14.05.2019 | 14.01.2020, 13:32
Lügde
Die Staatsanwaltschaft bestreitet, Eltern davor gewarnt zu haben, Hilfe wahrzunehmen. In der Anklage gegen die beiden Hauptverdächtigen geht es um 300 Missbrauchsfälle.
Lügde. Der Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter ist sauer. „Es nervt, dass falsche Behauptungen in der Öffentlichkeit kursieren", schimpft Vetter. Jüngstes Beispiel: „Wir sollen Eltern von Missbrauchsopfern vor psychotherapeutischen Hilfen gewarnt haben. Dies ist Blödsinn." Natürlich könnten Erziehungsberechtigte selbst entscheiden, wann und wo die Aufarbeitung der schrecklichen Ereignisse starte.
Ihm und auch den Eltern sei es wichtig, dass die Täter bestraft würden. Dazu gehöre auch ein eindeutiges Aussageverhalten der Geschädigten bei der Polizei und vor Gericht. „Wir haben den Eltern nur erklärt, dass ein Therapieeinstieg vor dem Prozess zu unterschiedlichen Aussagen führen kann", so Vetter.
Zudem gebe es Hilfsangebote für Familien. Auch Dagmar Bothe vom „Weißen Ring" in Lippe weist darauf hin, dass extra eine ärztliche Beratungsstelle für die Opferfamilien eingerichtet wurde und diese auch in therapeutischer Sicht genutzt werde. „Aufarbeiten sollte man zwar noch nicht, aber die Kinder zu stabilisieren ist genauso wichtig", sagt Bothe, die 14 Familien im Fall Lügde betreut. Es sei entscheidend, die Opfer nun zur Ruhe kommen zu lassen, bevor die Strapazen des Prozesses losgingen.
Dreieinhalb Monate nach ersten Behördenmitteilungen über den mehr als tausendfachen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in der ostwestfälischen Stadt hat die Staatsanwaltschaft Detmold zwei Männer angeklagt: den Hauptbeschuldigten, Dauercamper Andreas V. (56), und den 49-jährigen Mitbeschuldigten Heiko V. In Kürze soll laut Oberstaatsanwalt Ralf Vetter auch die Anklage gegen Mario S. erhoben werden.
Unterdessen hat der Anwalt von Heiko V. gefordert, seinen Mandanten aus der Haft zu entlassen. Das berichtet die Rheinische Post. Ein Gutachter habe bei Heiko V. "weder eine psychische Störung noch eine grundsätzliche pädophile Neigung festgestellt". Eine mögliche Wiederholungsgefahr komme als Grund für eine Untersuchungshaft damit nicht mehr in Betracht.
Laut Rheinischer Post soll es zunächst um rund 300 Fälle sexuellen Missbrauchs gehen. Wie die Zeitung unter Berufung auf Justizkreise berichtete, werden von den rund 300 Missbrauchsfällen in der Anklageschrift etwa 230 als schwer eingestuft. Als Geschädigte würden 21 Kinder und Jugendliche genannt. Ihre Aussagen bilden demnach auch den Kern der Anklage.
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