
Oerlinghausen. Es ist 2 Uhr am 27. Februar 1945. Eine kalte und neblige Nacht in Oerlinghausen kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die alliierten Truppen stehen noch westlich des Rheins, die Kriegshandlungen, der Geschützdonner, das Panzerrasseln sind noch nicht in der Region um Bielefeld angekommen.
Plötzlich nähert sich ein hohes sirrendes Motorengeräusch von der Senne her der Bergstadt. Nur wenige Anwohner von Holter Straße und Welschenweg hören zu dieser Schlafenszeit das schnell heranrauschende Flugzeug, das den Barkhauser Berg ganz knapp überfliegt. Es gibt ein kurzes heftiges Brummen über den Häusern und dann einen lauten Knall am Tönsberg unterhalb des Ehrenmals.
Heller Feuerschein ist wenig später auf dem Tönsbergkamm zu sehen. Einige Bewohner sind wach geworden und laufen sofort aus ihren Häusern zur Brandstelle. Auf der Nordseite des Berges unterhalb des Ehrenmals liegen verstreute Flugzeugteile. Eine kleine Heidefläche und niedrige Kiefern brennen. Auch der Rumpf eines Flugzeugs brennt lichterloh. Mehr ist in der Nacht nicht zu erkennen - erst der nächste Tag zeigt das ganze Ausmaß eines spektakulären und tragischen Flugzeugabsturzes.
Zwei Schulfreunde starben
Werner Höltke, Oerlinghauser Heimathistoriker, erhielt im Jahre 2004 einen Brief aus England. Jean Nielsen, die Schwester des damaligen Flugzeugführers Officer Peter Etheridge, versuchte Licht in das tragische Schicksal ihres Bruders und das seines Flight Sergeant John Joyce 1945 in Oerlinghausen zu bringen. Werner Höltke berichtet: „Ich habe mit meinen ehemaligen Mitschülern, die in der Nähe der Absturzstelle wohnten, über den Flugzeugabsturz gesprochen und Jean Nielsen den Hergang beschrieben. Außerdem habe ich ein Foto der heutigen Absturzstelle beigefügt. In einem Dankesbrief hat sie mir darauf Näheres über die beiden am Tönsberg verstorbenen Piloten mitgeteilt. Danach waren die beiden Flieger seit Schulzeiten gute Freunde und haben in der Klasse nebeneinander gesessen. Nach Schulende trafen sie sich aber erst in der Flugausbildung der Air Force wieder. Ihr Bruder, Peter Etheridge, wurde Pilot, sein Freund John Joyce, Navigator und Funker. Die beiden erreichten, dass sie die moderne und schnelle Mosquito fliegen durften. Doch der Tönsberghang setzte dem Leben der beiden Freunde ein jähes Ende.“
Ein britischer Jagdbomber vom Typ Mosquito hatte bereits die südliche Bergkette des Teutoburger Walds mit Barkhauser- und Menkhauser Berg offenbar in sehr niedriger Flughöhe passiert und war dann mit voller Geschwindigkeit gegen den Tönsberg geprallt - etwa 25 Meter unterhalb des Denkmals. Durch die Aufschlagdetonation waren die Flugzeugteile über den Kamm hinweg geflogen und hatten sich brennend über die Nordseite des Tönsberg verstreut. Die Trümmer des Kampfflugzeugs beschädigten sogar einen Pfeiler des Ehrenmals für die Gefallenen des 1. Weltkriegs.
BRITISCHE PILOTEN TOT GEBORGEN
Suchtrupps fanden am nächsten Tag auch die beiden toten britischen Airforce-Soldaten, den Piloten und den Navigator, im dichten Tannenwald unterhalb des Kamms. Die Waffe des Piloten, eine Pistole, lag neben ihm auf der Erde. Auch drei Bomben, die die Mosquito unter ihren Tragflächen trug, wurden in das Gestrüpp am Tönsberghang geschleudert. Sie waren trotz des Aufpralls nicht detoniert.Die verstorbenen Briten wurden noch am selben Tag geborgen und kurz darauf auf dem Oerlinghauser Friedhof beerdigt. Pastor Friedrich Schwarz, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde, begleitete die Bestattung mit einer kurzen Trauerzeremonie.
Nach dem Einmarsch der Alliierten und nach Kriegsende in Deutschland exhumierten die britischen Besatzungsbehörden allerdings die Air-Force-Piloten und bestatteten sie ein weiteres Mal auf einem Soldatenfriedhof in Hannover.
BOMBEN SPRENGTEN SPÄTER DIE AUTOBAHN
Was aber hatte zum Absturz des Kampfflugzeugs in Oerlinghausen geführt? War es Unerfahrenheit oder ein Navigationsfehler der Piloten? Der britische Jagdbomber Mosquito, der von de Havilland gebaut wurde, war eine superschnelle zweimotorige Propellermaschine mit zwei Mann Besatzung. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 630 km/h durch seine beiden Rolls-Royce-Motoren war der Jäger auch mit Bombenbeladung für die deutschen Jagdflugzeuge uneinholbar. Die britische Air Force verlangte wegen der sehr hohen Fluggeschwindigkeit sogar eine wesentlich längere Ausbildungszeit der Besatzung.Die drei Bomben, die die Mosquito mit sich geführt hatte und die nicht detoniert waren, richteten zwei Monate später trotzdem schreckliche Verwüstungen an - fünf Kilometer entfernt vom Tönsberg an der Autobahn. Die deutschen Truppen, die in den letzten Kriegstagen versuchten, die Alliierten auf ihrem Vormarsch aufzuhalten, nutzten die riesige Sprengkraft der Bomben, um damit zwei Brücken zu sprengen: die große Autobahnbrücke der A2 in Lämershagen und die Landstraßen-Brücke beim Gasthaus Deppe über die Autobahn.