Oerlinghausen. Schützenfest ist Gaudi-Zeit in Oerlinghausen. Ein Schützenmontag ohne die bekannten Juxtruppen MSKK, die Fümfte, die Bergwacht oder die Thekentaucher wäre undenkbar. Die beliebten heutigen Spaßvögel, die immer wieder für einen gut gefüllten Rathausplatz und ein volles Zelt am frühen Montagmorgen sorgen, haben berühmte Vorgänger.
Bereits im Jahr 1928 zielten die Schützen nicht nur auf den Adler, sondern auch auf die Lachmuskeln der Zuschauer. Erste Bilddokumente aus jener Zeit zeigen eine Komiktruppe vom „Zirkus Sarasani“ mit Zirkusdirektor Viktor Grund, Zirkusbär Heinz Puckert, Bärenführer August Beckmann und Cowboy Fritz Drewes.
Flug mit Hei-Ho


Eine neue Humortruppe trat nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Plan. Bereits beim ersten Nachkriegs-Schützenfest im Jahre 1951 erwiesen sich die „Hei-Hos“ als echte Stimmungskanonen. Heinz Holzkamp (Hei-Ho) und seine Mitstreiter eroberten seitdem für viele Jahre mit ihren Ideen die Herzen der Festbesucher. Sei es mit einem Flug mit Hei-Ho ins All und zu den Tierkreiszeichen oder mit einer Zirkusaufführung mit „Zappis hoher Schule“ (Rolf Westerheide), während der Schlangenbeschwörer Ru-Paulo (Paul Rudolf) auftrat. Und von Anfang an waren die beliebten Modenschauen dabei, während der Männer in Frauenkleider die neueste Mode am behaarten Körper vorführten.
Stierkampf
Neben der Hei-Ho-Truppe gab es immer wieder tolle Ideen und viele Späße anderer Schützenbrüder. So kam es 1966 zu einem Stierkampf auf der oberen Terrasse des Schützenplatzes. Unter den Klängen „Auf in den Kampf“ zog „Don Carlos Hanningo“ (Karl Hanning) im Torerokostüm in die Arena ein. Der Stier, ein verkleideter Schützenbruder, ging bald in die Knie. Nicht einmal einige Gläser „Jagdvater“, die man ihm einflößte, konnten ihm wieder auf die Beine helfen.
Einen Riesenspaß hatten die Zuschauer beim anschließenden Fußballspiel mitten auf dem Schützenplatz. Die Partie Offiziere gegen Unteroffiziere soll sehr torreich und feuchtfröhlich geendet haben. Ungekrönter König der Juxtruppen war sicherlich Ernst (Enns) Niemann, der damals zu den „Schwengelbirken“ zählte.
Denkmal
Ein spektakuläres Bild bot sich den zahlreichen Festbesuchern und dem gesamten Festumzug am Schützenfestmontag 1957 auf dem Simonsplatz. Über Nacht hatten dort die Schützenbrüder ein Denkmal des damaligen Oberst Carl Plaßmeyer aufgestellt.
Das Monument „Karl der Große“ zeigte die Figur des etwas klein geratenen Oberst, den die Schützen auf einen hohen Sockel platziert hatten. Zur feierlichen Enthüllung vor einer riesigen Zuschauermenge hielten Ernst Niemann und Gunter Diekmann die Festreden.
Noch heute erinnert sich der 92-jährige Heinz Risse, der damals Thronadjutant war, an die Reaktion des angesäuerten Carl Plaßmeyer. „Ohne mit der Wimper zu zucken und ohne überhaupt zur Seite zu schauen, zog unser Schützenoberst beim Festumzug an seinem eigenen Denkmal vorbei.“
Eros-Center
Eine tolle Idee hatten die Schützen in einem anderen Jahr. Als noch ein altes Gebäude gegenüber dem Kastanienkrug lag, das alle nur die „Kaserne“ nannten, hängten die Spaßvögel ein riesiges Transparent ans Haus: „Hier entsteht ein Eros-Center“. Eine weitere Ernst-Niemann-Aktion ist Heinz Risse ebenfalls noch gut im Gedächtnis. Risse: „Enns kam eines Tages zu meiner Tochter Susanne, die sehr gut zeichnen kann. Er fragte, ob sie einen lebensechten Schweinekopf auf ein großes Stück Papier malen könne.“
Schweinekopf
Sie zeichnete das Schwein naturgetreu, und Ernst Niemann zog das Gemälde über ein Drahtgestell, das er sich auf den Kopf setzte. Die Schützen bogen sich vor Lachen, als Enns mit dem Schweinekopf zum Antreten an der Apotheke kam. Heinz Risse erläutert: „Er wollte damit auf einen Oerlinghauser Schlachter aufmerksam machen, der sehr gern Schützenkönig geworden wäre. Doch da er stets so schlecht schoss, gelang es ihm nicht. Enns meinte wohl, einen Schweinekopf zu treffen, fiele dem Schlachter leichter.“
Die wohl folgenreichste Aktion lief im Jahre 1958 ab. Ein total verfallenes Gebäude an der Detmolder Straße, das im Volksmund nur „Villa Brathuhn“ genannt wurde, bildete das Ziel eines „Schützen-Abbruchkommandos“. In der Nacht zum Schützenfestmontag brachten einige Festbrüder unter der Leitung von Ernst Niemann das ganze Haus zum Einsturz, so dass nur noch der Schornstein stehenblieb. Es genügte, allein die Seitenstützen des Hauses zu entfernen, um den Zusammenbruch herbei zu führen.
Als sein Besitzer, der Fahrlehrer Harald Meyer, nach den Tätern fahndete, hieß es nur: Die konnte man nicht erkennen, die hatten einen Schützenhut auf. Doch Fahrlehrer Meyer fand die Täter, spendierte aber den Schützenbrüdern noch eine große Runde, als ihm Ernst Niemann erklärte, dass auf diese Weise kostenlos ein großer Gefahrenpunkt im Oerlinghauser Zentrum entfernt worden sei.