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Kreis Lippe/Göttingen. Das Unvorstellbare scheint keinen Halt zu machen, wenn es um den Missbrauchsfall Lügde geht. Ein Opfer-Vater, der im Prozess gegen Haupttäter Andreas V. als Nebenkläger im Saal saß und den Serientäter verbal verteufelte, muss sich nun selbst vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Göttingen wirft ihm vor, seine inzwischen zehn Jahre alte Tochter in zwölf Fällen sexuell missbraucht zu haben. Gegen den 42-Jährigen ist jetzt Anklage erhoben worden, bestätigt Oberstaatsanwalt Andreas Buick aus Göttingen. Die Taten soll der Beschuldigte zwischen März 2018 und Mai 2020 begangen haben. Sechs Monate kreuzen sich dabei mit dem Tatzeitraum, in dem auch Lügde-Haupttäter Andreas V. dem Mädchen schlimmste sexuelle Gewalt angetan hat. Mindestens 32 Mal ist die damals Achtjährige zwischen Frühjahr 2017 und September 2018 laut damaliger Anklage vom längst verurteilten Dauercamper Andreas V. vergewaltigt worden. Der Kontakt zur Familie soll entstanden sein, weil der inzwischen angeklagte Vater Anfang 2017 im Gefängnis saß und die Mutter per Ebay-Kleinanzeigen andere Eltern für gemeinsame Ausflüge gesucht habe. Andreas V. sei ihr sympathisch vorgekommen, ihre Tochter habe daher schnell bei ihm und der kleinen Pflegetochter auf dem Campingplatz in Lügde-Elbrinxen übernachten dürfen. Im Wohnwagen des Dauercampers wurde dem Mädchen über Monate hinweg an den Wochenenden oder in den Ferien sexuelle Gewalt angetan. Hinweise auf zwei weitere Täter kommen von Andreas V. Doch damit ist das Grauen nicht auserzählt. Auch der eigene Vater soll seine kleine Tochter mehrfach sexuell missbraucht haben, diesen Hinweis hatte noch vor dem Lügde-Prozess Haupttäter Andreas V. gegeben. "Es hat ihm zwar nichts mehr gebracht, dennoch hat er die Namen zweier Männer genannt, das kann man ihm nur anrechnen", erinnert sich sein Verteidiger Johannes Salmen. "Uns war klar, der lügt nicht, was die Taten angeht." Die damaligen Gesprächsnotizen mit seinem ehemaligen Mandanten habe der Lagenser Rechtsanwalt direkt an die Detmolder Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Als das Hauptverfahren abgeschlossen war, sei Andreas V. noch einmal von den Ermittlern vernommen worden. "Seine Angaben haben sich zu 98 Prozent bewahrheitet", sagt Salmen heute. Zwei weitere Männer stehen nun wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern unter Verdacht, mit beiden hatte der Dauercamper Kontakt. Ein Mann aus Northeim, der 49-jährige Walter. S., muss sich bereits seit September vor dem Landgericht Göttingen wegen sexuellen Missbrauchs an fünf Mädchen verantworten. Gegen den Opfer-Vater, der ebenfalls in Northeim wohnt, ist gerade erst Anklage erhoben worden. Opfer von drei Männern? Das Perfide: Die zehnjährige Tochter des angeklagten Vaters gehört auch zu den Opfern des gerade in Göttingen vor Gericht stehenden Walter S.. Ob es damals zu einem gezielten Austausch zwischen Andreas V., Walter S. und vielleicht sogar dem beschuldigten Vater des Kindes gekommen ist, ist nicht bekannt. "Es gibt keine konkreten Hinweise darauf, dass es sich um einen organisierten oder gemeinschaftlichen Missbrauch handelt", sagt Opferanwalt Steffen Hörning, der die inzwischen zehnjährige Tochter als Nebenkläger in beiden Verfahren vertritt und auch schon den Lügde-Prozess begleitete. Damals hatte der Anwalt aus Göttingen in Saal 165 nur wenige Meter vom Opfer-Vater entfernt gesessen. Jetzt sieht er ihn höchstwahrscheinlich bald auf der Anklagebank wieder. Schwierige Beweisaufnahme Auch im nicht-öffentlichen Verfahren gegen Walter S. vertritt Steffen Hörning das zehnjährige Mädchen, das wohl von mehreren Männern missbraucht wurde. "Wenn sich der Tatverdacht bestätigt, sind es drei Täter, in die Richtung geht es", sagt Steffen Hörning. Weil einer von ihnen, Walter S., vor Gericht schweigt, sei das laufende Verfahren in Göttingen zäh und für die Opfer eine große Zerreißprobe. "Wir sind in einer schwierigen Beweisaufnahme", sagt Hörning. Da der Angeklagte keine Angaben macht, müssten alle Kinder vor Gericht noch einmal detailliert aussagen. Daneben seien psychologische Glaubwürdigkeitsgutachten gefordert worden. Ein Urteil erwartet der Opferanwalt frühestens nach dem 14. April. Der Prozess gegen den Vater ist noch nicht terminiert.

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