Oerlinghausen

Mordfall Julia R.: Ärzte stellen Psychose beim Angeklagten fest

Dieter O. hat offenbar die psychiatrische Klinik in Detmold aufgesucht. Empfohlen hat ihm das sein Bruder

Sagt noch nichts: Der wegen Totschlags angeklagte Oerlinghauser sitzt zwischen seinem Verteidiger Carsten Ernst aus Bielefeld und dem Justizbeamten Reinhard Kleesiek. | © Gunter Held

Gunter Held
30.03.2017 | 30.03.2017, 20:57

Oerlinghausen/Detmold. Dritter Prozesstag im Fall der Julia R., die von ihrem zehn Jahre jüngeren Freund Dieter O. (Name geändert) aus Oerlinghausen getötet wurde. Die Tat, die am Windrad in Leopoldshöhe passierte, bestreitet der Angeklagte nicht. Am ersten Prozesstag, als er sich zu seiner Person äußerte, sagte er: „Ich habe ein Menschenleben genommen. Ich will kein Mitleid." Zur Tat selbst äußerte sich der mittlerweile 22 Jahre alte Angeklagte nicht.

Hatte der Angeklagte zunächst behauptet, dass Julia R. von ihm verlangt habe, sie zu töten, so ließ er am ersten Prozesstag von seinem Verteidiger Carsten Ernst aus Bielefeld mitteilen, dass der Herrscher eines Paralleluniversums ihn aufgefordert habe, die Tat zu begehen.

Gestern nun wurden zwei Ärztinnen des GPZ, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Detmold, als Zeugen gehört. Beide haben Dieter O. im Rahmen einer ambulanten Behandlung erlebt.

Eine Zeugin berichtete, dass der Angeklagte vorher bereits von einem anderen Arzt des GPZ untersucht worden sei, sie die Behandlung dann aber übernommen habe. Ihr sei Dieter O. „nett, höflich und unauffällig wie jeder andere Mensch" erschienen. Ihr sei zunächst nicht klar gewesen, ob er für sich oder für jemand anders fragen würde. Sie bezeichnete sein Verhalten als adäquat, also als angemessen und passend.

Der Angeklagte wird als nett geschildert

Auch Julia R., die den Angeklagten in die Klinik gebracht habe, sei liebenswürdig und nett gewesen und habe sich zurückgehalten, während die Ärztin mit Dieter O. sprach. Am Ende des Gesprächs sei nicht klar gewesen, ob er wiederkommen würde.

Während zweier weiterer Besuche habe ihr der Angeklagte von Schlafstörungen und Angst vor Prüfungen berichtet. Dass die zehn Jahre ältere Julia R. die Freundin des Angeklagten sei, habe sie erst im Laufe der Besuche erfahren. Zunächst habe sie angenommen, dass Julia R. eine Sozialarbeiterin sei. „Sie kam mir als die stärkere von beiden vor", sagte die Ärztin.

Es habe von Seiten Dieter O.s keine Hinweise auf Drogenkonsum gegeben. Er habe ihr allerdings berichtet, dass er Angst davor habe, sein Gedächtnis zu verlieren. Außerdem höre er Stimmen.

Zeugin: Depressiv, aber nicht aggressiv

Weil die Zeugin sich nicht mehr an alles erinnern konnte, las ihr der Vorsitzende Richter Karsten Niemeyer aus dem Protokoll der polizeilichen Vernehmung vor. Darin hatte sie gesagt, dass der Angeklagte ihr von einer männlichen Stimme berichtet habe, die ihn beleidigen würden. Die Stimmen hätten ihn aber nicht aufgefordert, sich aggressiv gegen andere zu betätigen.

Dem Gericht sagte die Zeugin, dass der Angeklagte eine Psychose entwickelt habe. Auch die zweite Zeugin, ebenfalls Ärztin im GPZ, berichtete, dass der Angeklagte ihr gegenüber Stimmen erwähnt habe, die er höre. Er sei depressiv aber nicht fremdaggressiv gewesen.

Während die Mutter des Angeklagten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte, erklärte sich der 25 Jahre alte Bruder des Angeklagten bereit, auszusagen. Er schilderte Dieter O. als liebenswürdig, offen und herzlich, als einen sehr geselligen Menschen, dem die Familie und seine persönliche Freiheit wichtig seien und der sich schützend vor Schwächere und ungerecht Behandelte stellte.

Er sagte aber auch, dass der Angeklagte sich mit zunehmendem Drogenkonsum von der Familie zurückgezogen habe. Mit der Zeit sei ihm aufgefallen, dass Dieter O. unverhältnismäßig oft auf die Uhr schaute und alltäglichen Vorkommnissen im zeitlichen Kontext eine besondere Bedeutung beimaß. Er habe schließlich dafür gesorgt, dass Dieter O. im GPZ vorstellig wurde. Er habe ihm gegenüber auch von Stimmen gesprochen, die ihn beleidigt haben, über die er aber nicht sprechen durfte, weil dann etwas Schlimmes passieren würde. Der Prozess wird am Mittwoch, 12. April fortgesetzt.