
Von
Gunter Held
30.01.2016 | 30.01.2016, 06:32
Oerlinghausen
Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge möglich
Oerlinghausen. So viele Besucher waren noch nie bei einer Ratssitzung. Einige mussten stehen, weil die Stühle nicht reichten - und blieben trotzdem. Grund des Interesses war eine Idee von Bürgermeister Dirk Becker, die er im Ältestenrat vorgetragen hatte. Doch aus dem eigentlich vertraulichen Gespräch war etwas durchgesickert: Die ehemalige Jugendherberge soll Flüchtlingswohnheim werden.
Um bereits kursierenden Gerüchten entgegenzutreten thematisierte Becker die Sache während der Ratssitzung am Donnerstag. Er stellte klar, dass es einen Ratsbeschluss gebe, die Jugendherberge zu verkaufen. "Es bleibt auch bei der Verkaufsabsicht, der Beschluss wird nur ausgesetzt." Er sagte, dass es nur eine Frage der Zeit sei, wann Oerlinghausen Flüchtlinge aufnehmen müsse, auch unbegleitete Minderjährige. Er habe gegenüber dem Kreisjugendamt, das für diese minderjährigen Flüchtlinge zuständig sei, und der Johanniter-Unfall-Hilfe, die die Flüchtlingsunterkunft in der ehemaligen Hellweg-Klinik betreiben, die Jugendherberge ins Spiel gebracht. Auch aus dem Grund, weil die Johanniter die Hellweg-Klinik geradezu mustergültig betreiben, wie auch Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl jüngst konstatierte.
Um die Kommunalpolitiker zu informieren war vom Kreis Magdalena Grabe, Fachgebietsleiterin Soziale Dienst, und von den Johannitern Jochen Nadolski-Voigt, Leiter der Einrichtung Hellweg-Klinik, sowie Sylke Henseleit, die pädagogische Leiterin, gekommen.Grabe sagte, dass seit vergangenem Sommer immer mehr minderjährige unbegleitete Flüchtlinge kommen, die auch besonders betreut werden müssen. "Wir brauchen jetzt die Hilfe der Städte und Gemeinden", sagte sie. Denn die Minderjährigen dürfen nicht zusammen mit anderen Flüchtlingen untergebracht werden. Nadolski-Voigt stellte besonders die Intensivbetreuung, die die Minderjährigen erhalten würden, als Basis für gute und erfolgreiche Integration dar.
Henseleit gab dann einige Details: Zielgruppe seien minderjährige unbegleitete männliche Flüchtlinge im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Die Jugendherberge böte Platz für zwei Wohngruppen mit jeweils zehn Plätzen. Die Jugendlichen würden sieben Tage rund um die Uhr betreut. Dafür seien pro Gruppe acht Betreuer vorgesehen. Die Verweildauer sei auf ein bis eineinhalb Jahre ausgelegt. Den Jugendlichen werde eine wertschätzende Versorgung angeboten, bei der ihnen auch die deutsche Kultur nahegebracht werde.
"Wir können uns dem nicht entziehen", sagte SPD-Fraktionschef Günter Augustin. Auch Grünensprecher Thomas Reimeier hielt den eingeschlagenen Weg für richtig. "So können wir unseren Teil dazu beitragen, den Flüchtlingen zu helfen."
Mehrfach drängte CDU-Fraktionsvorsitzende Angelika Lindner darauf, die Bürger zu beteiligen. Sie möchte vor der Beschlussfassung eine entsprechende Bürgerversammlung. "Die Oerlinghauser haben bisher immer ein großes Herz und große Hilfsbereitschaft bewiesen, wenn es um Flüchtlinge ging", sagte sie und appellierte: "Ohne die Bürger geht es nicht."
Auf Nachfrage erfuhr Ursula Flehmer, Fraktionssprecherin der Freien Wähler, dass die Minderjährigen aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch nach ihrem 18. Geburtstag in der Jugendherberge wohnen werden.
Die Johanniter, so Nadolski-Voigt, stehen in den Startlöchern und warten darauf, die Jugendherberge herzurichten.
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