besichtigen – am Tag des offenen Denkmals in einer Woche.

Start der legendären K 8b, die das Kürzel D 5727 trägt. Noch heute nutzt der Segelflugverein das bewährte Modell aus den 60er Jahren für den Übungsbetrieb. | © Repro: Horst Biere / Quelle: Segelflugverein Herford

Horst Biere
02.09.2023 | 02.09.2023, 08:23

Oerlinghausen. Er war der Liebling aller Segelflieger in den 1960er Jahren – der rotweiße Luftgleiter, der den formalen Namen K 8b trägt. „Das ist ein Segelflugzeug, das fast jeden Flugfehler verzeiht“, sagt Rolf Meierkord vom „Herforder Verein für Luftfahrt“, wenn er von der „alten Dame der Lüfte“ spricht. Wegen ihrer erstklassigen Flugeigenschaften war die „Dame“ das wohl beliebteste Flugobjekt in der Nachkriegszeit, jeder wollte sie fliegen. Heutzutage zählt das Segelflugzeug als „bewegliches, technisches Kulturgut“ zu den Denkmalen im Lande – wird aber immer noch geflogen. Am Tag des offenen Denkmals am 10. September kann man das schnittige Flugzeug, das in die Denkmalliste der Stadt Herford aufgenommen wurde, auf dem Oerlinghauser Segelflugplatz besichtigen.

Der Herforder Segelflugverein, dem das Flugzeug gehört, zählt zu den Pionieren auf dem Oerlinghauser Segelflugplatz. Ende der 1920er Jahre, als das Fliegen noch in den Kinderschuhen steckte und man die schlichten Fluggleiter mit einem Gummiseil von den Fliegerkuppen am Barkhauser Berg in die Luft katapultierte, waren die Herforder gemeinsam mit dem Bielefelder und Detmolder Flugverein schon ein Teil der Flugplatzgemeinschaft in der Oerlinghauser Senne. Damals saß der Pilot noch im Freien auf einem Holzbrett unter den Tragflächen und schwebte nur für wenige Minuten über der Heidelandschaft.

Der frühere Tower am Segelflugplatz. In den 1950er Jahren erlebte der Segelflugsport in Oerlinghausen am Stukenbrocker Weg eine neue Blüte. - © Repro: Horst Biere / Quelle: Segelflugverein Herford
Der frühere Tower am Segelflugplatz. In den 1950er Jahren erlebte der Segelflugsport in Oerlinghausen am Stukenbrocker Weg eine neue Blüte. | © Repro: Horst Biere / Quelle: Segelflugverein Herford

Nach dem Zweiten Weltkrieg verboten die britischen Besatzungstruppen den Deutschen das Fliegen. Doch bereits Mitte der 1950er Jahre lief das Segelfliegen und die Ausbildung von Flugschülern wieder auf vollen Touren. In ungezählten Starts zogen die Motorwinden alljährlich die Segelflieger mit einem dünnen Drahtseil in die Höhe – einsitzige Flugzeuge ebenso wie die doppelsitzigen Flieger, wo oftmals der Fluglehrer hinter einem Fluganfänger sitzt.

Ein Denkmal, das fliegen kann. Beim 9.000. Start des berühmten Segelflugzeugs K 8b waren 1983 auf dem Oerlinghauser Flugplatz dabei: Fluglehrer Heinz Richter (li.) und der verstorbene Fred Weinholtz (re.). Im Cockpit sitzt der ebenfalls bereits verstorbene Gerhard Opitz. - © Repro: Horst Biere / Quelle: Segelflugverein Herford
Ein Denkmal, das fliegen kann. Beim 9.000. Start des berühmten Segelflugzeugs K 8b waren 1983 auf dem Oerlinghauser Flugplatz dabei: Fluglehrer Heinz Richter (li.) und der verstorbene Fred Weinholtz (re.). Im Cockpit sitzt der ebenfalls bereits verstorbene Gerhard Opitz. | © Repro: Horst Biere / Quelle: Segelflugverein Herford

Es war das Jahr 1959, als der Herforder Verein beschloss, ein neues einsitziges Segelflugzeug anzuschaffen – ein Fluggerät, das es den Flugschülern leicht machte, die ersten Alleinflüge zu absolvieren. Die Wahl fiel nicht allzu schwer, denn alle Schüler hatten die Ausbildung auf einer doppelsitzigen K 7 absolviert. Es lag deshalb auf der Hand, die vom gleichen Konstrukteur Rudolf Kaiser konstruierte K 8b zu nehmen, die die gleichen Flugeigenschaften aufwies, wie der gewohnte Doppelsitzer. Hersteller war die berühmte Segelflugzeugbau-Firma Alexander Schleicher in Poppenhausen in der Rhön.

Für die Herforder Segelflieger war allerdings der Neupreis von 8.000 D-Mark für den fabrikfertigen Flieger im Jahre 1959 nicht erschwinglich. Eine elegante Lösung bot sich im Selbstbau, denn die Baupläne kosteten nur einen Bruchteil dieser Summe. Rolf Meierkord erläutert: „Zwar mussten der Stahlrohrgitterrumpf und die Holme der Tragflächen als Fertigteile bezogen werden, aber zusammen ergab sich ein Preis, der deutlich darunter lag.“ Voller Freude gingen die Vereinsmitglieder 1960 an die Arbeit. Tagsüber sägte die Schülerfluggemeinschaft die Rippen aus, die die älteren Mitglieder des Luftfahrtvereins abends auf die Holme montierten. Ein ganzes Jahr verging mit Arbeiten. Die Oberaufsicht hatte der Werkstattleiter Valentin Thiele, unter dessen fachmännischer Leitung die K 8b zu einem flugfähigen Objekt heranwuchs.

Am 4. Juni 1961 nahm ein Prüfer in Oerlinghausen den Rohbau ab, und nur einen Monat später erhielt das neue Flugzeug das Zertifikat der Endabnahme. Noch am gleichen Tag machte der Herforder Fluglehrer Heinz Monke die üblichen drei Starts für den Nachweis der Flugfähigkeit. Damit hielt die neue „Kiste“ Einzug in den fliegerischen Alltag des Vereins. Die K 8b bekam das Kennzeichen D-5727.

Mit einem Denkmal auf 5.400 Meter

In den 60er Jahren gehörte das heutige „Flugdenkmal“ darüber hinaus noch zu den Flugzeugen, mit denen man auch Leistungsflüge unternehmen konnte. Noch im gleichen Sommer flog ein Mitglied des Herforder Segelflugvereins einen Überlandflug von Oerlinghausen nach Bad Nenndorf mit einer Strecke von 70 Kilometern. Und turbulent verlief gleich die erste Saison für die damals brandneue K 8b. Der Flugverein notierte penibel die außergewöhnlichen Daten: bei 367 Starts blieb sie insgesamt 114,3 Stunden in der Luft und legte bei Überlandflügen eine Gesamtstrecke vom 245 km zurück. Sie war so beliebt, dass man ein Jahr später beschloss, eine weitere „auf Kiel zu legen“. Auch die Flughöhe erreichte Rekordwerte: Ende 1961 hatten Fluglehrer Monke und sein Team die K 8b nach Südfrankreich transportiert. Sie versuchten, in wellenförmigen Aufwinden möglichst große Höhen zu erreichen. Der Herforder Fluglehrer schoss mit über 5.400 Höhenmetern den Vogel ab.

„Edith und Fred“ steht heute in schöner Schreibschrift auf dem Bug des Segelflugzeugs. Im Jahre 2012, kurz vor dem 100. Geburtstag des Herforder Vereins nämlich tauften der weithin bekannte Fluglehrer und Vizepräsident des internationalen Luftsportverbandes (FAI) Fred Weinholtz und seine Frau Edith die frischüberholte K 8b mit einer Flasche Sekt auf diesen Namen – genau passend zur Verleihung des Titels „Denkmal“.