Oerlinghausen. Das Unheil kündigt sich bereits im Untertitel an. „Der zwanzigste Fall für Kommissar i.R. Jupp Schulte“, heißt es dort. Ist das etwa zugleich der letzte Band über den wohl berühmtesten Detmolder Polizisten? Bei ihrer Lesung am Freitag im Alten Krug in Helpup gingen die beiden „Erfinder“ Schultes, Jürgen Reitemeier und Wolfram Tewes, auch auf diese Frage ein.
Keine Frage, der unangepasste, stets schlecht gekleidete Kommissar spielt auch im neuesten Lippe-Krimi „Weiberfastnacht“ wieder die Hauptrolle. Allerdings ist die Zeit für ihn nicht stehen geblieben. Nach so langer Zeit tritt er nun als „frisch gebackener Pensionär“ in Erscheinung. Das sei einfach zu erklären, sagte Reitemeier. „Wir sind älter geworden und haben uns deutlich verändert, genau wie unsere Protagonisten“, erklärte er. Der Prozess des Schreibens gleiche „einer permanenten Selbstreflexion, nicht immer schmeichelhaft, aber immer spannend“.
Denn in ihren Krimis verarbeitet das Autorenduo viel eigenes Erleben. Anregungen beziehen sie zudem aus der ostwestfälischen Realität. „Es gibt sie noch, die knorrigen Figuren und alten Dörfer, man muss nur genau hinschauen“, meinte Reitemeier. Die Bodenhaftung zu behalten, sei ihnen wichtig. Deshalb hätten sie auch solche Protagonisten erschaffen, „mit denen die Menschen in der Region Freundschaft schließen können.“
Jupp Schulte zum Beispiel erlebt das Schicksal so vieler Rentner. Plötzlich ist er nicht mehr gefragt, die vertrauten Kontakte sind weggebrochen. Um 11 Uhr morgens fragt er sich, ob er lieber das Fernsehgerät einschalten oder eine Bierflasche öffnen soll. Selbstverständlich kann er es nicht lassen, „für andere Menschen Kopf und Kragen zu riskieren“ und ermittelt weiterhin. Allerdings greift er nun zu ungewöhnlichen Methoden. Gewisse Parallelen drängen sich auf: Wolfram Tewes hat sein Berufsleben bereits abgeschlossen, Jürgen Reitemeier plant, demnächst kürzer zu treten. „Alle sind mit uns gealtert“, sagte Tewes, „nur der knöttrige Bauer Anton Fritzmeier nicht. Irgendwann haben wir beschlossen, dass er 82 Jahre alt bleiben wird.“ Auf ihn konnte einfach nicht verzichtet werden, denn auf Wunsch vieler Leser wurde dieser Charakter im Laufe der Zeit immer wichtiger.
„Das ist traurige Realität“
Auch wenn bei einer Lesung gewöhnlich aus dem Werk vorgetragen wird, sprechen die beiden Autoren viel lieber über die geschilderten Figuren. Und die sind teilweise recht erklärungsbedürftig. Bei der drastischen Schilderung des Mannes, der unter dem Decknamen „Zeus“ eine junge Staatsanwältin entführt und foltert, äußerten einige Zuhörerinnen deutlich ihr Missfallen. „Das entspricht doch nicht der überhitzten Fantasie von Krimiautoren, sondern ist traurige Realität“, legte Tewes dar. „Wir wollen zeigen, wie die Welt ist. Und die ist nicht immer schön.“ Verschwörungsfanatiker und Frauenhasser seien eben Phänomene der Zeit. Auch in allen bisherigen Bänden wurden aktuelle Themen aufgegriffen – vom Neonazizentrum bis zum ersten Geldautomaten in Detmold.
Zu zweit ein Buch zu schreiben, sei nicht leicht, doch inzwischen seien sie „ein eingespieltes Ehepaar“ geworden, berichteten Reitemeier und Tewes. Ursprünglich hatten sie ja nur ein einziges Buch geplant. Nach dem zehnten Band hatten sie schon ans Aufhören gedacht, das zwanzigste Werk bedeute doch einen gewissen Einschnitt. Es sei schön, mal Zeit für sich zu haben, meinte das Duo. „Aber vielleicht raufen wir uns noch mal zusammen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass uns die Ideen ausgehen“, meinte Reitemeier vielsagend.