In den 1980er Jahren hatte sich noch ein Partnerschaftskomitee darum gekümmert, dass es regelmäßig Treffen zwischen Leopoldshöhern und Bürgern aus St. Gaultier gab. Zehn Jahre später wurde die offizielle Partnerschaft besiegelt. Und wenige Jahre später der Patentschaftsverein gegründet. Ein Porträt - mit Mahnung.
Leopoldshöhe. Die politische Lage in Europa spielt im Alltag des Partnerschaftsvereins Leopoldshöhe kaum eine Rolle. Das sagt Karl Harbaum, der dem Verein seit 1990 vorsteht. Aber im Hintergrund stehe der Friedensgedanke der Völkerverständigung. Den sieht der 75-Jährige unter Druck.
Harbaum ist der erste und bisher einzige Vorsitzende des Partnerschaftsvereins. Der Pensionär war Lehrer an der Felix-Fechenbach-Gesamtschule (FFG). Der gelernte Chemielaborant und studierte Hauptschullehrer unterrichtete dort Chemie, Englisch, Deutsch und auch Französisch.
Wider die Erbfeindschaft
An der Gesamtschule gibt es seit Mitte der 1980er Jahre eine Partnerschaft mit einer Schule in St. Gaultier. „Die Idee der Partnerschaften sollte nach dem Zweiten Weltkrieg die Vorstellung von einer Erbfeindschaft zwischen Frankreich und Deutschland verdrängen“, sagt Harbaum.Seit Mitte der 1980er Jahre bemühte sich ein Partnerschaftskomitee um einen regelmäßigen Austausch zwischen Leopoldshöhern und Bürgern aus dem Kanton St. Gaultier. 1990 unterzeichneten die Bürgermeister der beteiligten Gemeinden die Partnerschaftsurkunden. 2004 gründete sich der Verein.
„Wir sind damit finanziell unabhängiger“, sagt Harbaum. Zwar unterstütze die Gemeinde die Partnerschaften, als Verein können man aber freier agieren. Die Franzosen kamen zu den größeren Festen nach Leopoldshöhe, die Leopoldshöher fuhren und fahren noch regelmäßig nach Frankreich.
1998 veranstalteten Leopoldshöher in St. Gaultier einen ersten Weihnachtsmarkt. Inzwischen gibt es zwischen deutschen und französischen Familien feste Beziehungen. „Wir wollten immer in die Familien“, sagt Harbaum. Die Sprache sei kein großes ein Problem. Man verständige sich anders.
In der ebenfalls 1990 begonnenen Partnerschaft mit dem thüringischen Schweina spielen Sprachschwierigkeiten keine Rolle. Hier hat sich zwischen Vereinen und Gruppen in den Orten ein Austausch etabliert. Ende der 1990er Jahre kam die Partnerschaft mit dem polnischen Ort Myslakowice hinzu.
Es gibt auch eine Partnerschaft mit einer polnischen Schule
„In Polen ist die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg noch intensiver als in Frankreich“, sagt Harbaum. Die FFG unterhalte zur polnischen Schule eine Partnerschaft. Erst im vergangenen Jahr sei eine Delegation der Gemeinde dort gewesen. Harbaum hält den Gedanken der Partnerschaft gerade in den Zeiten, in denen Rechtspopulisten europäische Errungenschaften in Frage stellen, für wichtig. In St. Gaultier gebe es durchaus Stimmen, die weniger Partnerschaft wollen.Um den Frieden muss man sich bemühen
In Polen sei das anders. Die rechtsgerichtete PIS finde vor allem unter den jüngeren Polen kaum Anhänger. Dort gebe es vor allem gegen Russland erhebliche Vorbehalte. Würden die Populisten ihre Vorstellungen verwirklichen können, wäre das nach Einschätzung von Harbaum der direkte Weg zurück in das 19. Jahrhundert.„Da hat auch die jüngere Generation eine Aufgabe“, sagt Harbaum. Als junger Mann war er für die Aktion Sühnezeichen in Belgien und kam dort nach seinen Schulfranzösischerfahrungen praktisch mit dieser Sprache in Berührung. Seit 13 Jahren lernt er auch Polnisch.
Ihm liegt viel daran, dass die Idee der Partnerschaften bleibt und mit neuem Leben gefüllt wird, auch wenn er in absehbarer Zeit aus dem Amt scheiden wird. Harbaum: „Um den Frieden muss man sich bemühen.“