
Oerlinghausen. Volker Siede hat seinen mobilen Kleinkaffeeröster vor dem „Lolla Rossa“ an der Hauptstraße 35 aufgebaut. Ein paar Tische stehen am Samstag vor dem Bioladen. Umrahmt werden sie von weiß-roten Schrankenzäunen. Die Durchfahrt ab dem „Jägerhaus“ Richtung Si-monsplatz ist noch bis voraussichtlich zum 30. Juli gesperrt, weil die Stadtwerke dort Fernwärme- und Stromleitungen verlegen. Eventuell können kleinere Restarbeiten noch Anfang August durchgeführt werden. Kathrin Steiger macht das Beste aus der Situation und bietet noch am 17. und am 24. Juli ein Baustellencafé an.
Besucher, die vorbeikommen, genießen die besondere Atmosphäre bei frisch gerösteten Biokaffeesorten aus Peru und Honduras, die es in Filter- und Espressoversion gibt. Ab Ende Juli wird Volker Siede, der bis vor kurzem noch in einem kleinen Geschäft am Simonsplatz zu finden war, dann jedoch wegen eines Nachbarn, der sich vom Kaffeegeruch gestört fühlte und drohte, ihn zu verklagen, entnervt aufgegeben hatte, an jedem letzten Samstag in Oerlinghausen sein, jedenfalls bei gutem Wetter. In seinem einstigen Laden an der Hauptstraße 60 sei jetzt ein Möbellager, berichtet Volker Siede von einer Nachfolgenutzung.

Noch nichts Konkretes gebe es nach dem Weggang der Fleischerei Nier an der Hauptstraße 84 zu berichten, sagt Vermieter Rolf Hilker. „Wir sind noch auf der Suche.“ Nach einem kurzen Intermezzo von September 2019 bis Januar 2021 hatte die Fleischerei die Geschäftsräume wieder verlassen. Richard Nier führt Personalgründe an und den aufwendigen Umbau von zwei Nier-Filialen in Bad Salzuflen. Das Ladeninventar hat Nier Rolf Hilker überlassen. Der hätte am liebesten erneut eine Fleischerei, auf jeden Fall aber „etwas, das mit Lebensmitteln zu tun hat“, in seinen Räumen. Schlachterei, Feinkost, Fabrikverkauf, alles sei möglich und Hilker, der auch für seine „Stadtschänke“ nach neuen Nutzungsmöglichkeiten sucht, ist zuversichtlich: „Irgendetwas finden wir schon.“

Nach Umbau- und Renovierungsarbeiten hat bereits am 9. Juli die „Altdeutsche Bierstube“ von Christoph Kubus und seinem Team an der Hauptstraße 3 wieder geöffnet. Bereits vor einiger Zeit hat der mittlerweile verstorbene Schuster Belly an der Holter Straße 15 einen Nachfolger gefunden.
Handarbeit in der Schusterwerkstatt

„Viele Kunden hatten sich in der Zeit der Schließung anders orientiert“, berichtet der neue Inhaber Igor Dreicew. Erst allmählich sei durchgedrungen, dass es im Laden weitergeht. Allerdings nicht nur mit Schuhservice und Schlüsseldienst, wie beim Vorgänger. Der 51-Jährige aus Augustdorf ist Allrounder und hat das Angebot entsprechend ausgeweitet.
„Früher habe ich als Schreiner, Maurer und Dachdecker gearbeitet“, erzählt der gebürtige Russe, der seit sechs Jahren mit Frau und acht Kindern im Alter zwischen 9 und 26 Jahren in Deutschland lebt. Das Schuhmacher-Handwerk habe er vom Vater gelernt. In seiner Heimat gebe es nicht eine solche Spezialisierung, wie in Deutschland, erklärt Dreicew sein Multitalent. Im kleinen Laden stehen neben zwei rund 100 Jahre alten Nähmaschinen weitere Geräte, mit denen Igor Dreicew Schuhe neu besohlt, weitet und Leder verarbeitet. Sogar Reitstiefel kann er reparieren und beispielsweise deren Reißverschlüsse austauschen.
Messer, Gartenscheren, Rasenmäher-Messer und Kettensägen kann er schleifen, alte Uhren reparieren und deren Batterien austauschen, Gürtelschnallen erneuern. Stempel und Gravuren gibt es ebenfalls. „Ein solch breites Angebot gibt es nicht mehr so oft“, sagt der 51-Jährige selbstbewusst. „Einige meiner Kunden kommen sogar von weiter her.“ Der Laden von Igor Dreicew wirkt ein wenig, als sei er aus der Zeit gefallen. Viele Kunden mögen sich in eine Phase versetzt fühlen, als Handarbeit noch an der Tagesordnung war und für Qualität bürgte. „Ich habe einfach Spaß dran“, sagt Dreicew, während er die Batterie in einer Armbanduhr wechselt, denn auch das bietet er an.