Die Bedeutung des Essens

Schlemmergenuss bis Mitternacht

In Griechenland gibt es Geschenke erst am ersten Weihnachtsfeiertag, vor allem aber am 1. Januar. Und das hat einen ganz bestimmten Grund.

Niko Mantzelos von griechischen Restaurant "Bei Vassili" mit einem weihnachtlichen Lammgericht. | © Karin Prignitz

Karin Prignitz
20.12.2022 | 20.12.2022, 08:32

Oerlinghausen. Niko Mantzelos lebt seit 50 Jahren in Deutschland. An die Weihnachtsfeste in der griechischen Heimat kann sich der 56-Jährige dennoch gut erinnern. Vieles hat sich gewandelt, einige Traditionen aber sind geblieben, und die haben insbesondere mit dem Weihnachtsschmaus zu tun.

Essen und abräumen – so etwas sei in Griechenland unvorstellbar, sagt Mantzelos, der seit 30 Jahren die Gäste „Bei Vassili“ bewirtet. „Das Hauptessen gibt es am ersten Weihnachtstag nach dem morgendlichen Kirchbesuch.“ Die Festtafel zieht sich dann nicht selten vom Mittag bis Mitternacht. „Man isst, feiert und tanzt“, beschreibt Mantzelos das Lebensgefühl der Griechen, die mit allen Sinnen genießen. Neben Gans, Ente und Kartoffeln gibt es reichlich Beilagen, „typisch südländisch eben“. Dem Hauptgericht folgt das Kaffeetrinken, später geht es wieder zurück vom Süßen zum Herzhaften. „Früher“, erzählt Mantzelos, sei in Griechenland oftmals Spanferkel auf den Tellern gelandet. Am Spieß gedreht, „wurden sie von den Männern zubereitet“. Eben weil sie so beschäftigt waren, „waren deutlich mehr Frauen in der Kirche“. Heute sei das längst nicht mehr so.

Das Wichtigste sei, an den Feiertagen mit der Familie zusammenzusitzen. „Den Griechen kann man alles nehmen“, sagt Niko Mantzelos, „aber nicht den Genuss am Essen.“ Auch im Rest des Jahres und selbst in finanziell schwierigen Zeiten fänden seine Landsleute immer ein paar Euro, um außerhalb mit Freunden und Bekannten Kaffee zu trinken. „Das hängt mit der Lebenseinstellung zusammen.“ Anders als in Deutschland werden Geschenke nicht an Heiligabend, sondern am ersten Weihnachtstag verteilt. „Die wichtigsten Geschenke bringt der Heilige Vassilios am 1. Januar, damit das Jahr erfolgreich wird.“

Das traditionelle Liedgut der Feiertage nennt man in Griechenland Kalanda. Vor allem am 24. und am 31. Dezember werden die Lieder hauptsächlich von Kindern gesungen, die von Haus zu Haus ziehen, um Glück zu wünschen. „Chronia polla“ (Lang sollt ihr leben) beispielsweise. Manchmal werden sie von Flöten und kleinen Handtrommeln oder Triangeln begleitet und erhalten Süßes oder ein paar Münzen. Niko Mantzelos fällt noch eine der ganz alten griechischen Traditionen ein. „Bis hinein in die 1950er Jahre wurde kein Tannenbaum geschmückt, sondern die Schiffe der Seeleute.“ Er selbst ist auf dem Festland in Arta gegenüber von Korfu aufgewachsen.

Zum Nachtisch wäre das griechische Weihnachtsgebäck Melomakarona mit viel Honig geeignet

„Bei Vassili“ ist an beiden Weihnachtstagen geöffnet. Längst sind die Plätze im Restaurant ausgebucht. Es gibt eine kleinere Feiertagskarte, auf der vor allem Lammgerichte zu finden sein werden. Niko Mantzelos’ Bruder Vassili wird in der Küche stehen. Personalprobleme, wie sie viele derzeit beklagen? „Nein“, sagt der 56-Jährige. „Wir sind seit 30 Jahren hier, haben viele Stammkunden, und auch unser Personal ist lange bei uns.“ Auch zu Coronazeiten habe man die Unterstützung der Kunden bei den Außer-Haus-Lieferungen gemerkt. Zum Weihnachtsessen wird griechischer Wein gereicht oder auch „Tsipouro“, der oft mit Wasser gemischt wird, und den Mantzelos, was die Tradition betrifft, mit dem lippischen Wacholder vergleicht.

Für Aufsehen hat schon vor den Feiertagen der bis zur Decke reichende Tannenbaum im Lokal gesorgt. „Geschmückte Bäume und Weihnachtsmärkte gibt es auch in Griechenland.“ Und auch Lichterketten an den Häusern. Doch zurück zum Essen. Zum Nachtisch wäre das griechische Weihnachtsgebäck Melomakarona mit viel Honig geeignet, das Weihnachtsbrot Christopsomo oder Tsourekia, ein süß-herbes Hefegebäck mit Füllung, das eher zum Osterfest gereicht wird.