Das Trauma überwinden: Lemgoer Soldat startet bei den Invictus Games

Lemgo. Menschenmengen geht er aus dem Weg. Das Geräusch von Hubschraubern löst Panik aus und bestimmte Gerüche kann er kaum ertragen. Immer wieder hat Christian Münster mit Flashbacks zu kämpfen. Traumatischen Erinnerungen an seine Zeit als Soldat in Afghanistan. Dreimal war der Lemgoer vor Ort, hat sich zuletzt 2016 freiwillig gemeldet - und muss bis heute dafür zahlen. Ängste, Depressionen, Panikgefühle, die ihn an den Rand der Belastbarkeit brachten. Mittlerweile hat er gelernt, mit der Krankheit zu leben, und will das sich und seinem Umfeld beweisen. Vom 9. bis 16. September ist der Stabsfeldwebel als einer von 37 deutschen Teilnehmern bei den Invictus Games in Düsseldorf dabei. Invictus Games, das sind die "Olympischen Spiele" der Soldaten, die verletzt oder auch traumatisiert vom Einsatz in Kriegsgebieten zurückkommen. Prinz Harry hat sie 2014 ins Leben gerufen, seitdem finden sie weltweit in regelmäßigen Abständen statt. Im September ist der Familienvater aus Lieme in Düsseldorf dabei. In vier Sportarten tritt der 42-Jährige an, will sich im 1500-Meter-Lauf, im Tischtennis, im Sitzvolleyball und im Radfahren mit der internationalen Konkurrenz messen. Dabei gehe es nicht ums Gewinnen, ist Christian Münster überzeugt, vielmehr darum, zu zeigen, was die versehrten Soldaten leisten können und wie sehr ihnen der Sport bei der Rückkehr ins Leben körperlich und mental hilft. Gefühle ließen sich nicht mehr verdrängen Christian Münster hat das am eigenen Leib erfahren. In Afghanistan war er zuletzt 2016 für viereinhalb Monate in der Ausbildung von afghanischen Soldaten und Polizisten aktiv. Es ging um vertrauensbildende Maßnahmen, erzählt er, in die Camps sei man ohne Schutzwesten und größere Waffen gegangen, nur mit kleiner Pistole am Halfter. Die Bedrohungslage hingegen war groß, immer wieder kam es zu Attentaten und Angriffen, selbst Kopfgelder waren auf die internationalen Soldaten ausgesetzt. "Zwei Stunden standen wir einmal im Stau, fast schutzlos in unseren zwei kaum gesicherten Toyota", erinnert sich Christian Münster an die ständige Bedrohungslage, an Blicke und Gesten von Einheimischen, die nur schwer einzuschätzen waren, an Bewegungen im Umfeld, die das Todesurteil hätte bedeuten können. Das permanente Gefühl der Bedrohung, des Ausgeliefertseins, des unzulänglichen Schutzes - das alles hat seine Spuren hinterlassen, selbst wenn Christian Münster rein physisch unversehrt nach Deutschland zurückgekehrt ist. Doch was er zunächst versuchte zu verdrängen, bahnte sich unerbittlich seinen Weg durch Geist und Seele. "Ich bekam Depressionen, konnte nicht mehr schlafen, war antriebslos", erinnert er sich. Scheinbar grundlos hockte er in der Küche am Boden, weinend. Und das Schlimmste: "Die Nähe zu meinen Kindern konnte ich kaum noch ertragen." Im November 2016 kehrte er zurück, im Januar überzeugte ihn seine Frau, sich professionelle Hilfe zu holen. Die Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung. Seitdem geht es voran - auch, weil Christian Münster über die Sporttherapie zu neuem Lebensmut fand und sich so beruflich neue Chancen ergaben. Treffen mit dem Idol Mittlerweile ist der Berufssoldat im fünften Panzergrenadierbattaillon 2.12 in der Grundausbildungskompanie als Trainer für Sport und körperliche Leistungsfähigkeit tätig. Er fühlt sich wieder fit, so fit, dass er an den Invictus Games, den Spielen der Unbesiegbaren, teilnehmen kann. Vor allem im Tischtennis rechnet er sich durchaus Chancen aus, auch wenn das Siegen nicht im Vordergrund steht. "Wenn es mir gelingt, Spaß an dem Wettkampf zu haben, den Stress und die Herausforderung gut zu meistern, dann ist das für mich das schönste Ergebnis", setzt sich Christian Münster seine Ziele. In Trainingslagern in der Warendorfer Sportschule der Bundeswehr haben sich die Soldaten vorbereitet und im Vorfeld der Spiele traf der Liemer nicht nur auf sein Idol, den Tischtennisch-Europameister Timo Boll, selbst Prinz Harry und Ehefrau Meghan kamen auf Stippvisite vorbei. Mit beiden durfte er kurz plaudern, locker und nett seien sie gewesen und Meghan eine beeindruckend schöne Frau. Jetzt zählt Christian Münster die Tage bis zum großen Einsatz in Düsseldorf. Auch Frau und Söhne werden dabei sein, denn die wichtige Rolle von Familie und Freunden wird bei den Invictus Games extra gewürdigt. Und dann geht es für den 42-Jährigen nur noch um eins: Zeigen, was er kann, Spaß haben und genießen. Die Invictus Games Die Invictus Games sind ein Sportfest der besonderen Art. Es treten Soldaten oder auch Polizisten und Rettungskräfte an, die aus einem Auslands-Kriegseinsatz versehrt zurückkamen. Ausgetragen werden die Spiele seit 2014 – nun kommen sie erstmals nach Deutschland. Vom 9. bis zum 16. September finden die sechsten Invictus Games - die Spiele der Unbesiegbaren - in der Düsseldorfer Merkur-Spiel-Arena direkt am Rheinufer statt. Die Invictus Games haben sich seit ihrer ersten Ausgabe 2014 zu einem internationalen Großereignis im Parasport entwickelt. Für Düsseldorf haben sich mehr als 500 Teilnehmer aus 21 Nationen gemeldet – erstmals dabei sind auch Teams aus Israel und Kolumbien. Auch die Ukraine wird wieder an den Invictus Games teilnehmen, dazu gibt es ein Extraprogramm für Familie und Freunde der Sportler und ein vielfältiges Rahmenprogramm für die Besucher. Bis zu 25.000 Gäste werden erwartet. Der Eintritt ist frei. Prinz Harry, Duke of Sussex, hat die Invictus Games gegründet. Auf dem Rückflug von einem Auslandseinsatz kam er 2007 mit verletzten Soldaten ins Gespräch. Deren Schilderungen beeindruckten ihn so stark, dass er sich für die Rehabilitation der Versehrten einsetzen wollte. Das Ergebnis sind unter anderem die Invictus Games.

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