Oerlinghausen

Mit der Power eine Mehrkämpferin

Julia Eisentraut tritt für die Bündnisgrünen im Wahlkreis Lippe I an. Sie hat früher mehrere Leichtathletik-Disziplinen betrieben. Heute gibt sie unter anderem in der Politik-Arena Gas.

Sich selbst auf großen Wahlplakaten zu sehen, ist für Julia Eisentraut selbst noch „gewöhnungsbedürftig“. Dieses befindet sich in der Nachbarschaft des Oerlinghauser Schul- und Sportzentrums. | © Thomas Reineke

29.04.2022 | 29.04.2022, 14:52

Oerlinghausen. Früher Nachmittag im Café „Paradies“ in Oerlinghausen. „Der Kaffee ist einfach spitze hier“, sagt Julia Eisentraut. Und kurz nachdem die 29-Jährige vorsichtig das erste Mal an der heißen Tasse genippt hat, sprudelt es aus ihr heraus: „Durch den Wahlkampf lerne ich viele Ecken von Lippe kennen, es ist wunderschön hier.“ Gut möglich, dass die junge Wissenschaftlerin und Informatikerin – promoviert aktuell an der TU München zum Thema „IT-Sicherheit“ – ihre paradiesische Wahlheimat künftig etwas weniger sehen wird. Denn: Gut vier Jahre nach ihrem Eintritt bei den Bündnisgrünen ist Julia Eisentraut auf der Landeswahlliste ihrer Partei auf Platz 35 nominiert. „Ja, die Chance ist da, dass ich in den Landtag in Düsseldorf einziehe“, sagt sie selbst. Ein Grünen-Ergebnis um „15 Prozent plus X“ könnte dafür reichen. Der aussichtsreiche Listenplatz allein zeigt, dass ihre Partei auf die 29-Jährige setzt. Und es scheint so, dass die ehemalige Siebenkämpferin in der Leichtathletik sich auch im sonstigen Leben gern gleich mehreren Aufgaben zugleich stellt. So sitzt sie bereits im Stadtrat von Oerlinghausen und im Kreistag und ist Mitglied im Kreisvorstand der Grünen. Sie trat im September 2020 als grüne Bürgermeisterkandidatin in der Bergstadt an, arbeitet parallel an ihrer Doktorarbeit und für eine Software-Firma in Leopoldshöhe, ist im Ehrenamt Leichtathletik-Trainerin für Kinder im Grundschulalter im TSV Oerlinghausen und stellvertretende Vorsitzende des großen Sportvereins. „Die unterschiedlichen Aufgaben lassen mich aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Dinge schauen. Das ist mir wichtig“, sagt Eisentraut. Ist das alles nicht ein bisschen viel auf einmal? „Nein“, sagt sie bestimmt. „Das bekomme ich alles gut hin.“ Für den Wahlkampf im Wahlkreis Lippe I, zu dem Bad Salzuflen, Lage, Leopoldshöhe und Oerlinghausen gehören, habe sie jetzt aber vier Wochen unbezahlten Sonderurlaub genommen. „Das wäre sonst nicht zu schaffen gewesen. Und wenn ich etwas mache, dann richtig.“Ihre Hauptziele für die Zeit nach der Landtagswahl hat sie auf ihrer Homepage in einem Satz zusammengefasst: NRW und Lippe sollen gerechter, nachhaltiger, bezahlbarer und digitaler werden. Stichwort Digitalisierung: Die ist wegen ihres Studiums und ihrer Berufserfahrung ein Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit. Ihrer Meinung nach müsse die Digitalisierung in den Rat- und Krankenhäusern oder Schulen deutlich professionalisiert werden. Bisher greife hier kaum ein Rad ins andere, was allein schon an der Art der öffentlichen Ausschreibung liege. „Bislang wird das günstigste Angebot genommen.“ Und dann bekomme man meist nur Halbgares.

"Digitalisierung ist ein hochdynamischer Prozess"

Für sie ist die Digitalisierung ein hochdynamischer Prozess, der permanent von Experten begleitet werden muss. Die Folge: „Wir müssen in dem Bereich investieren, um nicht abgehängt zu werden. Gerade auch bei der Bildung. Die allermeisten Kinder, die heute zur Schule gehen, werden sich in ihrem beruflichen Leben stark mit der digitalen Welt auseinandersetzen müssen.“ Für Eisentraut geht es auch um die Sicherung der kritischen Infrastruktur vor Cyber-Attacken. „Der Gefahr müssen wir uns stellen. Und zur kritischen Infrastruktur zähle ich nicht nur Kraftwerke, sondern auch Rat- und Krankenhäuser oder auch mittelständische Firmen.“ Wenn hier die EDV über Tage lahmgelegt werde, hätte auch dies schwere Folgen.

Als erste „Amtshandlung“ einer neuen NRW-Regierung, an der die Grünen beteiligt wären, sieht Eisentraut neue Abstandsregeln für die Windkraft: „Wenn wir uns unabhängiger von Gas und Öl machen wollen, müssen mehr Windkraftanlagen als heute genehmigt werden können. In der Nachbarschaft von Wohnsiedlungen könnten es ja auch kleinere Anlagen als 200-Meter-Riesen sein.“Weiter auf ihrer Agenda steht bezahlbarer Wohnraum für Lippe, ein attraktives ÖPNV-Angebot und eine bessere finanzielle Ausstattung der Städte und Gemeinden. „Ich bin für das Subsidiaritätsprinzip“, sagt sie. Das heißt: Die Fördergelder sollten in erster Linie die Institutionen und Vereine bekommen, die an der Basis mit den Menschen arbeiten. „Und die Förderung muss dauerhaft und verlässlich sein.“ So falle jetzt angesichts des Kriegs in der Ukraine den Verantwortlichen vor die Füße, die Gelder für die Integration von Flüchtlingen nach dem starken Zustrom 2015/2016 wieder zurückgefahren zu haben. „Flucht wird aber immer ein Thema bleiben – auch wegen der Klimaerwärmung“, ist sich Eisentraut sicher.