
Leopoldshöhe. „Es gibt immer etwas, wofür man dankbar sein kann“, sagt Evelyne Waithira Müller. In der Coronazeit hat die Coachin Online-Kurse gegeben. „Viele haben mir geschildert, wie schlimm die Zeit für sie ist.“ Die Religionspsychologin aber hat die Teilnehmer herausgefordert. Statt Trübsal zu blasen, sollten sie sich Gedanken darüber machen, wie sie dennoch glücklich sein können.
In der Gemeindebücherei Leopoldshöhe berichtet die 37-Jährige während des interaktiv gestalteten Abends mit dem Titel „Herzensangelegenheiten“ über ihre eigene Sinnkrise vor zehn Jahren. „Eigentlich hatte ich alles, was ich brauche, aber innerlich war ich unzufrieden.“ Das habe sich gründlich geändert. Im Alter von 19 Jahren war die gebürtige Kenianerin nach England ausgewandert. Fünf Jahre war sie Soldatin in der britischen Armee. Als sie nach Deutschland versetzt wurde, lernte sie ihren Mann kennen. „Nein, nicht Nelson Müller“, wie sie scherzhaft betont, „sondern einen ganz gewöhnlichen Müller.“
Zunehmend fragte sie sich, was für sie wirklich wichtig im Leben ist. Sie studierte, arbeitete mit minderjährigen Geflüchteten und in einer Beratungsstelle zum Thema religiös motivierter Extremismus, ehe sie sich wohlüberlegt für die Freiberuflichkeit entschied. Sie spezialisierte sich darauf, Menschen, die sich in belastenden Lebensphasen befinden, darin zu unterstützen, mehr Zufriedenheit und Freude in ihrem Leben zu gewinnen. „Jeder von uns möchte glücklich sein, aber es gibt nicht nur den einen Weg, alle sind unterschiedlich“, betont die Referentin und möchte von den rund 20 Gästen an den liebevoll gedeckten Tischen wissen, was für sie Glück bedeutet und welches die klassischen Irrtümer sind.
"Glück ist veränderbar"
„Glück ist veränderbar“, sagt ein Herr. Es hänge vom Alter und der jeweiligen Lebenssituation ab. Klassischer Irrtum, da ist sich die Gruppe einig: „Man braucht ein Haus, zwei Kinder, ein Auto und einen Baum.“ Und: „Macht und Geld werden gleichgesetzt mit Glück.“ Oft erkenne man Glück erst in der Rückschau, glaubt eine Besucherin. Evelyne Waithira Müller liest eine Geschichte aus dem Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ von Palliativpflegerin Bronnie Ware. Um John geht es, der auf dem Sterbebett sagt: „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet, was war ich doch für ein Trottel.“ Denn das wirklich Wichtige habe er aus den Augen verloren. Seine Frau, die ihn immer wieder gebeten hatte, in Rente zu gehen, stirbt, bevor es dazu kommt.
Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregen soll. „Was zählt, ist die Familie“, sagt die Referentin, „die Balance ist wichtig.“ Zeit sei nicht selbstverständlich, also sollte man bewusst leben. „Was trägt zum Glücklichsein und einem erfüllten Leben bei?“, möchte Evelyne Waithira Müller von ihren Gästen wissen, und wieder wird an den Tischen munter diskutiert. Familie, Freundschaft, Geborgenheit, Gesundheit, Heimatgefühle, sind einige der Antworten. Aber auch die Erkenntnis, dass Glück nicht dauerhaft ist.
„Glück ist nicht Glücksache“, hebt Evelyne Waithira Müller hervor. „Wir können durch unsere Lebensführung und unsere Entscheidungen etwas dazu beitragen.“ Isolierte Menschen seien oft depressiv. Den Teilnehmern empfiehlt sie, sich jeden Tag zu fragen, wofür sie dankbar sein können. Am 9. Februar 2022 wird es in der Gemeindebücherei eine weitere Veranstaltung mit der Leopoldshöherin geben. Thema dann: „Beziehungen und Herausforderungen im Leben.“