
Oerlinghausen. Alt ist er, leidend, sein Leben eine einzige Qual – für ihn und die Familie. Neufundländer Rufus muss endlich unter die Erde. Oder etwa nicht? Wer Ralf Kramps Gedicht „Der letzte Schritt“ aufmerksam lauscht, der scheint auf dem richtigen Weg zu sein, sieht den Hund bereits in eine Decke gewickelt dahinscheiden und ist gedanklich dennoch völlig falsch abgebogen. Kramp setzt auf den Überraschungseffekt und der hat in aller Regel eine bitterböse Pointe.
Während seine Zuhörer noch überlegen, auf welch mörderische Tat es hinauslaufen könnte, hat Kramp bereits eine Fährte gelegt, die verblüfft. Der Meister des schwarzen Humors aus der Eifel berichtet am Stehtisch in den „Altdeutschen Bierstuben“ vom einen oder anderen unorthodoxen Ableben, der Meister der Kochtöpfe und Pfannen verwöhnt die Gäste unterdessen mit kulinarischen Genüssen bei einem Drei-Gänge-Menü. Beste Voraussetzungen für einen gelungenen Abend, besser gesagt zwei, denn die Buchhandlung Blume hatte gleich zwei Veranstaltungen mit dem bekannten Krimiautor Ralf Kramp und Spitzenkoch Christoph Kubus organisiert.
Jeweils 50 Gäste erlebten an den gedeckten Tischen Kurzgeschichten und Gedichte mit bitterbösem Ende und köstliche Speisen, für die manch einer ganz sicher bereit wäre, zu morden. „Die Karten waren innerhalb weniger Tage ausverkauft“, berichten Martina Lange und Jörg Czyborra von der großen Nachfrage.
»In jedem Mann steckt etwas Gutes«
Noch vor der Petersilienwurzelcreme mit Blätterteigstick serviert Ralf Kramp ein „kleines Häppchen aus der Schreibstube“, um das gespannte Publikum gleich darauf mit Zynischem zu konfrontieren, als er eine Ehefrau über ihr scharfes Messer sinnieren lässt. Im Rücken ihres Mannes steckt das. Die Erkenntnis: „In jedem Mann steckt doch auch etwas Gutes.“ Böse. Sehr böse ist auch die Geschichte der beiden Verstorbenen, die im Leichenhaus nebeneinanderliegen. Der eine soll im blauen Tanzanzug bestattet werden, der andere im schwarzen Smoking. Eigentlich aber hätten es sich beide genau andersherum gewünscht. Kein Problem für Stefan Kramp, der die Absurdität auf die Spitze treibt. Warum nicht „schwuppdiwupp“ die Köpfe tauschen?
Derart blutrünstig eingestimmt geht es zum Hauptgang mit „Huft vom Premium-Beef aus Uruguay, Schokoladenjus, Gemüsestrudel und Butterstampf“. Geschichten aus seinen Büchern „Kurz und Kopflos“ und „So tot wie nie“ hat Kramp ausgewählt und wagt mit seinen Zuhörern einen Urlaubsabstecher in die Schweiz. „Das Gips doch gar nicht“, sagt sich dort Stuckateur Karl-Heinz, der im Bett statt für seine Marion nur einen Blick für die Stuckornamente an der Zimmerdecke hat. „Der Karl-Heinz hat nichts als Stuck im Kopf.“ Sie schmachtet, er spachtelt. Also beschließt die Angetraute: „Der Karl-Heinz muss weg.“
Mauricio soll ihn kaltmachen. Klappt aber nicht. Das Techtelmechtel mit dem Fitnesstrainer ist umso intensiver. Und so ist das Letzte, was Karl-Heinz sieht, der Kronleuchter, der sich durch die heftigen Bewegungen über ihm löst und ihn erschlägt. „Ein Drama mit gewissem Happyend.“ Mit diesem warmen Gefühl führt Kramp die Gäste zum Dessert. Bayerischer Creme mit Himbeere und Blutorange folgen ein paar Pralinen aus der Feder von Stefan Kramp. Natürlich sind die vergiftet, aber wie das so ist mit Pralinen, sie werden weiterverschenkt und noch einmal weiterverschenkt. Das Publikum macht mit, ruft immer wieder „Pralinen“ und bekommt für den Nachhauseweg noch diese Zeilen mit: „Ich suche schon ein Jahr verzweifelt nach dem Mörder meiner Frau. Wirklich keiner will es machen.“
Ralf Kramp betreibt mit seiner Frau in Hillesheim das Kriminalhaus mit Café Sherlock und Deutschem Krimiarchiv. Im Erdgeschoss befindet sich die Buchhandlung Lesezeichen mit Antiquariat. Im Dachgeschoss erwartet die Besucher das Herzstück des Hauses: das Krimi-Archiv mit knapp 30.000 Bänden.