Oerlinghausen

Mängel an der Südstadtschule

Scharfe Kanten, Risse im Beton, unbequeme Sitzgelegenheiten, unterschiedlich hohe Treppenstufen – die Liste der Kritikpunkte der neuen Schule ist lang.

Claudia Hädrich, Schulleiterin des Grundschulverbundes, vor dem Kletter- und Kriechgerüst im Indoor-Spielbereich. Vor dem Gerüst soll noch ein Netz angebracht werden. Problematisch findet sie die beiden Steckdosen unten im Klettergerüst. | © Gunter Held

Gunter Held
22.12.2021 | 22.12.2021, 07:11

Oerlinghausen. „Frau Hädrich, wann wird denn hier gestrichen?“ Fast täglich wird Claudia Hädrich, Schulleiterin des Grundschulverbundes, diese Frage von Schülern der Südstadtschule gestellt. Und wenn sie dann antwortet: „Gar nicht“, folgt gleich die zweite Frage: „Dürfen wir denn die Wände streichen?“ „Nein, auch das nicht.“ „Aber warum denn nicht? So ist das doch hässlich.“ Es gibt da so ein Sprichwort, nach dem Kindermund die Wahrheit kundtun soll . . .

Kinder und »gute Architektur«

Die neue Schule in der Südstadt ist grau, betongrau. Und der Fußboden ist dunkelgrau. Die Schule ist komplett aus Beton. Aus sichtbarem Beton. Bei dieser Art des Bauens werden keine Anforderungen an die Oberfläche gestellt, erklärt Bauleiter Marian Hachmeister vom ausführenden Architekturbüro Habermann und Decker im Gespräch mit der Neuen Westfälischen. Die sichtbaren Stoßkanten der Verschalung und die leichten Versprünge entsprächen dem Gestaltungskonzept. Dass der Bau den Kindern, die ihn tagtäglich besuchen, nicht gefällt, glaubt er nicht. Und er sagt: „Warum sollen Kinder nicht auch mit guter Architektur zusammenkommen.“

Gemütlich ist anders. Das gesamte Holzteil ist ein Stück und kann nicht auseinandergeschoben werden. Die Kanten sind scharf. - © Gunter Held
Gemütlich ist anders. Das gesamte Holzteil ist ein Stück und kann nicht auseinandergeschoben werden. Die Kanten sind scharf. | © Gunter Held

Dennis Thon von der Initiative Oerlinghausen hatte im vergangenen Bauausschuss auf einige aus seiner Sicht gravierende Mängel in der Schule hingewiesen. Er habe besonders an den Türöffnungen Risse ausgemacht. Darauf angesprochen sagt Hachmeister, dass diese Haarrisse – sie seien alle unter 0,5 Millimeter breit – bei dieser Bauweise normal wären. Das wären Setzungsrisse. Beton würde etwa ein Jahr lang schwinden und dabei entstünden diese Risse, die jedoch keine Auswirkungen auf die Statik hätten.

Da stellt sich die Frage, ob eine solche Information nicht an den Bauherrn hätte weitergegeben werden müssen. „Helmut Holthöfer wusste Bescheid“, sagt Hachmeister. Der ehemalige Leiter des Oerlinghauser Bauamtes hatte den Bau der Schule auch noch nach seiner Pensionierung weiter betreut. Sein Nachfolger Marc Plaßmann wusste davon nichts. Claudia Hädrich auch nicht. „Als Nutzerin muss sie das auch nicht wissen“, sagt Hachmeister.

Schulleiterin Claudia Hädrich kritisiert die scharfen, teilweise ausgebrochenen Ecken an Betonkanten. - © Gunter Held
Schulleiterin Claudia Hädrich kritisiert die scharfen, teilweise ausgebrochenen Ecken an Betonkanten. | © Gunter Held

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Betonecken, die nach Ansicht von Hädrich ein Verletzungsrisiko darstellen. Die sollen laut Hachmeister entgratet werden. Ein Unternehmen habe mehrere Versuche unternommen, diese Arbeit möglichst staubfrei zu erledigen. Genutzt werden sollen dafür die Weihnachtsferien.

Die Risse, die ausgehend von der oberen Türecke und rechts davon zu sehen sind, sollen Setzungsrisse des Betons sein. - © Gunter Held
Die Risse, die ausgehend von der oberen Türecke und rechts davon zu sehen sind, sollen Setzungsrisse des Betons sein. | © Gunter Held

Aufwendiger ist die Reparatur der Treppenstufen. Bei einer Treppe ist die erste Stufe knapp 20 Zentimeter hoch, die nächste 17,5 Zentimeter. Tolerierbar sind 5 Millimeter. Dieser Mangel wird in den Osterferien behoben – voraussichtlich. „Die Kinder haben damit kein Problem“, sagt Hachmeister.

Noch ein Kritikpunkt: die Sitzmöglichkeiten für die Kinder im Gebäude. Die sind aus massivem Holz mit relativ scharfen Kanten – ohne Polster. Die seien vom TÜV abgenommen worden, sagt Hachmeister. Außerdem seien die Möbel mit der Schulleiterin abgesprochen gewesen. Verwunderlich ist nur, dass Claudia Hädrich bei einem Treffen in der Schule Sofas zeigt, die bunt, weich und bequem sind. Eines steht im Zimmer des Schulsozialarbeiters. „Das wäre meine Wahl gewesen“, sagt sie.

Diese Treppenstufe ist knapp 20 Zentimeter hoch . . . - © Gunter Held
Diese Treppenstufe ist knapp 20 Zentimeter hoch . . . | © Gunter Held

Recht verständnislos steht sie im Indoor-Spielraum. Dafür hätte sie sich weiche Matten und Material gewünscht, mit dem die Kinder sich auch mal eine Höhle bauen können. Stattdessen ist an einer Seite des Raumes, der natürlich auch grau ist, eine Art Kletter- und Kriechgerüst aus massivem Holz mit scharfen Kanten – ebenfalls vom TÜV abgenommen _ angebracht. Der anthrazitfarbene Boden soll laut Hachmeister noch mit weichen Gummimatten ausgelegt werden. Vor das Gerüst soll ein Netz gespannt werden, damit die Kinder nicht herausfallen.

. . . die darauffolgende ist nur 17,5 Zentimeter hoch. Offiziell tolerabel ist ein Unterschied von 5 Millimetern. - © Gunter Held
. . . die darauffolgende ist nur 17,5 Zentimeter hoch. Offiziell tolerabel ist ein Unterschied von 5 Millimetern. | © Gunter Held